liTrio

Es ist etwas still geworden im Polplotblog. Das liegt aber nicht daran, dass der Blogger eingeschlafen ist.
Am 3.5. und 4.5. ist er mit liTrio unterwegs, und für die neue Jahreslesung gab es viel vorzubereiten und neue Texte zu schreiben.
Genaue Termine sind am 3.5. um 19.30 in der Disharmonie in Schweinfurt und am 4.5. um 19 Uhr im Kunsthaus Michel in Würzburg.
Vielleicht schaut ja mal einer von den Polplotlesern vorbei.
Die neuen Texte gibt es ab Sonntag, 6.5. nachzulesen auf www.textbruch.de

Und dann geht es hier zügig weiter, es gibt einiges aufzuarbeiten.

 

Gelesen: Wilhelm Genazino: Kein Geld, keine Uhr, keine Mütze

Liebe und Ehe sind ein hochkompliziertes Geschäft. Die Bilanz ist oft nur mittelmäßig. Muss man es einfach nur häufiger versuchen? Oder gleichzeitig? Oder doch besser über die eigene Mutter nachdenken? In seinem neuen Roman beantwortet Wilhelm Genazino die entscheidenden Fragen.

So der Klappentext des Verlags zu Genazinos neuem „Roman“. Ist das jetzt einfach nur Ungeschicklichkeit oder ein genialer Marketing-Gag? Seit wann beantwortet Genazino Fragen? Nicht wahr, dachte ich – und schon war das Buch gekauft.

Und keine einzige Antwort darin gefunden. Nur Fragen, die wieder Fragen hervorrufen und weitere. Eine endlose Fragenkette. Man könnte fast meinen, der Verfasser des Klappentextes habe noch kein einziges Buch von Genazino gelesen.

Was man sogar verstehen könnte, denn Genazinos „Romane“ sind sicher nicht jedermanns Sache. In einer fast schon trotzigen Wiederholung (Er selbst sei in einer Art Wiederholungsmodus, erklärt er gegen Ende des Buches) läuft der Ich-Erzähler auf Straßen herum, die er gelegentlich auch mal anspricht, räsoniert über seine ausgetretenen Schuhe und seinen Ekel davor, sich eine neue Hose kaufen zu müssen. Das kennt man alles, und weiter passiert auch immer nichts, was die Genre-Bezeichnung „Roman“ einigermaßen kühn erscheinen lässt.

Dennoch gibt es Leute (wie den Verfasser dieser Zeilen), die kein Buch von Genazino auslassen können. Wer träumt nicht davon, einfach nur seinen Alltagsgedanken nachhängen, seiner Verwunderung über die Welt in allen Details Ausdruck geben zu können, fast lapidar, jedenfalls ohne jegliches Pathos selbst beim Tod der wiedergewonnenen ehemaligen Freundin?

Wohltuend, dass ein in die Jahre gekommener Schriftsteller nicht in entweder weinerliche oder belehrende Altmänner-Literatur à la Walser verfällt, auch wenn Erinnerungen diesmal ein deutlich größerer Raum gegeben wird als in den früheren Romanen. Erinnerungen an die Eltern eben, an diverse ehemalige Freundinnen, die teilweise wieder ins Leben des Erzählers treten, und Erinnerungen an die Kindheit, in der bereits das Lebensziel des Erzählers, auf den Straßen der Stadt „herumzulungern“ und allenfalls eine Karriere als „Hosenberater“ (ausgerechnet!) anzustreben, angelegt scheint.

Und sehr schön wäre es, diesen Ich-Erzähler auf seinen ziellosen Wegen durch Frankfurt oder bei Ausflügen aufs Land, wo er „beglückte Hühner, die verwundert auf ihre selbstgelegten Eier herabschauten“, beobachtete, noch öfter begleiten zu dürfen.

Auch wenn er auf seine vielen Fragen tatsächlich nie eine Antwort weiß.

Putin die zweite…

Es ist wirklich zum Heulen, dass die Medien zurzeit alles tun, um dem AfD-Geschwätz von der „Lügenpresse“ Futter zu liefern.

