Der Heimathorst und die CSU

Irgendwie passt das ganz gut zusammen: Ein Mann, der seine politischen Höhepunkte im letzten Jahrtausend hatte, der sich für unersetzlich hält, gerade weil er in Bayern zwangsweise ersetzt wurde, und sich ein Ministerium zusammenerpresst, in dem er seine Ideen aus dem letzten Jahrtausend weiterhin austoben darf.

Schnell macht er deutlich, dass ihm an seinem Innen- und Heimatministerium vor allem die Abteilung „Heimat“, nicht anders zu verstehen als „Ausgrenzung“, wichtig ist. Dazu braucht er acht ebenfalls betagte männliche Staatssekretäre; das veröffentlichte Gruppenfoto lässt vermutlich selbst begabte Karikaturisten vor Neid erblassen und verzweifeln.

Der alte Mann weiß es zwar nicht, aber seine Personalentscheidungen sind ein Kompliment an die Frauen. In ein so abstrus-archaisches Heimatministerium berufen zu werden und dann auch noch mitzumachen, ist doch eine intellektuelle Bloßstellung erster Güte.

Konsequent machen sich die alten Männer um Seehofer und sein Schreihals Dobrindt auch gleich an die Arbeit: Die (oh, Stoppel-Lindner hat recht) völlig unmotivierte und inhaltslose Zahl von 1000 Flüchtlings-Familiennachzüglern pro Monat soll durch verschärfte Bedingungen reduziert werden und Asylbewerber sollen bis zur Entscheidung über ihren Antrag in Abschiebelagern konzentriert werden (natürlich nennt man das ein bisschen anders).

War (und ist??) es nicht die CSU, die in ihrem Programm christliche Werte wie Nächstenliebe und vor allem den als Grundrecht garantierten Schutz der Familie immer wieder betont? Wenn christliche Werte und Grundrechte nur für Deutsche, aber nicht für Flüchtlinge gelten, ist das nicht einfach rassistisch?

Die „rechte Flanke“ wolle er schließen, hat Seehofer nach der Bundestagswahl angekündigt – aus Angst vor der AfD. Vieles an dieser Politik ist natürlich bereits bayerischer Landtagswahlkampf. Aber selbst unter diesem Aspekt ist das reichlich dämlich:

Die CSU hat schon immer rechtsextreme und nationalistische Wähler gehätschelt („Rechts von der CSU darf es keine legitimierte politische Partei geben“ (Strauß). Aber die CSU hatte auch einen großen Stamm christlicher, wertkonservativer, sozialethisch eingestellter Wähler, die vom derzeitigen Rechtstrend angewidert sind. Davon wird sie viele verlieren. Und all die bislang nur von der CSU umsorgten Nationalisten werden sich bei der AfD besser aufgehoben fühlen.

Es wird spannend werden, wieviel vom „C“ und „S“ übrigbleibt, wenn die CSU nach der Landtagswahl eine Mehrheit nur mit Hilfe der AfD zusammenbekommt.

Die e-Bär

„Lufttaxi fliegen“ möchte laut Main-Post-Interview die neue „Staatsministerin für Digitalisierung“, Dorothee Bär. Schön, dass sie gleich so deutlich macht, welche Interessen sie als „Ministerin“ bedienen will: Ihre eigenen und die der Wirtschaft bzw. der finanzkräftigen Oberschicht. Andere Schichten, z.B. die der Schichtarbeiter, wären ja schon froh, wenn sie sich gelegentlich mal ein ordinäres Bodentaxi leisten könnten.

So nimmt es auch nicht Wunder, dass sich laut Mainpost (16.3.2018) „Experten in Wirtschaft und Parteien“ über eine „kompetente Ansprechpartnerin“ freuen. Diese Kompetenz dampfplaudert ihr im folgenden Interview auch mächtig aus dem Mund:

Kompetenzstufe 1:

Alle Schüler sollten Programmieren lernen, fordert sie. „Programmieren soll eine der vier Grundfertigkeiten sein.“ Neben Lesen, Schreiben und Rechnen. Großartig! Deutschland ein Volk von 80 Millionen Stümperprogrammierern. Ungefähr so sinnvoll wie 80 Millionen Vergaser-Spezialisten oder Meteorologen. Muss ich ein Auto bauen können, um mit ihm zu fahren?

