So die AfD stoppen?

Umfragen der ARD nach den Landtagswahlen in Sachsen und Thüringen machten deutlich, dass keiner der Befragten eine auch nur annähernd sinnvolle Antwort auf die Frage fand, warum er AfD gewählt habe. Einer meinte „Ja, was soll ich jetzt dazu sagen?“, andere erklärten, es müsse sich was ändern (was auch immer…) oder gar, eine Partei, die so viele stimmen hat, sollte auch regieren: „Sie sollen es probieren, entweder sie fahren es an die Wand oder sie können es“ (auch was auch immer).

Wie das „Ausprobieren“ bei der NSDAP ausgegangen ist, sollte man eigentlich wissen.

Angesichts so viel Inhaltslosigkeit klingt der (berechtigte) Vorwurf, die alten (West-)Parteien hätten sich Jahrzehntelang im Osten nicht blicken lassen, fast schon wie ein Argument. Man hat den Osten von Anfang an in der praktischen Politik den Rechten überlassen, aus Überheblichkeit oder weil es die paar Wählerstimmen im Osten nicht wert schienen, sich um sie zu kümmern.

Geradezu sprachlos macht einen jedoch, wie diese Parteien jetzt auf das Wahlergebnis reagieren: Abschieben, abschieben und nochmals abschieben, als gäbe es gar keine anderen Probleme mehr. Selbst nach Afghanistan, das so weit weg von einem menschlichen Staat ist, das man mit dem Regime nicht einmal sprechen mag.

Die Abschiebung von 28 (!) Afghanen wird gefeiert wie ein nationaler Feiertag. Und das Ergebnis? Die Menschen im Osten sprechen der AfD plötzlich Kompetenzen zu. Man muss sich nicht wundern: Wenn die anderen Parteien jetzt alle das wollen, was die AfD seit Jahren fordert, muss diese ja recht gehabt haben. Selbst Schulden- und auch sonst alles -bremse Lindner, der es tatsächlich geschafft hat, dass die FDP nur noch von Rechtsanwälten und Zahnärzten gewählt wird (knapp 1,1%), ausgerechnet der „ermahnt“ die Koalition, diesbezügliche „Versäumnisse“ schleunigst nachzuholen (28 Syrer vermutlich…).

Auf die West-Parteien sollte man also besser nicht hoffen. Bleibt die sogenannte Zivilgesellschaft.

Leider gibt auch diese nicht gerade Anlass zur Hoffnung: Hat man beispielsweise in Würzburg im Frühjahr noch eine mächtige Demonstration gegen rechts auf die Beine gestellt, erwies sich eine Veranstaltung am Tag nach den Landtagswahlen im Osten als ziemlicher Flop.

Angekündigt in der Presse war eine Demonstration, zu der die Grüne Jugend, die Jusos, die Jugendorganisationen von Verdi und der GEW und die Omas gegen rechts aufgerufen hatten.

Am Veranstaltungsort stellte sich heraus, dass man keine Demonstration angemeldet hatte, sondern lediglich eine Kundgebung, bei der sich rund zweihundert Leutchen in der Fußgängerzone verloren. Und leider ist auch kein einziger Passant stehengeblieben, um sich anzuhören, was da gesprochen wird.

Was nicht verwundert.

Eine Kundgebung besteht darin, dass jemand etwas kund tut, also redet. Wenn es den Veranstaltern aber nicht mal gelingt, ein kleines Podest oder wenigstens einen Hocker aufzutreiben, damit man die Redner sehen kann, hilft auch ein immerhin einigermaßen funktionierender Lautsprecher nichts.

Dann sprechen drei Leute – und sagen inhaltlich viel Richtiges. Dennoch bleibt die Stimmung irgendwo in der Mitte zwischen Entspanntheit und Desinteresse – etliche Kundgebungsteilnehmer beginnen sich zu unterhalten.

Liebe junge Leute jenseits der 30%  AfD-Wähler: Schön, dass es euch gibt! Aber man erreicht Menschen auf der Straße nicht, indem man sein Anliegen herunterliest wie ein Kassenwart seinen Rechenschaftsbericht. Man erreicht sie auch nicht, wenn man eine völlig unstrukturierte Rede hält, in der sich die inhaltlichen Punkte teils drei Mal wiederholen, statt den wichtigsten ordentlich hervorzuheben, hier z.B. die Lüge, die AfD sei eine neue Arbeiterpartei. Das ist doch wichtig, das muss man ausbauen (und nicht die Argumente dazu herunterrattern wie ein in der Schule unwillig auswendig gelerntes Gedicht)!

Und wenn dann die Omas am Schluss ihr traditionelles Liedchen anstimmen, hat man auch nicht den Eindruck, dass das eine Methode sein könnte, die AfD zu stoppen.

Es ist eigenartig: Da geht es um nichts weniger als um den Erhalt der Demokratie. Aber anstatt dieses Anliegen mit der gebotenen professionellen Schärfe und Eindringlichkeit in der Öffentlichkeit auszutragen, hechelt die eine Seite (die Politik) den Rechten hinterher und die andere Seite (die Zivilgesellschaft) macht eine Veranstaltung, als ginge es um einen Protest gegen erhöhte Schwimmbad-Gebühren.

Der Schnörpfl

Was für ein seltsames und außergewöhnlich hässliches Wort, werden jetzt die meisten von euch denken und selbst diejenigen, die sich an der lexikalischen Vielfalt des fränkischen Dialekts normalerweise erfreuen, müssen zugeben: Schön ist das nicht.

Schön ist auch nicht, dass es für dieses Wort nur eine höchst unpräszise Inhaltsseite, sprich, eine nur vage definierte Bedeutung gibt:

Ein Schnörpfl ist im Fränkischen immer etwas, das zwar mit seinem Stammkörper fest verbunden ist, aber immer von ihm wegstrebt und irgendwie instabil, beweglich ist. Einen Schnörpfl aus Eisen z.B. gibt es meines Wissens nicht:

Hat ein Beutel eine Schlaufe als Griff, ist das eine Schlaufe oder ein Griff. Hat er aber nur einen Stoffstreifen, kann man ihn an diesem Schnörpfl fassen. Eine Metallstange an einem Topf bleibt ein Griff und ist nie ein Schnörpfl.

Ein typischer Schnörpfl ist auch das Mundstück am Luftballon. Man kann ihn da fassen und es bleibt ein Schnörpfl, selbst wenn es heftig verknotet ist.

Auch ein bestimmtes männliches Körperteil kann ein Schnörpfl sein, solange es die Kriterien der großen Instabilität und Beweglichkeit erfüllt.

Man sieht: Immer taugt ein Schnöpfl zum Anfassen. Man kann seinen Stammkörper daran hochheben, wegziehen, durch die Luft schleudern etc.

Dass aus einem Schnörpfel unter bestimmten Umständen etwas anderes wird, zeigt das Beispiel vom männlichen Körperteil. Dass aus etwas anderem auch ein Schnörpfl werden kann, dafür hat eine dieser tief durchdachten EU-Richtlinien gesorgt:

Irgendein gelangweilter Europa-Politiker muss einen der ganz seltenen Fälle beobachtet haben, in dem ein Mensch den Schraubverschluss einer Flasche abgedreht, die Flasche leergetrunken und dann die leere Flasche und den abgedrehten Schraubverschluss an verschiedenen Orten abgelegt hat.