ARD-Tagesschau vom 12.4.: Man informiert (übrigens alles online nachlesbar) über einen Bericht der angeblich unabhängigen OPCW, der Organisation für das Verbot chemischer Waffen. Wie unabhängig die ist, lässt sich daran erkennen, dass sie Russland die Mitarbeit bei den Untersuchungen verweigert, ihm sogar die Ergebnisse vorenthält. Das ist exakt so, als ob man bei einem Prozess einen Mörder auf Grund von Indizien verurteilt, diesem die zu Grunde liegenden Indizien aber verschweigt.

Öffentlich vorgelegt hat die OPCW eine Kurzfassung ihres Berichts. Zitat ARD: „Die OPCW nannte in der veröffentlichten Kurzfassung ihres Berichts allerdings keinen mutmaßlichen Urheber der Attacke und erwähnte auch nicht, welche Substanz bei dem Anschlag zum Einsatz kam. Sie erklärte lediglich, der Giftstoff sei von großer Reinheit gewesen.“

Dann wörtlich: „Der ausführliche Bericht bleibt geheim“.

Was die ARD-Kommentatorin dazu veranlasst, ihre Ausführungen mit „Es war Nowitschok“ zu beginnen. Weiß sie das aus dem geheimen ausführlichen Bericht?

Was bitteschön veranlasst deutsche und westeuropäische Politiker, die wilden und offensichtlich auch auf keinerlei Fakten beruhenden Anschuldigungen einer schwer unter Druck stehenden britischen Regierung zur Wahrheit zu erklären und daraus schwerwiegende Konsequenzen zu ziehen?

Dass der Irre im Weißen Haus früh morgens Raketendrohungen gegen Russland per Twitter in die Welt posaunt, ist ein Problem. Aber was veranlasst den französischen Präsidenten zu behaupten, er habe Beweise für einen durch Assad geführten Giftgasangriff? Wo doch selbst der Sprecher des amerikanischen Außenministeriums sehr vorsichtig (was Trump egal ist) formuliert (Zitat aus der shz):

„Das US-Außenministerium erklärte, Kenntnis von mindestens 85 Todesopfern zu haben. „Was wir glauben zu wissen ist, dass es eine Form von chemischer Waffe war, die bei diesem Angriff in Syrien eingesetzt wurde, und dass mindestens 85 Menschen getötet wurden, von denen wir bisher wissen“, sagte Ministeriumssprecherin Heather Nauert.“ – Quelle: https://www.shz.de/19551436 ©2018

Dass die USA zusammen mit einer Reihe westlicher Verbündeter auf Grund „eindeutiger Beweise“, dass es dort eine riesige Ansammlung von chemischen Massenvernichtungswaffen gebe, den Irak in Schutt und Asche gebombt haben, ist keine Vermutung.

Das ist Fakt. Echter.

Der Heimathorst und die CSU

Irgendwie passt das ganz gut zusammen: Ein Mann, der seine politischen Höhepunkte im letzten Jahrtausend hatte, der sich für unersetzlich hält, gerade weil er in Bayern zwangsweise ersetzt wurde, und sich ein Ministerium zusammenerpresst, in dem er seine Ideen aus dem letzten Jahrtausend weiterhin austoben darf.

Schnell macht er deutlich, dass ihm an seinem Innen- und Heimatministerium vor allem die Abteilung „Heimat“, nicht anders zu verstehen als „Ausgrenzung“, wichtig ist. Dazu braucht er acht ebenfalls betagte männliche Staatssekretäre; das veröffentlichte Gruppenfoto lässt vermutlich selbst begabte Karikaturisten vor Neid erblassen und verzweifeln.

Der alte Mann weiß es zwar nicht, aber seine Personalentscheidungen sind ein Kompliment an die Frauen. In ein so abstrus-archaisches Heimatministerium berufen zu werden und dann auch noch mitzumachen, ist doch eine intellektuelle Bloßstellung erster Güte.