Kompetenzstufe 2:

Ihre Oma hat ihr erzählt, wie groß die Aufbruchsstimmung nach dem zweiten Weltkrieg war wegen der Not. Jetzt sind die Deutschen einfach zu satt und deshalb nicht mehr mutig. (Den logischen Schluss daraus zu ziehen, gehört nicht zu dieser Kompetenzstufe.)

Kompetenzstufe 3:

Datenschutz sei eine Idee aus dem 18. Jahrhundert (!) und einfach vollkommen hemmend für „Geschäftsmodelle“. „Datensouveränität“ bedeute, dass der Bürger erfahre, „wer wann, wie und zu welchem Zweck auf meine Daten zu“greift. Das schaffe Vertrauen.

Kompetenzstufe 4:

Die e-Medizin. Sie kennt eine Familie (nein, diesmal nicht die Oma), da hat die Tochter, Diabetikerin, einen Chip unter der Haut und wird gewarnt, wenn sie unterzuckert ist. Frau Bär schließt daraus, dass es auch ganz toll wäre, wenn man sich bei Herzrhythmusstörungen „selbst mit [seinem] Tablet verkabeln und so das EKG regelmäßig selber ablesen“ kann. Jepp! Mein EKG schaut ziemlich tödlich aus. Gut, dass ich die Info habe.

Kompetenzstufe 5:

Der e-Sport, olympisch. „Computerspielen schult die Konzentration und die Hand-Hirn-Koordination. Es gibt Studien aus den USA, die sagen, Ärzte, die regelmäßig spielen, operieren besser“ (Bär). Deshalb plädiert sie dafür, Computerspielvereinen Steuererleichterungen durch Gemeinnützigkeit zu gewähren und ihnen eine „olympische Perspektive“ zu eröffnen. Olympisches Ballergamen, staatlich gefördert. Den Kölner Klüngel aus Spieleprogrammierern, Spieletestern und Spielevermarktern wird’s freuen.
Dass es (benennbare und auch in der Mainpost berichtete) wissenschaftlich saubere Studien gibt, die auf die erhebliche Gesundheits- und Suchtgefahr bei sog. Gamern hinweisen, gehört wohl irgendwie auch ins 18. Jahrhundert.
Und dass man ganz ohne „Studien“ festhalten kann, dass „Gamer“ natürlich in der Regel nicht Amokläufer werden, dass aber weltweit ausnahmslos ALLE Schul-Amokläufer „Gamer“ waren, sollte Anlass zum Nachdenken sein.
Voraussetzung dazu wäre allerdings, dass man diese (auf Twitter vermutlich nicht verbreitete) Information hat (einfaches Zeitunglesen genügt) und dass man die Fähigkeit zum Nachdenken besitzt.

Kompetenzstufe 6:

Der Anschluss (ans Internet). Da sieht Frau Bär folgende Probleme (tatsächlich wörtliches Zitat aus dem Interview): „Die einen sind angebunden über Glasfaser, andere über Kupfer oder Kabel“. Gummianschluss?

Zusammenfassung: Bei so viel Kompetenz muss man einfach Ministerin werden. Wenn auch nur als koordinierende ohne eigene Mittel im Bundeskanzleramt und weil der CSU-Heimathorst widerlegen musste, dass Frauen für ihn nicht zu Deutschland gehören.

Und jetzt kommt das Positive: Trotz Kompetenzstufe 6 für Bär hat der Kanzleramtsminister Braun (neben den vielen, die sonst in der Regierung was zu sagen haben zur Digitalisierung) ziemlich deutlich klargestellt, dass Bär gerne viel reden könne. Wenn es was zu entscheiden gäbe, sei eh er zuständig.

So wird die e-Bär zur v-Ministerin. Ziemlich virtuell.

Jetlag

Mist! Zum zweiten Mal mit dem Kopf gegen den Rahmen der Badezimmertür geknallt. Jetlag.

Ist ja auch kein Wunder bei dieser barbarischen Zeitumstellung:

In der Nacht vor der Zeitumstellung nicht geschlafen, aus Angst, die Zeitumstellung zu vergessen.

In der Nacht der Zeitumstellung nicht geschlafen aus Angst vor dem Stress, am nächsten Tag alle Uhren umstellen zu müssen. Und da mir in dieser Nacht eine Stunde geraubt wurde, noch eine Stunde weniger geschlafen.