Das muss unterbunden werden, dachte sich der Politiker, drohe doch die Gefahr, dass sich der Verschluss ob seiner Unscheinbarkeit – getrennt von der Flasche – dem eigentlich auch für ihn vorgesehenen Recycling-Prozess entzöge.

Flugs entwarf er das Schnörpfelschöndranbleibgesetz, das Flaschenabfüller verpflichtet, den auch abgedrehten Schraubverschluss mittels eines Plastikbandes untrennbar mit dem Flaschenkörper zu verbinden, wo er nun rumhängt oder -wippt und zusammen mit seinem Plastikband einen 1A Schnörpfl bildet.

So weit, so gut. Allerdings erhoben sich alsbald landauf, landab Klagen über den nun europaweit sein Unwesen treibenden neuen Schnörpfl.

Da ist die Rede von unschönen und schmerzhaften Kratzern an der Wange beim Versuch, aus der Flasche zu trinken, von sabbernden Bartträgern, weil sich der Flaschenschnörpfl in den Barthaaren verheddere und so die Flaschenöffnung vom aufnahmebereiten Mund reiße, von Nasenbluten gar, weil sich ein hervorstehendes scharfkantiges Plastikteilchen in der Nasenscheidewand verhakt habe.

Erzählt wird von mit Milch überschwemmten Frühstückstischen, weil der Tetrapack-Schnörpfl direkt in den Strom der ausgegossenen Milch gerutscht sei und von safttriefenden Kühlschränken, weil es fast niemandem gelänge, den an arg kurzer „Leine“ fixierten Flaschenverschluss wieder korrekt aufzusetzen.

Vermutlich wurde durch dieses Gesetz erheblicher, durch achtlos weggeworfene Flaschenverschlüsse verursachter ökologischer Schaden abgewendet. Allerdings fielen in den Ländern, in denen es in Kraft gesetzt wurde, die Menschen im Glücklichkeitsranking um etliche Plätze zurück.

Deswegen, wird in üblicherweise gut informierten Kreisen gemunkelt, arbeiten Küchenutensilienhersteller wie Fa**elmann bereits an einer unauffälligen Flaschenöffnungshilfe, die beim Aufdrehen des Verschlusses ganz zufällig das Fixierungsband durchtrennt und so aus dem Schnörpfl wieder einen freien, dreh- und wegwerfbaren Flaschenverschluss macht. Die Nachfrage nach Patent und Produktionsmaschine soll riesig sein.

Viele Leute erklärten auf Befragung, sie hätten den Flaschenverschluss nach Entleeren der Flasche bewusst abgedreht, weil sie befürchteten, er würde beim Reinigen oder Recyclen Probleme machen. Vielleicht hätte eine kleine Aufklärungsbroschüre ja auch gereicht, um das Problem zu beseitigen. Aber das wäre nur die zweitbeste Lösung gewesen: Schließlich gäbe es dann die vielen neuen Arbeitsplätze nicht und auch nicht das neue wohllautende Gesetz (das ehrlicherweise in Analogie zum „Gute-Kita-Gesetz“ und „Geordnete-Rückkehr-Gesetz“ frei erfunden wurde).

Kein Scherz, aber ein schlechter

Natürlich denkt man zuerst, jetzt habe der FDPler mit dem größten Schaden an der Waffel auch mal was sagen dürfen und das vermutlich in volltrunkenem Zustand:

Kostenlose Autoparkplätze in den Innenstädten, weniger Fußgängerzonen und Fahrradstraßen, so der „Zukunftsplan“ der FDP.

So voll zurück in die 60er, dass selbst der immer abgasbenebelte ADAC sich mit den Vorschlägen nicht richtig anfreunden kann: Radfahrer und Fußgänger sollten natürlich AUCH ihre Berechtigung in den Innenstädten haben.

Ansonsten hielten die meisten Kommentatoren diesen „Plan“ entweder für einen schlechten Witz oder eine individuelle Entgleisung, wohl auch verleitet durch die eigenartige Scheinlogik in der Begründung: Dem Einzelhandel ginge es besser, wenn Autos umsonst in den Innenstädten parken dürften. Richtig. Den Autobauern ginge es theoretisch auch besser, wenn sie für ihre Verbrenner nicht so lästige – und nur teuer zu umgehende – Umweltauflagen erfüllen müssten und die Bauern hätten es auch leichter, wenn sie tonnenweise Pestizide legal auf ihren Feldern ausbringen dürften.

Vermutlich aber glaubt diese Logik noch nicht einmal die FDP selbst: Man mag sich die von Autos verstopften Innenstädte am Samstagmorgen ja gar nicht vorstellen, und sowohl den Auto- wie auch den Rübenbauern liefe wohl letztlich die Kundschaft weg.

Dass der „Plan“ jetzt kurz vor den Landtagswahlen im Osten und vom Generalsekretär verkündet wurde, dürfte allerdings wohlkalkuliert – und Ausdruck der puren Verzweiflung der FDP sein:
Die Umfragewerte der Partei im Osten sind eine Katastrophe und man kann nicht damit rechnen, liberaldemokratisch denkende Menschen zur Stimmabgabe für sie zu bewegen. Also hat man offensichtlich beschlossen, verstärkt in ganz trüben Gewässern zu fischen, im Wählerpotential der AfD. Dort tummeln sich neben Nationalisten (was Teilen der FDP ja auch ganz nahe liegt) besonders viele Klimaleugner und Grünen-Feinde. Anders als im Westen sieht sich die FDP hier auch genötigt, die Politik „für den kleinen Mann“ zu entdecken, kurz, sich als die bessere AfD zu verkaufen.

In denselben Gewässern fischt neuerdings ja auch das BSW. Traurigerweise reicht das Stimmenpotential eigentlich für alle drei, aber es ist nicht zu erwarten, dass die Menschen im Osten der FDP ihr neu entdecktes soziales Bewusstsein abkaufen – zumal diese auf Bundesebene ja weiter eine erhebliche Kürzung des Bürgergelds fordert.

Für die Parteien des demokratischen Spektrums kann die Lehre aus diesem Vorstoß nur sein: Es ist nicht klug, sich auf Koalitionen mit einer Partei einzulassen, deren einziger politischer Programmpunkt das eigene Überleben ist, koste es, was es wolle.

Auch auf Bundesebene scheint ein wahltaktisches Manöver eingeleitet zu sein: Mit Vorschlägen, die auf direkte Konfrontation mit den Koalitionspartnern aus sind, entzweit man die Koalition bewusst immer mehr, um sie (möglichst kurz vor der Wahl, dann steht man auch nicht als „Kanzlermörder“ da) platzen zu lassen. Dann kann man aus der Opposition heraus die „verantwortungslose“ Politik von SPD und Grünen anprangern und als vermeintlicher Retter der „bürgerlichen Freiheiten“ wahlkämpfen.