Konsequent machen sich die alten Männer um Seehofer und sein Schreihals Dobrindt auch gleich an die Arbeit: Die (oh, Stoppel-Lindner hat recht) völlig unmotivierte und inhaltslose Zahl von 1000 Flüchtlings-Familiennachzüglern pro Monat soll durch verschärfte Bedingungen reduziert werden und Asylbewerber sollen bis zur Entscheidung über ihren Antrag in Abschiebelagern konzentriert werden (natürlich nennt man das ein bisschen anders).

War (und ist??) es nicht die CSU, die in ihrem Programm christliche Werte wie Nächstenliebe und vor allem den als Grundrecht garantierten Schutz der Familie immer wieder betont? Wenn christliche Werte und Grundrechte nur für Deutsche, aber nicht für Flüchtlinge gelten, ist das nicht einfach rassistisch?

Die „rechte Flanke“ wolle er schließen, hat Seehofer nach der Bundestagswahl angekündigt – aus Angst vor der AfD. Vieles an dieser Politik ist natürlich bereits bayerischer Landtagswahlkampf. Aber selbst unter diesem Aspekt ist das reichlich dämlich:

Die CSU hat schon immer rechtsextreme und nationalistische Wähler gehätschelt („Rechts von der CSU darf es keine legitimierte politische Partei geben“ (Strauß). Aber die CSU hatte auch einen großen Stamm christlicher, wertkonservativer, sozialethisch eingestellter Wähler, die vom derzeitigen Rechtstrend angewidert sind. Davon wird sie viele verlieren. Und all die bislang nur von der CSU umsorgten Nationalisten werden sich bei der AfD besser aufgehoben fühlen.

Es wird spannend werden, wieviel vom „C“ und „S“ übrigbleibt, wenn die CSU nach der Landtagswahl eine Mehrheit nur mit Hilfe der AfD zusammenbekommt.

Die e-Bär

„Lufttaxi fliegen“ möchte laut Main-Post-Interview die neue „Staatsministerin für Digitalisierung“, Dorothee Bär. Schön, dass sie gleich so deutlich macht, welche Interessen sie als „Ministerin“ bedienen will: Ihre eigenen und die der Wirtschaft bzw. der finanzkräftigen Oberschicht. Andere Schichten, z.B. die der Schichtarbeiter, wären ja schon froh, wenn sie sich gelegentlich mal ein ordinäres Bodentaxi leisten könnten.

So nimmt es auch nicht Wunder, dass sich laut Mainpost (16.3.2018) „Experten in Wirtschaft und Parteien“ über eine „kompetente Ansprechpartnerin“ freuen. Diese Kompetenz dampfplaudert ihr im folgenden Interview auch mächtig aus dem Mund:

Kompetenzstufe 1:

Alle Schüler sollten Programmieren lernen, fordert sie. „Programmieren soll eine der vier Grundfertigkeiten sein.“ Neben Lesen, Schreiben und Rechnen. Großartig! Deutschland ein Volk von 80 Millionen Stümperprogrammierern. Ungefähr so sinnvoll wie 80 Millionen Vergaser-Spezialisten oder Meteorologen. Muss ich ein Auto bauen können, um mit ihm zu fahren?

Kompetenzstufe 2:

Ihre Oma hat ihr erzählt, wie groß die Aufbruchsstimmung nach dem zweiten Weltkrieg war wegen der Not. Jetzt sind die Deutschen einfach zu satt und deshalb nicht mehr mutig. (Den logischen Schluss daraus zu ziehen, gehört nicht zu dieser Kompetenzstufe.)

Kompetenzstufe 3:

Datenschutz sei eine Idee aus dem 18. Jahrhundert (!) und einfach vollkommen hemmend für „Geschäftsmodelle“. „Datensouveränität“ bedeute, dass der Bürger erfahre, „wer wann, wie und zu welchem Zweck auf meine Daten zu“greift. Das schaffe Vertrauen.

Kompetenzstufe 4:

Die e-Medizin. Sie kennt eine Familie (nein, diesmal nicht die Oma), da hat die Tochter, Diabetikerin, einen Chip unter der Haut und wird gewarnt, wenn sie unterzuckert ist. Frau Bär schließt daraus, dass es auch ganz toll wäre, wenn man sich bei Herzrhythmusstörungen „selbst mit [seinem] Tablet verkabeln und so das EKG regelmäßig selber ablesen“ kann. Jepp! Mein EKG schaut ziemlich tödlich aus. Gut, dass ich die Info habe.

