Goebbels lässt grüßen!

AfD, FDP und CDU haben in Thüringen gemeinsam einen Ministerpräsidenten gewählt und damit Bodo Ramelow, den Sozialdemokraten von den Linken, dessen Partei bei den Landtagswahlen mit Abstand die stärkste war und den laut allen Umfragen eine Mehrheit der Thüringer gerne behalten hätte, abgewählt.

Nachdem in den beiden ersten Wahlgängen, wie zu erwarten war, weder Ramelow noch der Kandidat der AfD eine absolute Mehrheit zusammenbrachten, tauchte im dritten Wahlgang, in dem die einfache Mehrheit der Stimmen reicht, plötzlich ein neuer Kandidat auf, Kemmerich von der FDP – und wurde gewählt.

In übelster Goebbels-Manier erklärte anschließend hämisch grinsend ein AfD-Abgeordneter, man habe Kemmerich „zur Kandidatur gelockt und ihn dann planmäßig gewählt“. Die offene Verhöhnung der Wähler und Parlamente durch ihre eigenen Abgeordneten war eine der Lieblingsbeschäftigungen der Nazis…

Wie gut FDP-Mann Kemmerich, der offensichtlich in Absprache mit der AfD gewählt wurde, zu diesen Machenschaften passt, zeigten seine Absonderungen in der ARD: Das „Thüringer Volk“ habe „seine Wahlentscheidung“ getroffen, und die „Demokraten“ im Parlament – wobei der die AfD natürlich explizit NICHT ausschloss – müssten jetzt „staatspolitische Verantwortung“ zeigen. Sagt der Mann, dessen Partei haarscharf mit 5% ins Parlament gerutscht ist, mit 5 (!) Abgeordneten.

Aufschlussreich auch die Auslassung des CDU-Chefs Mohring, warum man Kemmerich gewählt habe: Man sei schließlich im Wahlkampf mit dem Versprechen angetreten, Ramelow abzusetzen. Das habe man jetzt gemacht. Heißt: Wenn die Thüringer CDU ihre Ziele nur mit Hilfe der AfD erreichen kann, macht sie das eben mit Hilfe der AfD.

Der widerwärtigste Dreh kam wieder mal von FDP-Chef Lindner: Nur wenn SPD und CDU im Thüringer Landtag „Totalverweigerung“ gegenüber der Regierung (welcher Regierung eigentlich?) betrieben, müsste es Neuwahlen geben. Der Mann versucht, ähnlich wie bei seiner „Totalverweigerung“ von Regierungsverantwortung auf Bundesebene, wieder, seine dreckigen Schuhe anderen anzuziehen.

Durch die Vorgänge in Thüringen drohe der FDP die Spaltung, mutmaßte am Wahlabend ein ARD-Journalist. Was heißt hier Drohung? Das ist eine Hoffnung, ein Lichtblick, eine Verheißung! Ohne die FDP im Thüringer Landtag hätte es diesen ganzen widerlichen Dreck gar nicht gegeben!

Und: Welcher anständige Liberale möchte eigentlich noch mit solchen Typen in einer Partei sein?

Die Wiederaufbau-Omas

Eine Woge der Entrüstung rauschte durch die bundesdeutschen Medien, weil der westdeutsche Rundfunk es gewagt hatte, eine satirische Variante des Kinderlieds „Meine Oma fährt im Hühnerstall Motorrad“ auszustrahlen. Vorwurfsvolle Kommentare noch und noch und am Ende eine peinliche Entschuldigung des Intendanten. Und der Grund für die Aufregung? Der Kinderchor sang statt „Meine Oma ist ´ne ganz patente Frau“ „Meine Oma ist ´ne alte Umweltsau“.

Eigentlich kein Grund sich aufzuregen, weil:

  • es eine Oma ist und daher per definitionem alt
  • sie in einem geschlossenen Raum und in unmittelbarer Nähe von Lebewesen erhebliche Abgas- und Geräuschemissionen ausstößt
  • eine Motorradfahrt im Hühnerstall auch nicht mit der Notwendigkeit der Fortbewegung von Punkt A zu Punkt B begründet werden kann, es sei denn – worauf nichts hinweist, schließlich hat die Oma im Parallelsong auch nur ein „kleines Häuschen“ – es handelt sich um einen Hühnerstall wahrhaft epischen Ausmaßes.