Wie war das noch einmal? Lieber nicht regieren als schlecht regieren? Die FDP 2024 ist einen Schritt weiter, das muss man erst einmal hingekommen: Gleichzeitig schlecht UND nicht zu regieren…

Wissing-Logik

Der Verbrecherclan einer europäischen Stadt (man vermutet sie zu Unrecht im Süden) hat durchgesetzt, dass die Verbrechen seiner Mitglieder, so man sie denn erwischt, nicht mehr individuell abgestraft werden, sondern pauschalisiert. Die Justiz soll eine jährliche Verbrechensbilanz aufstellen und dann eine Gesamtstrafe aussprechen. Der Clan verspricht, für die Gesamtstrafe aufzukommen, was er natürlich nie tut, weil er genau weiß, dass dieses Verfahren juristisch nicht haltbar und die Strafe damit nicht durchsetzbar ist.

Das ist eine Parabel, die komisch klingt.

An geeigneter Stelle könnte man auch einsetzen „FDP“, „Lindner“ oder „Wissing“. Und schon klingt die Parabel weniger komisch:

Die Ampel hatte in ihrem Koalitionsvertrag eine konkrete Senkung des Co2-Ausstoßes vereinbart. Die einzelnen Ministerien sollten regelmäßig Rechenschaft darüber ablegen, wie hoch der von ihnen erzielte Einsparungseffekt von Co2 liegt.

Die Regierung war kaum im Amt, als klar wurde, dass das Verkehrsministerium nicht nur nichts zur Co2-Reduktion beitragen würde, sondern dass im Gegenteil dieses Ressort sogar für eine Erhöhung des Ausstoßes verantwortlich sein wird. Denn Verkehrsminister Wissing stellte alsbald fest, was er zu tun, oder besser, was er nicht zu tun gedachte:

Dass Flugbenzin natürlich nicht besteuert wird, weil das den Gewinn der Luftfahrtkonzerne schmälern könnte.

Dass es kein Tempolimit auf Autobahnen geben würde, wie es FDP-Lindner-Wissing den anderen Ampelparteien abgepresst hatte, ist für ihn ein nicht in Frage zu stellendes Faktum.

Dass er das unselige Dienstwagenprivileg nicht abschaffen werde, das dafür sorgt, dass als Dienstwagen ausgewiesene Fahrzeuge steuerlich begünstigt werden, weshalb rund 80% der SUV-Panzer und „Premium“-Limousinen ihren Co2-Ausstoß steuerbegünstigt als Dienstwagen erledigen.

Dass er nichts an der perversen Regelung ändern werde, dass die Umweltfreundlichkeit eines Autos am Verhältnis von Hubraum zu Co2-Ausstoß bemessen wird, was dazu führt, dass eine Riesenkarosse mit 2500 ccm Hubraum zweieinhalb Mal so viel Schadstoffe ausstoßen darf wie ein 1000 ccm-Wägelchen, aber dennoch als genauso umweltfreundlich gilt.

Dass er gar nicht daran denkt, irgendwelche vernünftigen Größen-, Gewichts- oder Verbrauchsregelungen einzuführen, von einer nach Größe gestaffelten Autobahnmaut, wie das in anderen Ländern üblich ist, ganz zu schweigen.

Dass er es richtig findet, den (immerhin vorgeschriebenen) Durchschnittswert für den Schadstoffausstoß pro Marke dadurch zu drücken, dass 2,5-Tonnen-Elektro-Panzer als Wagen mit null Emissionen gerechnet werden, obwohl diese allein bei der Produktion mehr Schadstoffe verursachen als ein Kleinwagenauf einer Strecke von 200 000 Kilometern.

Was FDP-Lindner-Wissing tun oder zu tun gedenken, geht deutlich kürzer:

Nach dem Haushaltsurteil des Bundesverfassungsgerichts fiel dem Finanzminister als erstes ein, die staatliche Förderung für E-Autos ersatzlos zu streichen, wodurch deren Absatz sofort (auch im Zusammenhang mit einer völlig unzureichenden Ladesäulenstruktur) einbrach – zugunsten umweltfeindlicher Verbrenner-Autos.

Welche in Europa nur deswegen nicht verboten werden, weil die FDP die sog. „Technologieoffenheit“ durchgesetzt hat und von sog. E-Fuels träumt, synthetisch hergestellten Kraftstoffen. Deren Herstellungskosten schätzen Experten auch langfristig 16 mal höher als herkömmliche Kraftstoffe: Spezialsprit für Porschefahrer Lindner und seine Klientel. Vergleichbar liegen die Kosten für die Herstellung von Wasserstoff, der für den privaten PKW-Verkehr höchstwahrscheinlich niemals zum Einsatz kommen wird.

Ein weiterer Traum von FDP-Lindner-Wissing sind riesige Solaranlagen in Nordafrika auch zur Herstellung von Kraftstoffen, die dann nach Europa exportiert werden sollen. Was natürlich unterstellt, dass die Nordafrikaner niemals nie nicht auf die Idee kommen werden, mit ihrem eigenen Strom eine ordentliche Produktion aufzubauen, statt diesen nach Europa zu verscherbeln.

Was FDP-Lindner-Wissing sehr kurzfristig angehen werden, sind Strafzölle für kleine, erschwingliche E-Autos aus China. Denn das geht ja wirklich nicht an, dass die Deutschen vernünftige kleine Autos kaufen und unsere „Premium-Industrie“ auf ihren Riesenkutschen sitzenbleibt.

Für die Energiebilanz des Verkehrssektor ist das natürlich alles eine Katastrophe. Um das zu verschleiern, haben FDP-Lindner-Wissing den anderen beiden Koalitionsparteien ein Gesetz aufgenötigt, das nicht mehr die einzelnen Ressorts rechenschaftspflichtig macht, sondern nur noch eine „Gesamtbilanz“ erfordert.

Die Folgen sind dieselben wie beim Verbrecherclan aus der Parabel am Anfang.

Die Deutschen wollten, erklärte der Verkehrsminister neulich wider besseres Wissen, kein Tempolimit auf der Autobahn, weshalb dieses nicht durchsetzbar sei.

Um das neue Gesetz, das den zynischen Namen „Klimaschutzgesetz“ trägt, durchzusetzen, drohte Wissing angesichts seiner verfehlten Klimapolitik mit Wochenend-Fahrverboten auf allen deutschen Straßen.

Für so ein Verhalten muss es doch, verdammt noch mal, einen medizinischen Fachbegriff geben.

Der Krieg und das Völkerrecht

Selten ist wohl ein Autor so missverstanden und anschließend so missbraucht worden wie Freiherr Adolph von Knigge. Der alte Aufklärer muss heutzutage herhalten als Gewährsmann für Tischsitten und Tanzstundenbenehmen – über beides hat er nie geschrieben. Er hat versucht, rationale Regeln über den „Umgang mit Menschen“ (so auch der Titel seines Hauptwerkes) aller Art aufzustellen und ist dabei u.a. zu dem Ergebnis gekommen, dass mit „Pfaffen vernünftigerweise gar nicht umzugehen“ sei. Er hält es auch für problematisch, Regeln für Verliebte aufzustellen, denn das sei so, als würde man „einem, der die Kolik hat, vorschreiben, nach Noten zu brüllen“.