Kompetenzstufe 5:

Der e-Sport, olympisch. „Computerspielen schult die Konzentration und die Hand-Hirn-Koordination. Es gibt Studien aus den USA, die sagen, Ärzte, die regelmäßig spielen, operieren besser“ (Bär). Deshalb plädiert sie dafür, Computerspielvereinen Steuererleichterungen durch Gemeinnützigkeit zu gewähren und ihnen eine „olympische Perspektive“ zu eröffnen. Olympisches Ballergamen, staatlich gefördert. Den Kölner Klüngel aus Spieleprogrammierern, Spieletestern und Spielevermarktern wird’s freuen.
Dass es (benennbare und auch in der Mainpost berichtete) wissenschaftlich saubere Studien gibt, die auf die erhebliche Gesundheits- und Suchtgefahr bei sog. Gamern hinweisen, gehört wohl irgendwie auch ins 18. Jahrhundert.
Und dass man ganz ohne „Studien“ festhalten kann, dass „Gamer“ natürlich in der Regel nicht Amokläufer werden, dass aber weltweit ausnahmslos ALLE Schul-Amokläufer „Gamer“ waren, sollte Anlass zum Nachdenken sein.
Voraussetzung dazu wäre allerdings, dass man diese (auf Twitter vermutlich nicht verbreitete) Information hat (einfaches Zeitunglesen genügt) und dass man die Fähigkeit zum Nachdenken besitzt.

Kompetenzstufe 6:

Der Anschluss (ans Internet). Da sieht Frau Bär folgende Probleme (tatsächlich wörtliches Zitat aus dem Interview): „Die einen sind angebunden über Glasfaser, andere über Kupfer oder Kabel“. Gummianschluss?

Zusammenfassung: Bei so viel Kompetenz muss man einfach Ministerin werden. Wenn auch nur als koordinierende ohne eigene Mittel im Bundeskanzleramt und weil der CSU-Heimathorst widerlegen musste, dass Frauen für ihn nicht zu Deutschland gehören.

Und jetzt kommt das Positive: Trotz Kompetenzstufe 6 für Bär hat der Kanzleramtsminister Braun (neben den vielen, die sonst in der Regierung was zu sagen haben zur Digitalisierung) ziemlich deutlich klargestellt, dass Bär gerne viel reden könne. Wenn es was zu entscheiden gäbe, sei eh er zuständig.

So wird die e-Bär zur v-Ministerin. Ziemlich virtuell.

Jetlag

Mist! Zum zweiten Mal mit dem Kopf gegen den Rahmen der Badezimmertür geknallt. Jetlag.

Ist ja auch kein Wunder bei dieser barbarischen Zeitumstellung:

In der Nacht vor der Zeitumstellung nicht geschlafen, aus Angst, die Zeitumstellung zu vergessen.

In der Nacht der Zeitumstellung nicht geschlafen aus Angst vor dem Stress, am nächsten Tag alle Uhren umstellen zu müssen. Und da mir in dieser Nacht eine Stunde geraubt wurde, noch eine Stunde weniger geschlafen.

Und ringsum das Brüllen der unglücklichen Kühe!

So taumele ich jetzt seit zwei Tagen jetlaggig durch die Welt und kann mit mir und dieser wohl erst wieder etwas anfangen, wenn im Herbst die Uhr wieder um eine Stunde zurückgedreht wird.

Nach drei Tagen. Denn auch da gibt es den Stress mit den Uhrknöpfen und den Kühen.

Wenn ich da überhaupt noch lebe: Mit schöner Regelmäßig- und Beharrlichkeit werden alljährlich Umfragen veröffentlicht, die nicht nur von unglücklichen Kühen und hungernden Babys berichten, sondern auch von einer erhöhten Zahl an Verkehrsunfällen am Tag nach der Zeitumstellung.

Klar, einmal eine Stunde weniger geschlafen, und schon geht’s am nächsten Morgen zielstrebig an den Baum.