Statt nun dankbar zu sein, dass dieser vollumfänglich berechtigte Vorwurf mit leicht satirischer Anmutung in einem freundlichen Liedchen verpackt vorgebracht wird, fühlte sich ein ganzes Heer von Rentnerinnen und Rentnern verunglimpft, diskriminiert und verleumdet und tat dies in bislang über 300 Strafanzeigen und in zahllosen Leserbriefen kund.

Sie seien schließlich, wird immer wieder als Argument vorgebracht, die Generation, die Deutschland wieder aufgebaut habe.

Das ist richtig: Mit Kohlekraftwerken und ressourcenfressender und Umweltgifte ausspuckender Industrie, bis sich auch die oben erwähnte Oma ein Motorrad leisten konnte, mit dem sie dann allerlei umweltschädigenden Schabernack anstellen konnte.

Das Argument, Deutschland wieder aufgebaut zu haben, spricht also nicht unbedingt fürs Motorradfahren im Hühnerstall.

Und was dabei gerne vergessen wird, ist, dass die Wiederaufbaugeneration mit ihrem Verhalten bzw. Nichtverhalten den Nazis gegenüber doch erheblich zur Zerstörung Deutschlands beigetragen hat.

 

Wer nichts zu verbergen hat…(Teil II)

Von der Naivität beim Umgang mit Daten (Teil II)

  1. Alles nur für Werbung und Bequemlichkeit?

 Dass Werbung wichtig und unerlässlich ist für die Unternehmen, die ihre kapitalistische Überproduktion ja auch verkaufen müssen, bleibt natürlich unbestreitbar. Allerdings muss man sich, gerade wenn man einen etwas arglosen Blick auf die Werbung hat, darüber klar sein, dass es NICHT darum geht, welches Produkt im Konkurrenzkampf um den Kunden gewinnt, sondern darum, die Leute zu andauerndem, nach dem kapitalistischen Credo auch immer anwachsenden Konsum zu erziehen. Da hat man auch keine Skrupel, mitten in die Diskussion um die Umweltverträglichkeit des Wegwerfkonsums Aktionen wie den sog. Black Friday zu starten, bei denen man den Kunden die Lagerinhalte praktisch vor die Füße wirft (pikanterweise am selben Tag, an dem auch weltweit Klimaschutzdemos stattfanden). Bei vielen Menschen ist die Erziehung zum Konsumdeppen schon so weit fortgeschritten, dass die Suche nach neuen Produkten bzw. „Schnäppchen“ im Internet zur täglichen Routine geworden ist.

Dass sich mit Hilfe von gesammelten Daten nicht nur das Konsumverhalten der Menschen beeinflussen lässt, sondern auch deren politische Haltung durch diverse Manipulationsmechanismen, ist inzwischen unbestreitbar. Genutzt werden diese Mechanismen von mehr oder weniger üblen Parteien (vielleicht auch von allen) und vor allem von den großen Plattformbetreibern. Wie wichtig denen das ungestörte Datensammeln ist, konnte man in den letzten Wochen beobachten, wo in ALLEN Medien aberwitzig teuere Good-will-Anzeigen geschaltet wurden, um den Leuten vorzugaukeln, ihre Daten seien bei den Plattformbetreibern gut aufgehoben.

Diese Werbeaktion hat übrigens vor Augen geführt, dass Geld bei diesen Konzernen offensichtlich in unbegrenzter Menge zur Verfügung steht.

Das Großkapital in den USA ist – noch deutlicher als sonstwo – der Auffassung, die Steuerung der Weltläufte selbst in die Hand nehmen zu sollen. Man vermeidet weitestgehend das Zahlen von Steuern und lenkt den Laden lieber selbst mit Hilfe von Stiftungen, Stipendien, Spenden und anderweitigen Geldzahlungen. Das war schon bei Bill Gates Methode. Und auch der hatte bereits Visionen einer netz- und damit kapitalgesteuerten „besseren“ Welt. Warum nimmt eigentlich niemand ernst, wenn Goggle oder der Zuckerberg ihre viel weiter gedachten Weltvisionen ausposaunen? Im Augenblick scheint es lediglich die gegenseitige Konkurrenz zu sein, die sie ausbremst, Kapitalmangel ist es sicher nicht.