Und damit sind wir beim Thema.

Bundeskanzler Scholz weigert sich, der Ukraine den Taurus-Marschflugkörper zu liefern mit dem Argument, dass so mit deutschen Waffen russisches Territorium angegriffen und Deutschland zur Kriegspartei werden könnte, was auf alle Fälle vermieden werden müsse.

Er stößt damit bei Teilen seiner Koalition auf heftigen Widerspruch. Die Grünen und die FDP finden ausgerechnet hier sonst kaum mehr wahrnehmbare Berührungspunkte:

So schmieden Anton Hofreiter von den Grünen, von dem man immer ein bisschen den Eindruck hat, er habe den Verstand verloren, seit er nicht Minister geworden ist, und Strack-Zimmermann von der FDP, bei der es diesbezüglich nichts gab, was hätte verloren gehen können, eine ziemlich gruselige KriegerInnen-Allianz.

Das Völkerrecht, posaunen beide unisono immer wieder, erlaube einem angegriffenen Staat, sich zu verteidigen und anderen Staaten, diesen zu unterstützen. Selbst durch einen Einsatz deutscher Taurus-Marschflugkörper mit Hilfe deutscher Soldaten werde Deutschland völkerrechtlich nicht Kriegspartei, erklären sie und finden Unterstützung bei etlichen rechten Staats- und Militärrechtlern.

Mag sein, dass sie formalrechtlich damit sogar richtig liegen. Dennoch ist diese Argumentation einfach nur absurd. Kann sich irgendwer an einen Krieg erinnern, in dem das Völkerrecht oder auch nur das Kriegsrecht nach den Den Haager Verträgen eingehalten wurde? Ist die Vorstellung, irgendwer beschließe, ein Land zu überfallen und dabei hunderttausende Tote in Kauf zu nehmen, sich aber dabei an irgendwelche rechtlichen Regeln zu halten, nicht einfach ein verrücktes Hirngespinst?

Die Den Haager Kriegsregeln (die heute offiziell noch gelten) wurden übrigens um 1900 gemeinsam von den imperialistischen Mächten Europas beschlossen, um ihren Eroberungskriegen einen „sauberen“ Anstrich geben zu können. Bis heute gibt es ja Kreise in Deutschland, die behaupten, die Wehrmacht habe einen „korrekten“ Krieg nach der Haager Landfriedensordnung geführt.

Wahrheitsgehalt knapp unter einem Prozent.

Sich in dem Konflikt mit Russland, das durch den Überfall auf die Ukraine klargestellt hat, dass ihm internationales Recht am Wertesten vorbeigeht und genau das auch durch permanente Massaker und Verstöße gegen ebendieses Recht demonstriert, auf exakt diese missachteten Regeln zu berufen, um damit massiveres deutsches Eingreifen in diesem Krieg zu fordern, ist letztlich einfach verlogen – und das wissen Hofreiter und Strack-Zimmermann auch.

Die Frage ist natürlich, worin – neben der eigenen Geltungssucht – der Grund für diese rigorosen Forderungen liegt.

Glaubt man, Putin mit einer Demonstration der Stärke abschrecken zu können, wo dieser doch in jeder Ansprache demonstriert, das ihn die aberwitzig hohen Opferzahlen unter seinen Soldaten völlig kalt lassen und er bereit ist, sein ganzes Land auf reine Kriegswirtschaft umzustellen?

Oder glaubt man tatsächlich, Putin würde sich im Zweifel der Interpretation des Völkerrechts von Hofreiter und Strack-Zimmermann anschließen und sich dadurch von einem Gegenschlag abhalten lassen?

Das wäre nun wirklich, wie einem, „der die Kolik hat“, ein Liederbuch unter die Nase zu halten.

Aufstand der Bornierten

Wir ernähren euch mit unserem Blutschweiß!“

Ähnliche Landser- und Fascho-Sprüche waren – neben den üblichen Ampeln am Galgen und den nur unwillig getarnten Aufforderungen, Gewalttaten gegen Grüne zu begehen – auf zahlreichen Plakaten, befestigt an tonnenschweren Traktoren, bei den Bauerndemos zu sehen. In erstaunlichem Einvernehmen mit den Polizeikräften „blockierte“ man dabei den Verkehr „nicht“ (schließlich sei man ja nicht wie die „Klimakleber“), sondern brachte ihn zum Beispiel durch Traktorenketten, die im Kriechgang durch Kreisverkehre zuckelten, zum Erliegen.

Der gesamte Bauernstand sei in seiner Existenz bedroht durch das schrittweise Kürzen der Agrardieselsubventionen, und dann müsse man „das Essen importieren!“, wie auch zu lesen war. Igitt!

Dem Hinweis, dass schon im Koalitionsvertrag vor zwei Jahren angekündigt worden sei, dass die Regierung umweltfeindliche Subventionen wie z.B. für Diesel zurückfahren wolle (was ihr erst wieder eingefallen ist, nachdem das Bundesverfassungsgericht die illegalen Schattenhaushalte verboten hat) wurde spitzfindig mit der Behauptung entgegengetreten, es gäbe gar keine Subventionen für die Landwirtschaft, sondern nur „Ausgleichszahlungen“ für vom Staat auferlegte Verpflichtungen wie z.B. das Anlegen von Blühstreifen.

Da muss der 360 Hektar große Landwirtschaftsbetrieb von Bauernpräsident Rukwied wohl in Gänze aus Blühstreifen bestehen, wenn er dafür allein von der EU jährlich ca. 110 000 Euro einstreicht (neben mindestens 170 000 Euro für diverse Aufsichtsratsposten bei diese Blühstreifen nutzenden Betriebe wie z.B. Baywa und Südzucker).

Doch schnell konnte diese Argumentation niemand mehr ernst nehmen: Hatte man zunächst gejammert, die Landwirtschaft müsse ganz allein für das „Finanzchaos der Ampel“ „bluten“, zeigte man sich dann doch erfreut, als sich plötzlich Spediteure, Handwerker und der mindestens schon dreimal das Ende der deutschen Gastronomie beschwörende Gaststättenverband den Protesten anschlossen. Alle wollen weniger Steuern zahlen, damit das deutsche Volk nicht jämmerlich verhungert.