Was machen da eigentlich Schichtarbeiter oder Menschen mit unregelmäßigen Arbeitszeiten? Besser zu Hause bleiben, weil das Leben sonst zu gefährlich ist?

Es soll Leute geben, und zwar ziemlich viele, die es einfach genießen, im Sommer bei langen Abenden draußen zu sitzen. Und es gibt Sommerzeitgegner überwiegend älteren Jahrgangs, die um neun abends ihre Ruhe haben wollen.

Richtig problematisch wird es allerdings, wenn diese sich durchsetzen: Dann knallt ihnen die Morgensonne um halb vier ins Schlafzimmer, sie werden wach und wollen dann abends schon um acht ins Bett.

Ich sitze jedenfalls lieber abends im Garten als morgens um halb vier.

Schade nur, dass damit zweimal jährlich ein halber Weltuntergang verbunden ist.

Putin natürlich!

Die Weltlage ist zurzeit ganz schön praktisch: Immer wenn irgendwo eine Sauerei passiert, weiß man gleich, wer schuld ist: Putin natürlich.

Freilich ist diesem Ich-jage-Bären-mit-freiem-Oberkörper-Nationalisten manches zuzutrauen. Aber auch alles, was der Möchtegern-Thatcher in England einfällt, um von ihrem innenpolitischen Desaster abzulenken?

„Wir geben Russland die Schuld“ am Giftgasanschlag in Salisbury, erklärt sie und fordert sofort den gesamten Westen zur „Solidarität“ auf, um in den Tagen drauf ein verwirrenderes „Argument“ nach dem anderen nachzuschieben:

Das Gas sei in Russland hergestellt worden – später wurde verschämt korrigiert: in der ehemaligen Sowjetunion – , also sei Russland verantwortlich für den Anschlag. Ist dann eigentlich auch Deutschland verantwortlich für die toten Kurden und Jemeniten, die gerade von in Deutschland hergestellten Gewehren und Panzern umgebracht werden?

Außerdem habe Russland nicht auf das von England gestellte Ultimatum (!) zur Kampfstoffproduktion reagiert, was doch klar zeige, dass es etwas zu verbergen habe. Ich behaupte hiermit, Frau Mey hat einen an der Waffel und fordere sie auf, bis übermorgen ein nervenärztliches Attest vorzulegen, da ich ansonsten gesichert annehmen müsste, dass es in ihrem Kopf einigermaßen rappelt.

Eine ordentliche Sprachregelung zum Motiv Russlands hat man noch nicht gefunden. Eine hübsche Idee: Da es sich bei dem Veranschlagten um einen aufgeflogenen Doppelagenten handelt, habe Putin demonstrieren wollen, dass Verräter bestraft werden. 19 Jahre nach seiner Auslieferung an England! Da hat er aber lange nachdenken müssen.

Schwierig ist auch zu erklären, wie das Zeug von Russland nach England gekommen sein soll, da doch Putin in jüngster Zeit gar nicht da war (zumindest kann der englische Geheimdienst einen solchen Besuch nicht bestätigen). Wäre er dagewesen, hätte er das Gift natürlich im Griff seines Hirschfängers mitgebracht. So aber hat es der russische Geheimdienst der Tochter, die ihren Papa besuchen wollte, in Moskau heimlich in den Koffer gepackt. Da kann der russische Geheimdienst aber froh sein, dass beim Auspacken der Papa ganz in der Nähe gewesen sein muss, sonst wäre das arme Mädchen doch gar nicht mehr in der Lage gewesen, ihn mitzuvergiften mit dem „schweren Kampfstoff“. Der noch nicht mal richtig funktioniert. Ist Putin auch noch ein Pfuscher? Denn dass er das Zeug eigenhändig zusammengerührt hat, daran kann doch wirklich kein ernsthafter Zweifel bestehen.

Auch nicht an der Tatsache, dass er jetzt in der nordöstlichsten Ecke Sibiriens steht, mit dick aufgeblähten Backen, und uns aus Rache für die Sanktionen seine scheißeiskalte sibirische Luft rüberbläst, der Ex-KGBler, äh, also Teufel.

 

 

Ja, die Erneuerung!