Und ringsum das Brüllen der unglücklichen Kühe!

So taumele ich jetzt seit zwei Tagen jetlaggig durch die Welt und kann mit mir und dieser wohl erst wieder etwas anfangen, wenn im Herbst die Uhr wieder um eine Stunde zurückgedreht wird.

Nach drei Tagen. Denn auch da gibt es den Stress mit den Uhrknöpfen und den Kühen.

Wenn ich da überhaupt noch lebe: Mit schöner Regelmäßig- und Beharrlichkeit werden alljährlich Umfragen veröffentlicht, die nicht nur von unglücklichen Kühen und hungernden Babys berichten, sondern auch von einer erhöhten Zahl an Verkehrsunfällen am Tag nach der Zeitumstellung.

Klar, einmal eine Stunde weniger geschlafen, und schon geht’s am nächsten Morgen zielstrebig an den Baum.

Was machen da eigentlich Schichtarbeiter oder Menschen mit unregelmäßigen Arbeitszeiten? Besser zu Hause bleiben, weil das Leben sonst zu gefährlich ist?

Es soll Leute geben, und zwar ziemlich viele, die es einfach genießen, im Sommer bei langen Abenden draußen zu sitzen. Und es gibt Sommerzeitgegner überwiegend älteren Jahrgangs, die um neun abends ihre Ruhe haben wollen.

Richtig problematisch wird es allerdings, wenn diese sich durchsetzen: Dann knallt ihnen die Morgensonne um halb vier ins Schlafzimmer, sie werden wach und wollen dann abends schon um acht ins Bett.

Ich sitze jedenfalls lieber abends im Garten als morgens um halb vier.

Schade nur, dass damit zweimal jährlich ein halber Weltuntergang verbunden ist.

Putin natürlich!

Die Weltlage ist zurzeit ganz schön praktisch: Immer wenn irgendwo eine Sauerei passiert, weiß man gleich, wer schuld ist: Putin natürlich.

Freilich ist diesem Ich-jage-Bären-mit-freiem-Oberkörper-Nationalisten manches zuzutrauen. Aber auch alles, was der Möchtegern-Thatcher in England einfällt, um von ihrem innenpolitischen Desaster abzulenken?

„Wir geben Russland die Schuld“ am Giftgasanschlag in Salisbury, erklärt sie und fordert sofort den gesamten Westen zur „Solidarität“ auf, um in den Tagen drauf ein verwirrenderes „Argument“ nach dem anderen nachzuschieben:

Das Gas sei in Russland hergestellt worden – später wurde verschämt korrigiert: in der ehemaligen Sowjetunion – , also sei Russland verantwortlich für den Anschlag. Ist dann eigentlich auch Deutschland verantwortlich für die toten Kurden und Jemeniten, die gerade von in Deutschland hergestellten Gewehren und Panzern umgebracht werden?

Außerdem habe Russland nicht auf das von England gestellte Ultimatum (!) zur Kampfstoffproduktion reagiert, was doch klar zeige, dass es etwas zu verbergen habe. Ich behaupte hiermit, Frau Mey hat einen an der Waffel und fordere sie auf, bis übermorgen ein nervenärztliches Attest vorzulegen, da ich ansonsten gesichert annehmen müsste, dass es in ihrem Kopf einigermaßen rappelt.

Eine ordentliche Sprachregelung zum Motiv Russlands hat man noch nicht gefunden. Eine hübsche Idee: Da es sich bei dem Veranschlagten um einen aufgeflogenen Doppelagenten handelt, habe Putin demonstrieren wollen, dass Verräter bestraft werden. 19 Jahre nach seiner Auslieferung an England! Da hat er aber lange nachdenken müssen.

Schwierig ist auch zu erklären, wie das Zeug von Russland nach England gekommen sein soll, da doch Putin in jüngster Zeit gar nicht da war (zumindest kann der englische Geheimdienst einen solchen Besuch nicht bestätigen). Wäre er dagewesen, hätte er das Gift natürlich im Griff seines Hirschfängers mitgebracht. So aber hat es der russische Geheimdienst der Tochter, die ihren Papa besuchen wollte, in Moskau heimlich in den Koffer gepackt. Da kann der russische Geheimdienst aber froh sein, dass beim Auspacken der Papa ganz in der Nähe gewesen sein muss, sonst wäre das arme Mädchen doch gar nicht mehr in der Lage gewesen, ihn mitzuvergiften mit dem „schweren Kampfstoff“. Der noch nicht mal richtig funktioniert. Ist Putin auch noch ein Pfuscher? Denn dass er das Zeug eigenhändig zusammengerührt hat, daran kann doch wirklich kein ernsthafter Zweifel bestehen.