Dagegen meldeten sich vermehrt auch andere Stimmen aus bäuerlichen Betrieben, besonders aus der Bio-Landwirtschaft, die darauf hinwiesen, dass keine einziger Bauernhof wegen der Kürzung der Subventionen pleite ginge (große verdienen eh genug und kleine sind kaum betroffen) und es grundsätzlich ein falsches Geschäftsmodell für Privatunternehmen sei, sich ihre Arbeit vom Staat bezahlen zu lassen statt von den Kunden wie Aldi, Lidl usw., deren Besitzer nicht zufällig zu den 10 reichsten Deutschen überhaupt gehören. Gegen die müsse man demonstrieren und faire Abnahmepreise erzwingen. Wie vernünftig! Vielleicht sollte man ergänzend auch noch den Finanzminister ins Visier nehmen, der mit seinem Beharren auf der ökonomisch vollkommenen unsinnigen Schuldenbremse das ganze Desaster ja erst verursacht (dieser wurde ohne ein einziges Argument in bewährter Pediga-Manier mit „Hau ab!“ und „Lügner!“ niedergebrüllt). Aber die Lebensmittelkonzerne wurden von den Bauern sogar in Schutz genommen, die könnten ja nichts dafür, das sei der „Weltmarkt“, dieser überwiegend ausländische …

Es geht also offensichtlich gar nicht so sehr um das Geld alleine. Es geht schlicht „gegen die Ampel“, der alle jahrzehntealten Fehler deutscher Politik aufgebürdet werden, bis hin zur maroden Deutschen Bahn, für die bis vor zwei Jahren fünf CSU-Minister in Reihe zuständig waren. Vorgeworfen wird der Ampel vage eine „links-grüne“ oder auch „links-grün-versiffte“ Ideologie. Gemeint sind alle Maßnahmen, die in irgendeiner Form mit Klimaschutz zu tun haben, dessen Notwendigkeit viele Bauern bis heute leugnen, selbst wenn sie, wie in Unterfranken, inzwischen den halben Main leerpumpen, um ihre Felder zu bewässern.

Mit verblüffender Borniertheit wird verkündet, allen voran vom bayerischen Bauernführer Aiwanger, die Bauern seien schon immer die besten Klimaschützer und Bewahrer der Artenvielfalt gewesen, was angesichts fast überall abgeholzter Hecken zwischen den Feldern und quadratkilometergroßer Monokulturen in Norddeutschland, zwangsläufig verbunden mit einem massiven Einsatz von Pestiziden, ziemlich kühn klingt.

Aber genau deshalb werden die Grünen zum Hauptgegner, weil deren wenigstens in Ansätzen noch vorhandene klimapolitische Vorstellungen schlicht mit dem unbegrenzten Gewinnstreben der Bauern kollidieren. So wird jede Düngemittelverordnung als schwerwiegender (und selbstverständlich ruinöser!) Eingriff in die „Berufsfreiheit“ bejammert. „Berufsfreiheit“ meint hier z.B., nach eigenem Gutdünken die Böden und auch das Grundwasser vergiften zu dürfen. Die landwirtschaftlich ahnungslosen „Städter“, doziert der Vorsitzende der bayerischen Freien Wähler, ausnahmsweise mal ohne ein frisch gewaschenes Ferkel auf der Schulter, hätten sich da rauszuhalten und den Bauern nichts vorzuschreiben.

In dieselbe Richtung geht übrigens der Protest der Handwerker und Spediteure, der sich vor allem an der Erhöhung der LKW-Maut festmacht: Das sei ruinös und man wolle weitermachen wie schon immer. Darum geht es. Weitermachen wie schon immer, Veränderungen und Notwendigkeiten ignorieren.

Kann ja auch praktisch sein: Wenn hier etliche Tierarten wegen der Hitze und Trockenheit aussterben, folgen ja tödliche Stechmücken und andere Wüstenbewohner aus Nordafrika. Die Artenvielfalt bleibt gleich.

Wenn der Müller-Thurgau vertrocknet, pflanzen wir halt Bordeuax-Weine an.

Und wenn bei uns Orangen und Zitronen wachsen, müssen wir die nicht mehr aus dem Ausland importieren. Ist doch gut.

Und Bananen brauchen wir eh mehr, wegen der vielen ungefiltert illegal immigrierenden Schwarzen.

Passt doch.

Genial: Asylproblem gelöst!

Jetzt ist sie tatsächlich wieder auferstanden, die deutsche Leitkultur. Zwar müffelt sie inzwischen ziemlich verwest, aber viele, die sie mit ausgegraben haben, riechen das offensichtlich gern.

Die CDU hat unter ihrem Langen Vorsitzenden (selbsternannter Mittelständler mit nur zwei Privatflugzeugen, aber deutlich mehr Millionen auf der Bank) ein Grundsatzprogramm entworfen, nach dessen Leitsätzen sie demnächst Deutschland regieren möchte. Zur Migrationspolitik ist (laut Parteitagsdelegierten von Merz persönlich eingebracht) folgender Satz zu finden:

Nur wer sich zu unserer Leitkultur bekennt, kann sich integrieren und deutscher Staatsbürger werden.“

Nun konnte sich schon damals, 1998, als Jörg Schönbohm diesen Begriff in die öffentliche Debatte brachte, niemand so recht etwas darunter vorstellen. Die Idee, dass damit z.B. demokratische Traditionen und Werte zu verstehen seien, wurde verworfen, weil diese Punkte ja nicht gerade originär deutsch seien. Also richtete man den Fokus mehr auf „Kultur“ – und tat sich erst recht schwer: Bayerische Volkstänze und Biergartenrituale konnte man ja schwer Hamburgern verordnen (da hatten die mit ihren Fischbrötchen schon mehr Erfolg). Nach heftigem Sinnen kam man zu der Feststellung, dass es gar keine gemeinsame deutsche Kultur gibt, die leiten könnte. (Da könnte wohl auch die Erkenntnis angeklopft haben, dass es auch gar keine gemeinsame deutsche Nationalgeschichte gibt, aber das hat man dann doch lieber wieder vergessen). Und so hat man die deutsche Leitkultur begraben.

Jetzt ist sie wieder da (s. oben).

Das Rätselraten war groß. Einig war man sich schnell, was nach den Worten des Langen Vorsitzenden NICHT zur deutschen Leitkultur gehört: Politiker, die wie Klempner arbeiten, Schwule, weil die seiner Meinung nach meistens Kinderschänder sind, Asylsuchende, die zum Zahnarzt gehen und dort Deutschen ihre Termine wegnehmen, Kinder von Ausländern, die sich wie „kleine Paschas“ ausführen und ukrainische Sozialschmarotzer.

Aber reicht das tatsächlich? Sollte nicht auch ein bisschen positive Orientierung dabei sein?

Schon ist er hilfreich zur Stelle, der Lange Vorsitzende:

Wenn wir von Leitkultur sprechen, von unserer Art zu leben, dann gehört für mich dazu, vor Weihnachten einen Weihnachtsbaum zu kaufen.“

Wums.

Da hat er doch mindestens drei Klappen mit einer Fliege erschlagen, er ist ja nicht blöd, der Friedrich:

Natürlich ist der Satz nicht so gedacht, dass jetzt für die nach seiner Rechnung Abermillionen Asylbewerber deutsche Tannenbäume abgehackt und denen zum Kauf angeboten werden: Erstens haben die ja gar kein Geld zum Weihnachtsbaumkaufen und zweitens würden die deutschen Weihnachtsbäume dafür auch gar nicht reichen. Deutsche Tannen sind für deutsche Käufer gedacht.

Also bleibt den Asylbewerbern nur die Möglichkeit, sich ihren Weihnachtsbaum selbst mitzubringen. Das mag zwar auf den innereuropäischen Schleuserrouten etwas komisch ausschauen, aber ein Problem ist schon mal gelöst: Nichts, was in Afrika wächst, könnte auch nur annähernd als deutscher Weihnachtsbaum durchgehen. Also Schnellverfahren in den neuen außereuropäischen Asylzentren: „Das soll ein Weihnachtsbaum sein?? Damit brauchst du gar nicht erst versuchen, nach Deutschland zu kommen“.