Möchte man wirklich in einer Welt leben, die nach den Vorstellungen dieser Konzernherren eingerichtet ist? Philosophie, Ideale, Werte, Nachdenklichkeit usw. haben hier allenfalls eine von oben zugewiesene Rand- bzw. Alibi-Existenz. Der teils hoch gelobte Roman „Der Circle“ von Dave Eggers gibt davon übrigens nur einen reichlich schwachen und auch fehlerhaften Eindruck…).

  1. Den Stecker ziehen?

Es mag viele Leute geben, die die bisherigen Ausführungen für kulturpessimistisch, destruktiv, modernitätsfeindlich halten. Diese seien auf einen letzten Aspekt hingewiesen:

In der Dauerdiskussion um die sogenannte „Künstliche Intelligenz“ wird, meist beim „autonomen Fahren“, als Vorzug besonders bei letzterem genannt, dass damit die größte Fehlerquelle, nämlich der Mensch, ausgeschaltet sei. Dummerweise übersieht man dabei, dass sowohl die Algorithmen als auch die Daten, mit denen die KI arbeitet, von Menschen entworfen bzw. eingegeben werden und somit natürlich auch fehleranfällig sind. Entwickelt man die KI so weit, dass sie wirklich selbst Daten verknüpfen und daraus folgernde „Entscheidungen“ treffen kann, ist die Gefahr gar nicht so gering, dass diese auf Basis fehlerhafter, vom Menschen eingegebener Prämissen stattfinden. Man muss schon arg katholisch sein um zu glauben, dass im Fall so entstehender katastrophaler Fehlentscheidungen jemand in der Lage wäre, rechtzeitig den Fehler zu entdecken und einen resultierenden verhängnisvollen Prozess zu stoppen. Da hälfe wohl nur noch, den Stecker zu ziehen.

Wird aber nicht gehen. Je mehr Abläufe – von der Heizungssteuerung über die Versorgung mit Lebensmitteln, die Fahrpläne der Bahn bis hin zur Einsatzbereitschaft von Waffensystemen – vom Auswerten vernetzter gesammelter Daten abhängig sind, desto unmöglicher wird es werden, genau diesen Datenfluss zu unterbrechen. Der Kollaps aller Systeme, auf denen die technisierte Welt beruht, wäre die Folge.

Reichlich naiv haben wir zugesehen, wie uns dieser Stecker, den es eventuell zu ziehen gälte, längst genommen wurde.

 

 

 

Wer nichts zu verbergen hat… (Teil I)

Von der Naivität beim Umgang mit Daten (Teil I)

Vorbemerkung: Beim folgenden Blogbeitrag handelt es sich eigentlich weniger um einen solchen, als vielmehr um eine kleine Abhandlung. Diese am Bildschirm zu lesen ist mühsam, und viele Menschen sind es ohnehin nicht mehr gewohnt, lange Texte am Stück zu lesen. Vor dem benutzten Medium kapitulierend wird der Text deshalb in zwei Beiträge aufgeteilt.

Zum Überblick hier eine Grobgliederung:

Teil I

  1. Wer nichts zu verbergen hat…
  2. Exponentielles Wachstum der gesammelten Daten

Teil II

  1. Alles nur für Werbung und Bequemlichkeit?
  2. Den Stecker ziehen?

 

  1. Wer nichts zu verbergen hat…

Um gleich mit der Tür ins Haus zu fallen: Die Vorstellung, wer nichts zu verbergen habe, habe auch nichts zu befürchten, wenn Informationen über ihn gesammelt würden, ist gleich die dümmste:

Niemand kann vorhersehen, für wen wann welche Daten interessant sein können. Selbst den kuriosen Fall unterstellt, das jemand noch nie gegen irgendein Gesetz verstoßen hat, ja, mit unseren Staatswesen dermaßen einverstanden ist, dass er kritische politische Äußerungen oder gar Demonstrationen für absolut unnötig hält:

Ist schon mal eine kritische Äußerung gegen Monsanto durchgerutscht? Man weiß inzwischen, dass dieser Konzern Listen anlegt mit all seinen Kritikern. Im besten Fall will er sie bestechen. Wahrscheinlicher ist, dass er sie zu gegebenem Zeitpunkt mit Repressionen überziehen wird, wenn sein politischer und gesellschaftlicher Einfluss das ermöglicht.