Auch nicht an der Tatsache, dass er jetzt in der nordöstlichsten Ecke Sibiriens steht, mit dick aufgeblähten Backen, und uns aus Rache für die Sanktionen seine scheißeiskalte sibirische Luft rüberbläst, der Ex-KGBler, äh, also Teufel.

 

 

Ja, die Erneuerung!

Es ist guter journalistischer Brauch, mit Namen keine Witzchen zu machen. Nie. Auch wenn’s schwerfällt.

Besonders jetzt, wo alle Welt jubelt, weil wir ab sofort wieder richtig regiert werden. Wie schön! Und wie, um es zurückhaltend auszudrücken, bemerkenswert, wenn man sich die zukünftigen Regierenden etwas genauer ansieht, was in den nächsten Wochen wohl öfter anstehen dürfte.

In den letzten knapp zehn Jahren hießen die Verkehrsminister Ramsauer und Dobrindt. Beide bayerische Polterer von der CSU, beide Kumpels von Herrn Seehofer und der Autoindustrie und höchst erfolgreich darin, die umweltfeindlichste, unsinnigste, rückschrittlichste Verkehrspolitik aller europäischen Länder durchzusetzen.

Der neue heißt Scheuer. Ein bayerischer Polterer von der CSU, Kumpel von Herrn Seehofer und der Autoindustrie, und beiden wird er wie seine Vorgänger treu zur Seite stehen.

Noch immer zurückhaltend: Ist es nicht zumindest bedenklich, dass drei Mal hintereinander dieselben Typen aus demselben Umfeld dasselbe Ministerium bekommen? Oder gibt es da längst eine Art Sachzwang? Ist die Nähe zu Audi (wie Seehofer aus Ingolstadt) oder zu BMW bereits so eng, dass man da niemand anderen mehr reinschauen lassen kann? Sind die staatliche Erlaubnis zum Dieselbetrug und die staatliche Verhinderung von Strafverfolgung und Schadenersatz nur – leider, leider – ans Licht gekommene Auswüchse eines wahrhaft stinkenden Systems, dessen Kenntnis auf einen kleinen, eingeweihten Kreis beschränkt werden soll?

Braucht es diese lauten, rüpelhaften Typen, um aggressiv und mit fragwürdigen Einfällen wie der Ausländermaut von Verhältnissen abzulenken, die genau so sind, wie wir sie uns vorstellen?

Braucht es einen neuen Verkehrsminister, der Kritik an den Manipulationen beim Schadstoffausstoß als „ideologischen Feldzug“ der Grünen „gegen die Automobilindustrie“ bezeichnet?

Wie soll man diese Personalentscheidung bewerten? Als einfach

bescheuert.

 

Gesundheit!

Es bleibt recht unklar, wann die Medien jemanden als „großes politisches Talent“ bezeichnen. Strauß wurde so bezeichnet, auch Helmut Schmidt. Merkel nie. Kohl auch nicht.

Das jüngste „große politische Talent“ der Medien ist Jens Spahn. Ein „großes politisches Talent“ ist also offensichtlich jemand, der eine große Klappe hat und sich auch sonst gerne wichtig macht. Im konkreten Fall sich als der „größte Merkel-Kritiker“ aufbaut und äußerlich daherkommt wie eine Dünnfassung von Helmut Kohl.

Dieser seltsame Zwitter aus Rechtskonservativismus und Neoliberalismus gefällt der Bildzeitung und all den rechten Merkel-Kritikern in der Union, die genau so denken wie er, sich das aber nicht sagen trauen. Und talentiert, wie er ist, hat er sich zum Wortführer der Feigen Rechten gemacht und besitzt dadurch eine sog. Hausmacht in der CDU. Denn es sind viele in der CDU, die so denken und sich nicht trauen.

Jemand wie Spahn hat natürlich auch großen Ehrgeiz und traut sich alles zu. Zumindest einen Ministerposten – übergangsweise.