Wer jetzt meint, dass das aber doch nur die afrikanische Asylantenschwemme aufhält, muss wissen: Friedrich denkt gerne in Bildern. Und so ist das mit dem Weihnachtsbaum auch zu verstehen: als Symbol. Selbstverständlich gehört zur deutschen Leitkultur auch der regelmäßige Kauf und Verzehr von Schweinebraten. In Wahrheit kaufen die Deutschen nämlich viel öfter Schweinebraten als Weihnachtsbäume. Und schon ist auch die Flut aus dem Osten gestoppt:

An den Ostgrenzen der EU (in Belaruss und der Ukraine, Russland macht ja nicht mit, der soll gar nicht erst versuchen, rüberzukommen, wenn er mal fällig ist, der Putin), werden Asylzentren errichtet, in denen jedem Asylbewerber ein Schweinebraten vorgesetzt wird. Das sind ja alles Moslems dort drüben. Weigert sich einer, ihn zu essen, hat er in Deutschland sowieso nicht zu suchen. Isst er ihn aber, ist das noch schlimmer: Aus purem Sozialschmarotzertum verrät er seine Religion, und Gottlosigkeit gehört nun ganz gewiss nicht zur deutschen merzschen Leitkultur. Wobei sich die Behörden in diesem Zusammenhang auch gerne fragen dürfen, ob das überhaupt eine Religion ist, was die da drüben haben und nicht einfach Terrorismus.

So. Südasylanten gestoppt, Ostasylanten gestoppt.

Und wo bleibt die dritte Klappe?

Ist doch auch längst erledigt:

Sollte es wider aller Voraussicht ein Asylbewerber schaffen, diese Hürden zu überwinden, dann ist er bestimmt ein kleiner Pascha, ein Schwuler, ein Sozialschmarotzer, ein Zahnkranker oder ein Klempner.

Was die Ukraine braucht

Alle reden nur noch von Israel und es scheint tatsächlich so, als ob man sich an das Leid, das in der Ukraine tagtäglich neu verursacht wird, irgendwie gewöhnt hat. Dabei sitzen die Menschen dort Schutz suchend in den U-Bahnschächten, müssen täglich damit rechnen, dass sie und ihre Wohnungen bombardiert werden. Der Ausfall von Strom und Heizung im bitterkalten Winter wird wegen der gezielten russischen Angriffe auf die entsprechende Infrastruktur ebenfalls Alltag werden.

Und die westlichen Politiker betonen pflichtschuldigst, dass die Unterstützung der Ukraine nicht nachlassen werde, dass die Ukraine alles bekomme, was sie braucht.

Was konkret sie allerdings braucht und wofür, darüber schweigt man sich ziemlich aus.

Für jeden ist ersichtlich, dass das, was die Ukraine zurzeit bekommt, natürlich nicht ausreicht, um die von Russland besetzten Gebiete zurückzugewinnen. Es reicht allenfalls, um mit Mühe und Not weitere Eroberungen Russlands zu verhindern. Ist es das, was die Ukraine „braucht“?

Viele europäische Regierungschefs fordern stärkere Waffensysteme für die Ukraine wie z.B. die Taurus-Systeme und blicken dabei – mangels eigenem Besitz – auf Deutschland. Auch deutsche Oppositionspolitiker, Grüne und FDPler fordern dies und blicken dabei auf den Bundeskanzler. Der aber blickt in die USA.

Was ihm wiederum erstaunlicherweise von Unions-Politikern vorgehalten wird, die doch sonst immer erklären, Deutschlands Wohl und Wehe hinge ausschließlich von der NATO und deren Führungsmacht USA ab. Und damit auch richtig liegen.

Jedenfalls tut der Kanzler nichts ohne Absprache mit den USA, und die sind dagegen, der Ukraine Raketen oder Marschflugkörper mit großer Reichweite zu schicken. Das kann mehrere Gründe haben:

Denkbar ist tatsächlich ein gewisses Maß an Misstrauen der Ukraine gegenüber, die Befürchtung, sie würde solche Waffen trotz gegenteiliger Versprechungen dazu nutzen, Ziele in Russland oder gar direkt in Moskau anzusteuern. Amerikanische Raketen auf Moskau: Da wäre tatsächlich damit zu rechnen, dass Putin die rote Linie übertreten sieht, die er von Anfang an betont hat: eine existenzielle Bedrohung Russlands. Es ist nicht auszuschließen, dass er dann zu weltzerstörenden Maßnahmen greift.

Selbst wenn die Langstreckenwaffen nicht auf Russland gerichtet würden, würde deren Lieferung eine neue Qualität der Beteiligung der NATO an diesem Krieg bedeuten. Und offensichtlich ist man sich auch hier nicht so sicher, wie Putin reagieren würde. Dass er sich in diesem Fall offen mit einem NATO-Land anlegen würde, ist zwar unwahrscheinlich. Aber das Arsenal der Kriegsführung ist groß – und wieder ist nicht auszuschließen, dass eine russische Politik der militärischen Nadelstiche außer Kontrolle geraten und eine Katastrophe auslösen könnte.

Und das zu vermeiden hat offensichtlich höchste Priorität in Washington und auch beim Bundeskanzler. Und dafür sollte man eigentlich dankbar sein. Ein Spiel mit dem Feuer, sprich mit einem zumindest teilweise unzurechnungsfähigen Atomwaffen-Besitzer, wie es manche aus den Reihen der Grünen, der FDP und der Union fordern, wäre geradezu verantwortungslos.

Wenn das alles aber so ist, sind das natürlich sehr trübe Aussichten für die Ukraine: Sie wird den Krieg gegen Russland nicht „gewinnen“ können, so lange die NATO nicht mit ganz massiven Angriffswaffen eingreift (was sie aus den oben genannten Gründen nicht tut). Das erklärt auch, weshalb der Kanzler die Formulierung „Die Ukraine muss den Krieg gewinnen“ im Gegensatz zu anderen deutschen Politikern nicht verwendet. Russland hat nach wie vor so viele Ressourcen, dass es pausenlos Waffen bauen oder kaufen kann und wird so der Ukraine immer überlegen bleiben.

Schon werden Stimmen innerhalb der NATO laut, dass es schon als „Sieg“ gewertet werden könne, wenn man ein weiteres Vordringen Russlands verhindert. Da beschleicht einen doch ein sehr ungutes Gefühl:

Der Westen liefert Waffen, die weitere Geländegewinne Russlands verhindern. Russland stellt – und da ist die autoritäre Regierung logistisch im Vorteil – seine Wirtschaft zu immer größeren Teilen auf Kriegsgerät um, mit dem sie Rückeroberungen der Ukraine stoppen kann. Die Hoffnung, dass in Russland die Stimmung wegen der großen Verluste kippen und sich gegen Putin richten könnte, kann man vergessen: Wird doch dort die Eroberung jeden kleinen Bauerndorfes als großartiger Erfolg der heldenhaften Armee gepriesen – und die Menschen wollen in übergroßer Mehrheit immer noch dran glauben. Eher kippt die Stimmung in der Ukraine, da nicht nur die Waffen für wirkliche Erfolge fehlen, sondern auch (im Gegensatz zu Russland) allmählich die Soldaten.