Es ist guter journalistischer Brauch, mit Namen keine Witzchen zu machen. Nie. Auch wenn’s schwerfällt.

Besonders jetzt, wo alle Welt jubelt, weil wir ab sofort wieder richtig regiert werden. Wie schön! Und wie, um es zurückhaltend auszudrücken, bemerkenswert, wenn man sich die zukünftigen Regierenden etwas genauer ansieht, was in den nächsten Wochen wohl öfter anstehen dürfte.

In den letzten knapp zehn Jahren hießen die Verkehrsminister Ramsauer und Dobrindt. Beide bayerische Polterer von der CSU, beide Kumpels von Herrn Seehofer und der Autoindustrie und höchst erfolgreich darin, die umweltfeindlichste, unsinnigste, rückschrittlichste Verkehrspolitik aller europäischen Länder durchzusetzen.

Der neue heißt Scheuer. Ein bayerischer Polterer von der CSU, Kumpel von Herrn Seehofer und der Autoindustrie, und beiden wird er wie seine Vorgänger treu zur Seite stehen.

Noch immer zurückhaltend: Ist es nicht zumindest bedenklich, dass drei Mal hintereinander dieselben Typen aus demselben Umfeld dasselbe Ministerium bekommen? Oder gibt es da längst eine Art Sachzwang? Ist die Nähe zu Audi (wie Seehofer aus Ingolstadt) oder zu BMW bereits so eng, dass man da niemand anderen mehr reinschauen lassen kann? Sind die staatliche Erlaubnis zum Dieselbetrug und die staatliche Verhinderung von Strafverfolgung und Schadenersatz nur – leider, leider – ans Licht gekommene Auswüchse eines wahrhaft stinkenden Systems, dessen Kenntnis auf einen kleinen, eingeweihten Kreis beschränkt werden soll?

Braucht es diese lauten, rüpelhaften Typen, um aggressiv und mit fragwürdigen Einfällen wie der Ausländermaut von Verhältnissen abzulenken, die genau so sind, wie wir sie uns vorstellen?

Braucht es einen neuen Verkehrsminister, der Kritik an den Manipulationen beim Schadstoffausstoß als „ideologischen Feldzug“ der Grünen „gegen die Automobilindustrie“ bezeichnet?

Wie soll man diese Personalentscheidung bewerten? Als einfach

bescheuert.

 

Gesundheit!

Es bleibt recht unklar, wann die Medien jemanden als „großes politisches Talent“ bezeichnen. Strauß wurde so bezeichnet, auch Helmut Schmidt. Merkel nie. Kohl auch nicht.

Das jüngste „große politische Talent“ der Medien ist Jens Spahn. Ein „großes politisches Talent“ ist also offensichtlich jemand, der eine große Klappe hat und sich auch sonst gerne wichtig macht. Im konkreten Fall sich als der „größte Merkel-Kritiker“ aufbaut und äußerlich daherkommt wie eine Dünnfassung von Helmut Kohl.

Dieser seltsame Zwitter aus Rechtskonservativismus und Neoliberalismus gefällt der Bildzeitung und all den rechten Merkel-Kritikern in der Union, die genau so denken wie er, sich das aber nicht sagen trauen. Und talentiert, wie er ist, hat er sich zum Wortführer der Feigen Rechten gemacht und besitzt dadurch eine sog. Hausmacht in der CDU. Denn es sind viele in der CDU, die so denken und sich nicht trauen.

Jemand wie Spahn hat natürlich auch großen Ehrgeiz und traut sich alles zu. Zumindest einen Ministerposten – übergangsweise.

Auftritt Angela Merkel, der man unterstellen muss, dass ihr Spahn politisch wie persönlich ein Greuel ist. Und den sie zum Gesundheitsminister macht.

Genial.

Das Großmaul ist jetzt einbezogen in die Kabinettsdisziplin und muss Kabinettsbeschlüsse mittragen, ob sie ihm passen oder nicht. Oder kann man sich Pressemeldungen vorstellen wie „Gesundheitsminister Spahn kritisierte Merkel nach der Kabinettssitzung heftig…“?