Auftritt Angela Merkel, der man unterstellen muss, dass ihr Spahn politisch wie persönlich ein Greuel ist. Und den sie zum Gesundheitsminister macht.

Genial.

Das Großmaul ist jetzt einbezogen in die Kabinettsdisziplin und muss Kabinettsbeschlüsse mittragen, ob sie ihm passen oder nicht. Oder kann man sich Pressemeldungen vorstellen wie „Gesundheitsminister Spahn kritisierte Merkel nach der Kabinettssitzung heftig…“?

Und dann das Ministerium. Es gibt zwei Ministerien, die zwingend die Endstation für politische Karrieren sind, weil jeder Minister an ihnen scheitern muss: Das Verteidigungsministerium (da wurde von der Leyen hin entsorgt) und das Gesundheitsministerium.

Dieses Ministerium hat noch jeden politisch zu Grunde gerichtet, Seehofer ist sogar ernsthaft krank dran geworden.

Weil man es irgendwann für weise hielt, die Verantwortung für die Gesundheit der Menschen in die Hände privater Geschäftemacher zu legen, hat es der Gesundheitsminister mit den (nach den Autoschraubern) mächtigsten Lobby-Verbänden Deutschlands zu tun: Den Ärzteverbänden, den Krankenkassen, den Klinikkonzernen und der Pharmaindustrie. Da kann man als Politiker einer wirtschaftsliberalen Koalition eigentlich nichts richtig machen.

Am wenigsten beschädigt wurden die Minister, die sich da einfach rausgehalten haben, was natürlich Schule gemacht hat. Mit dem Ergebnis, dass in den privaten Kliniken operiert wird auf Teufel komm raus, weil das Geld bringt, und die Alten zum Sterben auf die Flure geschoben werden. Dass die Krankenkassen Vermögen anhäufen und immer größere Paläste bauen, Pflegekräfte für einen Hungerlohn ausgebeutet werden. Dass die Pharmaindustrie für primitive Kopfschmerztabletten in Deutschland immer noch zehn Mal so viel verlangen darf wie im Ausland, für die Medikation weniger häufiger (und damit auch weniger lukrativer) Krankheiten seit zig Jahren nichts Neues zuwege gebracht hat.

Ein Neoliberaler wie Spahn wird versuchen, die Reichen und Mächtigen zu bedienen, was schon allein deswegen nicht gelingen kann, weil die selbst starke Interessenskonflikte haben. Das Volk wird (richtiger- und verständlicherweise) seinen Unmut deutlicher äußern. Und in der eigenen Partei kann man weder einen Kurs gegen die Lobbyisten durchsetzen noch mit einem Kurs für sie Punkte machen. Und den Koalitionspartner hat man inklusive des salz-, zucker- und auch sonst freudlosen Herrn Lauterbach auch noch gegen sich.

Da kann man nur sagen: „Chapeau!, Frau Merkel.“

und

„Gesundheit!, Herr Spahn.“

Gruselig

ist er, der neue Hoffnungsträger der CSU, der Nürnberger Markus Söder. Am politischen Aschermittwoch wirft er einen sehr bayerischen Trachtenjunker über, zwängt seine Frau in ein Dirndl und redet die ganze Zeit von dahoam und Heimat. Und nochmal Heimat. Und immer noch Heimat. Gute Güte, gibt es eigentlich nichts Wichtigeres auf der Welt?

Glaubt der im Ernst, mit diesem Heimat-Getue AfD-Wähler zurückzubekommen? Vermutlich weiß er ganz genau, dass diese mit „Heimat“ nicht Dirndl und Bergeshöhen meinen, sondern schlicht Nationalismus und Ausländerfeindlichkeit. „Heimat“ ist deren und Söders Ersatzbegriff dafür, und ganz offensichtlich genießt er es, wenn er gerade bei den Redepassagen, in denen er Furcht vor Ausländern schürt, den lautesten Beifall bekommt. Was Söder vorhat, ist die Vereinigung der Altkonservativen mit den Ultranationalisten. Erinnert irgendwie fatal an den „Tag von Potsdam“ (im Zweifelsfalle googeln).

Mal schauen, ob er in Zukunft immer Urlaub in Nemberch am Dudzndeich macht, wenn ihm Heimat so wichtig ist. Allerdings ist er da nicht „dahoam“, sondern daham.