Hat sich hier nicht längst ein Stellvertreterkrieg auf dem Rücken der ukrainischen UND der russischen Bevölkerung entwickelt?

So lange dieser Krieg läuft, wird Russland kontinuierlich militärisch und wirtschaftlich geschwächt, vielleicht doch auch gesellschaftlich destabilisiert, was den USA natürlich sehr gelegen kommt. Auf der anderen Seite hat Russland großes Interesse daran, dass sich vor allem die europäischen NATO-Länder militärisch verausgaben (was ja offenkundig längst passiert!) und in der Ukraine-Frage zerstreiten (was ja auch längst der Fall ist). Will man das aber wirklich zu einem neuen dreißigjährigen Krieg mit anschließendem „Erschöpfungsfrieden“ (und extrem dezimierter Bevölkerung) werden lassen? Oder wäre es langsam an der Zeit, sich ehrlich zu machen:

Nichts spricht dafür, dass die Ukraine in absehbarer Zeit die von Russland neu annektierten Gebiete oder gar die Krim zurückerobern kann. Es spricht aber längst auch nichts mehr dafür, dass Putin ernsthaft den ursprünglichen Plan, sich die Ukraine vollständig einzuverleiben, weiter verfolgt.

Man kann nun das Abschlachten von Menschen und die Zerstörung von Lebensgrundlagen weiterlaufen lassen und z.B. von deutschen Politikern aus der (immer noch teils mit russischem Öl und Gas geheizten) warmen Stube mit großem moralischen Impetus erklären, ein Angriffskrieg dürfe sich für den Angreifer niemals lohnen, oder mit geringem politischen Sachverstand behaupten, würde Putin nicht aus der Ukraine vertrieben, würde er als nächstes Polen überfallen (wo der doch gerade sieht, dass eine eher halbherzige Unterstützung eines Nicht-Mitgliedsstaats durch die NATO reicht, um seine Pläne zu vereiteln).

Oder man muss in den saueren Apfel beißen und anerkennen, dass in der Weltpolitik das vermeintlich Wahre und Gute eher selten siegt – und sich endlich zu Verhandlungen bereit erklären?

Hilfreich dafür wäre, wenn der Westen nicht weiterhin russisches Gas und Öl und Diamanten kauft, westdeutsche Großunternehmen (KNAUF) nicht weiterhin einen Großteil ihres Gewinns in Russland erwirtschaften (und damit den russischen Staatshaushalt finanzieren) würden, wenn man nicht die für alle möglichen Bankgeschäfte so typische Schleichwege ermöglichen würde usw. So lange Sanktionen gegen Russland dort ihre Grenzen finden, wo die Interessen der deutschen Wirtschaft („unser aller Wohlstand“, wie es in der Aktionärssendung „Wirtschaft vor acht“ in der ARD heißt) beeinträchtigt sein könnten, macht sich der Westen unglaubwürdig (und strategisch auch schwach).

Und den Moralpredigern aus FDP, Grünen und Union darf man deshalb auch die Frage stellen, ob „unser aller Wohlstand“ wirklich ein so schützenswertes Gut ist, dass ihm zuliebe das jahrelange Abschlachten von Menschen ermöglicht bzw. nicht alles getan wird, um das zu beenden.

Vielleicht vertragen sich punktueller fetter Wohlstand und noch fettere Börsengewinne nicht so recht mit der Forderung nach einer friedlichen, guten und gerechten Welt?

Ja, aber

Ja, aber

Jetzt sei nicht die Zeit für ein „Ja, aber“, wird seit dem Überfall der Hamas auf Israel überall geschrieben und gesprochen. Jetzt zeige sich, wie echt die Solidarität mit Israel sei und wer sich mit seinem „Ja, aber“ als heimlicher Antisemit erweise. Bedingungslose Solidarität mit Israel sei jetzt das Gebot der Stunde.

Ja, aber…

Ist „bedingungslose Solidarität“ nicht genau das, was Diktatoren und Autokraten von ihren Untertanen verlangen? Unkritische Unterwerfung unter ihre Herrschaft? Bedingungslose Solidarität in der Politik, also ein Verbot kritischer Analyse, ist einfach eine dumme und undemokratische Forderung.

Die israelische Regierung erklärt die Palästinenser zu „menschlichen Tieren“ und kündigt an, den Gaza-Streifen von Treibstoff, Strom und Wasser vollkommen abzuriegeln (ein erhellendes Beispiel dafür, wie es um die alltägliche Situation der Menschen im Gazastreifen steht). Drei Stunden später erklärt Olaf Scholz, er sei überzeugt, dass sich Israel an das Völkerrecht halte. Und da soll kein

Ja, aber…

erlaubt sein?

Dass die Hamas eine terroristische Verbrecherorganisation ist, hat sie spätestens mit der Geiselnahme und der offenkundig dokumentierten Folterung und Zurschaustellung der Gefangenen bewiesen. Mit Folterern und Geiselnehmern möchte man nichts zu tun haben, sie, soweit die Gräueltaten auch über eventuell gefälschte Fotos hinaus belegbar sind, nach dem Völkerrecht hart bestraft sehen und sie als Akteure aus der Weltpolitik grundsätzlich verbannen.

Ja, aber…

das soll nicht anders gehen als mit einem flächendeckenden Bombardement von zwei Millionen Menschen, die auf engstem Raum eingekesselt, eingesperrt sind? Von einem Staat, der sich noch vor wenigen Monaten rühmte, gezielt mit Lenkraketen jedes Auto im Gazastreifen, das einen Hamas-Führer transportiert, treffen zu können?

Ja, aber…

Israel richte doch inzwischen „humanitäre Fluchtkorridore“ ein, auf denen die Menschen aus dem Norden in den Süden fliehen könnten. Das zeigt doch, dass sich der Krieg nicht gegen die Zivilbevölkerung richtet.

Ja, aber…

gleichzeitig erklärt der routinierte Sprecher des israelischen Verteidigungsministeriums, dass auch keine Stadt im Süden des Gaza-Streifens sicher sei. Nur halt ein bisschen sicherer als der Norden. Und dann wird Rafah bombardiert, die Stadt, die wenige Stunden vorher noch als mögliches Fluchtziel empfohlen wurde. Und zwei „humanitäre“ Treibstofflaster dürfen inzwischen in den Gazastreifen. Zur Versorgung kamen vor dem Krieg täglich 45.

Menschen als Geiseln zu nehmen, als Erpressungsmittel, ist eines der abscheulichsten Verbrechen.