Und dann das Ministerium. Es gibt zwei Ministerien, die zwingend die Endstation für politische Karrieren sind, weil jeder Minister an ihnen scheitern muss: Das Verteidigungsministerium (da wurde von der Leyen hin entsorgt) und das Gesundheitsministerium.

Dieses Ministerium hat noch jeden politisch zu Grunde gerichtet, Seehofer ist sogar ernsthaft krank dran geworden.

Weil man es irgendwann für weise hielt, die Verantwortung für die Gesundheit der Menschen in die Hände privater Geschäftemacher zu legen, hat es der Gesundheitsminister mit den (nach den Autoschraubern) mächtigsten Lobby-Verbänden Deutschlands zu tun: Den Ärzteverbänden, den Krankenkassen, den Klinikkonzernen und der Pharmaindustrie. Da kann man als Politiker einer wirtschaftsliberalen Koalition eigentlich nichts richtig machen.

Am wenigsten beschädigt wurden die Minister, die sich da einfach rausgehalten haben, was natürlich Schule gemacht hat. Mit dem Ergebnis, dass in den privaten Kliniken operiert wird auf Teufel komm raus, weil das Geld bringt, und die Alten zum Sterben auf die Flure geschoben werden. Dass die Krankenkassen Vermögen anhäufen und immer größere Paläste bauen, Pflegekräfte für einen Hungerlohn ausgebeutet werden. Dass die Pharmaindustrie für primitive Kopfschmerztabletten in Deutschland immer noch zehn Mal so viel verlangen darf wie im Ausland, für die Medikation weniger häufiger (und damit auch weniger lukrativer) Krankheiten seit zig Jahren nichts Neues zuwege gebracht hat.

Ein Neoliberaler wie Spahn wird versuchen, die Reichen und Mächtigen zu bedienen, was schon allein deswegen nicht gelingen kann, weil die selbst starke Interessenskonflikte haben. Das Volk wird (richtiger- und verständlicherweise) seinen Unmut deutlicher äußern. Und in der eigenen Partei kann man weder einen Kurs gegen die Lobbyisten durchsetzen noch mit einem Kurs für sie Punkte machen. Und den Koalitionspartner hat man inklusive des salz-, zucker- und auch sonst freudlosen Herrn Lauterbach auch noch gegen sich.

Da kann man nur sagen: „Chapeau!, Frau Merkel.“

und

„Gesundheit!, Herr Spahn.“

Gruselig

ist er, der neue Hoffnungsträger der CSU, der Nürnberger Markus Söder. Am politischen Aschermittwoch wirft er einen sehr bayerischen Trachtenjunker über, zwängt seine Frau in ein Dirndl und redet die ganze Zeit von dahoam und Heimat. Und nochmal Heimat. Und immer noch Heimat. Gute Güte, gibt es eigentlich nichts Wichtigeres auf der Welt?

Glaubt der im Ernst, mit diesem Heimat-Getue AfD-Wähler zurückzubekommen? Vermutlich weiß er ganz genau, dass diese mit „Heimat“ nicht Dirndl und Bergeshöhen meinen, sondern schlicht Nationalismus und Ausländerfeindlichkeit. „Heimat“ ist deren und Söders Ersatzbegriff dafür, und ganz offensichtlich genießt er es, wenn er gerade bei den Redepassagen, in denen er Furcht vor Ausländern schürt, den lautesten Beifall bekommt. Was Söder vorhat, ist die Vereinigung der Altkonservativen mit den Ultranationalisten. Erinnert irgendwie fatal an den „Tag von Potsdam“ (im Zweifelsfalle googeln).

Mal schauen, ob er in Zukunft immer Urlaub in Nemberch am Dudzndeich macht, wenn ihm Heimat so wichtig ist. Allerdings ist er da nicht „dahoam“, sondern daham.

CSU-Generalsekretär und Chefhetzer Scheuer übrigens hat es ein bisschen einfacher, er muss sich nicht hinter verschwurbelten Begriffen verstecken. Der fordert unverhohlen „Identität statt Wischiwaschi und Multikulti“.

Die rechtextremen Rassisten von den „Identitären“ sollten ihm einen Aufnahmeantrag schicken.