CSU-Generalsekretär und Chefhetzer Scheuer übrigens hat es ein bisschen einfacher, er muss sich nicht hinter verschwurbelten Begriffen verstecken. Der fordert unverhohlen „Identität statt Wischiwaschi und Multikulti“.

Die rechtextremen Rassisten von den „Identitären“ sollten ihm einen Aufnahmeantrag schicken.

Gelesen: Charlotte Brontë: Jane Eyre, die Waise von Lowood

Es gibt mehrere Verfilmungen dieser Autobiografie aus dem 19. Jahrhundert – und alle triefen sie vor Kitsch. Das darf man den Filmen aber nicht anlasten, denn das Buch trieft genauso.

Es ist die Aschenputtel-Geschichte von Jane Eyre, die als ungeliebtes Waisenkind aufwächst, sich in einem Erziehungsheim erst als Schülerin, dann als Lehrerin durch Fleiß und Intelligenz allmählich Achtung verschafft.

Das hat alles die Anmutung der Lesebuch-Moral aus den 50er Jahren: „Arm, aber sauber“. Als gelegentlich kecke, oft auch Widerworte gebende Gouvernante erregt sie die Aufmerksamkeit und Achtung ihres Arbeitgebers, was damals wohl als Ausdruck von reichlich unerhörter Emanzipation interpretiert wurde. Einigermaßen zu Unrecht, denn schon verliebt sie sich mit Haut und Haar in den knorrigen Adeligen, dessen Leben in die verwickeltsten Verwicklungen verwickelt ist, die man sich nur vorstellen kann. Und natürlich sieht sie ihre Rolle dabei als eine dienende. So widersteht sie dem heftigen Ansinnen eines Vetters trotz aller Moralkeulen, ihn als Missionarsgattin zu begleiten.

Eines Tages findet sie den wegen diverser Unbilden lange verschollenen ehemaligen Geliebten wieder, wenn auch schwer gebeutelt: wegen eines Unfalls erblindet und verkrüppelt. Was die Liebe nur noch heftiger macht, da sie jetzt ganz im Dienen aufgehen kann.

Aber jetzt mal ehrlich: Wer lässt sich denn nicht gerne mal von allerliebstem Kitsch entführen aus der Welt, noch dazu, wenn der wirklich sehr geschickt in Szene gesetzt ist? Ein Glas Rotwein passt übrigens prima dazu. Und spätestens beim zweiten wird auch die Rührung kommen – na und?

Zusätzliches Vergnügen bereitet die Übersetzung von Maria von Borch, zum Beispiel so schöne Sentenzen wie

„Aber jetzt hielt er jede Empfindung fest in seinem Herzen verschlossen: ich ward nicht mehr gewürdigt, sie in Worte gekleidet zu hören.“

Also: Mal Mut zu Muße – und zum Kitsch!

 

Bibel auf bayerisch

Wer in Bayern stirbt, muss in den Sarg. Will er verbrannt werden, muss er IM Sarg verbrannt werden. Will er, dass seine Asche ins Meer oder in einen See gestreut wird, wird die Asche vom Sarg mitgestreut. Da weiß man dann nie, ist es Onkel Fritz (wie bei Kreißler), Fichtenholz oder Tischlerleim.

Ein besonderes Problem haben damit natürlich die Moslems, weil die ihre Toten lieber in Tücher wickeln. Doch da sind die Bayern ganz liberal: Es spräche nichts dagegen, einen Toten erst in ein Tuch zu wickeln. Dann aber rein in den Sarg.

Weil der Sarg nämlich eine bayerisch-christliche Tradition sei, wie sich Melanie Huml, die bayerische Gesundheitsministerin, sicher ist, der auch nicht auffällt, dass sie als Gesundheitsministerin bei Bestattungsfragen doch ein bisschen spät ist.

Abes so sind sie, die Bayern. Egal, was in der Bibel steht.

Bei Lukas zum Beispiel:

„Joseph, ein Ratsherr (…) ging zu Pilatus und bat um den Leib Jesu; und nahm ihn ab, wickelte ihn in Leinwand und legte ihn in ein gehauenes Grab.“

Oder bei Johannes:

„Da nahmen sie den Leichnam Jesu und banden ihn in leinene Tücher“

Aber was schert sich die bayerisch-christliche Tradition um die Bibel oder um Jesus, wenn’s gegen Moslems und für das Schreinerhandwerk geht?