Ja, aber

Menschen gefangenzunehmen und viele Jahre lang ohne Prozess gefangenzuhalten, darunter nach eigenen israelischen Angaben über 500 KInder und Jugendliche, die an Protesten gegen die illegalen Siedlungen im Westjordanland teilgenommen und z.T. Steine auf israelische Panzer geworfen haben: Da soll man jetzt plötzlich differenzieren, da kommt ein

Ja, aber

das kann man doch nicht gleichsetzen. Ist vermutlich richtig. Aber dieselbe Differenzierung muss doch auch in den anderen Punkten möglich sein.

UNO-Generalsekretär Guterres hat doch Recht mit seinem Hinweis, dass dieser Konflikt nicht erst am 7. Oktober 2023 angefangen, sondern eine lange Vorgeschichte hat (Die übrigens im SPIEGEL 46/2013 weitestgehend korrekt und verständlich dargestellt ist). Da kann auch ein Nicht-Historiker erkennen, dass an dieses Pulverfass „Naher Osten“ eigentlich schon immer Lunten aus verschiedenen Richtungen angelegt werden.

Ja, aber

Deutschland hat nun einmal wegen seiner Geschichte eine besondere Verantwortung für das jüdische Volk. Das ist uneingeschränkt richtig. Und dennoch folgt auch hier ein

Ja,aber:

Muss man nicht auch sehen, dass die Vertreibung der Juden im Holocaust als unmittelbare Folge auch die Vertreibung der Palästinenser aus ihrer Heimat zur Folge hatte? Ist es zulässig, die Verantwortung nur für einen Teil übernehmen zu wollen?

Wenn Netanjahu erst von der „großen Rache“ spricht, dann auf massiven Druck der Amerikaner ein paar symbolische Hilfsmittelchen erlaubt, um einen Tag später öffentlich zu erklären, Israel bemühe sich ja um den Schutz der Zivilisten, sei dabei aber „nicht besonders erfolgreich“ und offensichtlich keinerlei Vorstellungen hat, wie es nach diesem Krieg mit dem Gaza-Streifen weitergehen soll, dann ist doch ein kräftiges

Ja aber

das mindeste, was man einwenden muss.

Für den Verfasser hört hier die Solidarität mit der Regierung Netanjahu auf – nicht mit dem jüdischen Volk, das in großer Mehrheit schon längst nicht mehr hinter seiner Regierung steht. Um nicht in den Ruch des Antisemiten zu kommen und von Mainpost-Journalisten wie Rudi Wais angepöbelt zu werden (der bezeichnet Kritik an der israelischen Regierung als „Antisemitismus hinter der Maske des Gutmenschen“), sei hier noch einmal erklärt:

Der Verfasser steht voll zur moralischen Verantwortung Deutschlands gegenüber dem jüdischen Volk. Der Verfasser ist der Meinung, dass es richtig und notwendig war, dem jüdischen Volk einen eigenen Staat einzurichten (auch wenn man das weiß Gott anders hätte machen müssen und wenn das selbst bei orthodoxen Juden sehr umstritten war). Die Solidarität endet bei einer israelischen Reaktion, die, wie der SPIEGEL zu Recht titelt, den Hass auf hundert Jahre zementieren und im Nahen Osten zu andauernder Gewalt führen wird, was ja auch nicht im Sinne des jüdischen Volks sein kann. Und die übrigens, für alle zurzeit hörbar, den blödesten und dumpfsten Antisemitismus in Deutschland auch noch befördert: Der Staat, der mit großer moralischer Geste weltweit auftritt, muss sich sagen lassen, dass er offensichtlich zwei verschiedene Arten von Menschenrechten kennt: die, für die man vehement eintritt, siehe z.B. das Lieferkettengesetz, und die, bei denen man („wegen der Juden“) lieber wegschaut.

Auch hier ist ein „Ja, aber“ das mindeste, was man für das jüdische Volk tun kann.

Unintelligentes Klingeln

Mit der Großmut der Ohnmächtigen nehmen IT-Nutzer regelmäßig übergriffiges Verhalten der großen Technologiekonzerne hin. So muss man eigentlich jede Programm-Aktion nennen, die in die Entscheidungsfreiheit des „Users“ bei der Arbeit mit seinem eigenen Gerät eingreift.

Das sind teils harmlose Dinge, wenn z.B. der Programmierer zu wissen glaubt, was ich an einer bestimmten Stelle als nächstes möchte und diesen Schritt „zu meiner Unterstützung“ gleich ausführen lässt.

Ärgerlicher sind in die Startroutine des Rechners eingeschleuste Programme, die ich nicht will, die ich nicht verlangt habe, die mich stören, die aber oft nur mit sehr großem Aufwand zu entfernen sind. Was würde eigentlich ein Konzernchef sagen, wenn man ihm jeden Morgen seinen Schreibtisch mit Bergen von Werbemüll zuschütten würde, den er dann mühsam selbst entsorgen müsste, bevor er losarbeiten kann?

Geduldig hingenommen wird, dass einem Betriebssysteme Datenstrukturen auf der eigenen Festplatte aufzwingen, auch wenn man die für unlogisch und unbrauchbar hält. Der berühmte Ordner „Dokumente“… Versucht man eigenmächtig, ein bisschen Logik in diese Strukturen zu bringen, werden die beim nächsten Update im besten Fall rückgängig gemacht oder das Betriebssystem reagiert bockig mit allerlei Fehlermeldungen – oder gar nicht mehr. Ein Buchhändler kommt doch auch nicht auf die Idee, meine Regale beschriften zu wollen…

Zu groß und beherrschend ist offensichtlich die Macht der Großkonzerne, als dass man sich dagegen mit Erfolg auflehnen könnte. Und nicht jeder hat Zeit, Lust und die Fähigkeit, sich alternative Betriebssysteme zu installieren.

Jüngste Dreistigkeit: Die Programmierer von Android, dem Betriebssystem der meisten Smartphones, hatten die menschenfreundliche Idee, den „Usern“ das Absetzen von Notrufen zu „erleichtern“. Mit dem Ergebnis, dass beim Radfahren, beim Joggen oder wenn das Handy mal runterfällt, ein 112-Notruf ausgelöst wird.

Bis zu 600 Notrufe pro Tag gingen plötzlich bei der Leitstelle in Würzburg ein. Die meisten davon automatisch ausgelöst. Doof, wenn man an diesem Tag wirklich einen Unfall hat…

Die Menschheit wird hier schlicht zum Versuchskaninchen für offensichtlich stümperhafte, hier auch sehr gefährliche, Programmierversuche missbraucht.

Ähnlich sieht das die Lieblingswinzerin des Schreibers, der sich hiermit als Freund des Frankenweins outet. Sie kam, nachdem ihr Kartenlesegerät mehrfach ausgefallen war, ins Grübeln über intelligente Technik. Ihr gehört heute das Schlusswort, leider in Standardsprache, im fränkischen Dialekt war es noch viel schöner:

Seit zwei Tagen funktioniert das Ding nicht richtig. Und da reden die über Künstliche Intelligenz und autonomes Fahren!“ (Pause) „Aber schön wär’s schon, wenn man abends aufs Weinfest geht und das Auto fährt einen dann heim.“ (Pause) „Aber was hab’ ich davon, wenn mich das Auto dann an einen Baum fährt? Da kann ich gleich selber betrunken fahren!“