Schon mal näheren Kontakt oder gar ein Verhältnis mit äh, nicht ganz weißen Menschen gehabt? AfD-Politiker drohen heute schon damit, sie würden, wenn sie an der Macht sind, „abrechnen“ mit ihren Kritikern und mit Leuten, die „dem deutschen Volk schaden“, wozu nach Auffassung etlicher führender AfD-Leute auch Menschen gehören, die nichts von „Rassereinheit“ halten. Sollte die AfD tatsächlich an die Macht kommen (und wer kann das heute schon ausschließen?), stehen ihr dazu umfangreiche Datensammlungen (später dazu mehr) zur Verfügung.

Und wer weiß schon, ob er nicht mal zur falschen Zeit am falschen Ort gewesen ist – wen auch immer das interessieren könnte?

  1. Exponentielles Wachstum der gesammelten Daten

Daten über Menschen wurden schon immer gesammelt, auch in vordigitaler Zeit. Allerdings war es da für z.B. Polizei und Verfassungsschutz wesentlich mühsamer als heute: Demonstranten musste man mit einem Großaufgebot von Überwachungspersonal fotografieren, Unterschriftenlisten analog auswerten. Dass man die Mühe nicht gescheut hat, zeigen die vielen Fälle, bei denen Menschen, die (Anfang der 70er Jahre) nichts anderes gemacht hatten, als gegen den Vietnamkrieg zu demonstrieren und Protestlisten zu unterschreiben, plötzlich wegen des „Radikalenerlasses“ für den öffentlichen Dienst zu einer Befragung bezüglich ihrer Verfassungstreue gebeten wurden.

Eine (durchaus nicht vollständige) Auflistung soll verdeutlichen, in welchem Ausmaß seitdem die Datensammelei geradezu explodiert ist:

Natürlich werden die Daten, die man bei diesen nervigen Kundenkarten oder bei sog. Gewinnspielen preisgibt, gesammelt und (was niemand kontrollieren kann) oft auch weiterverkauft. Übrigens dürfen, wenn man nicht schriftlich Widerspruch einlegt, sogar die staatlichen Einwohnermeldeämter ihre Daten an alle möglichen „Interessenten“ verkaufen.

Darüber, dass man beim Bezahlen mit Kreditkarte nicht nur seine Konsumgewohnheiten offenlegt, sondern auch die Voraussetzung schafft für ziemlich präzise Bewegungsprofile (Wer hat wann wo eingekauft? Welche Reisen hat er unternommen? Wann war z.B. der Verdächtige zum letzten Mal in Kuba??), sollte man sich im Klaren sein.

Mit jeder besuchten Website, die einem eine Registrierung abverlangt, liefert man ein Bausteinchen für eine riesige Datensammlung. Weitaus ergiebiger sind natürlich die diversen „sozialen“ Plattformen, die ihren Nutzern privateste Informationen entlocken.

Ganz neue Dimensionen allerdings entstehen durch die jüngsten Entwicklungen und Tendenzen:

Zum Beispiel bei den Datenstaubsaugern, die einem, so hört man, das Leben bequemer machen sollen. Der angeblich intelligente Stromzähler informiert Wenauchimmer im Minutentakt, wann in welcher Wohnung auffällig viel Strom verbraucht wird. Werauchimmer wird genauestens informiert, ob man es in der Wohnung gerne kuschelig warm hat, ob man lieber duscht (eventuell sogar mehrmals täglich??) oder in die Badewanne steigt, wann man zu Bett gehen pflegt usw. Die untereinander kommunizierenden Küchengeräte funktionieren nur, wenn sie beständig Daten sammeln und weitergeben. Von hier aus bis zur Überwachung gewünschten Verhaltens ist nur ein kleiner Schritt. Man kann sich schon drauf freuen, dass man von den Stadtwerken (oder gleich von der Waschmaschine selbst) angemault wird, weil man sich zur falschen Zeit um seine Dreckwäsche gekümmert hat. Diesen Schritt sind einige Autoversicherer bereits gegangen. Mit Hilfe der sog. Telematik können Fahrer ihr Fahrverhalten überwachen lassen, um gegebenenfalls Rabatte eingeräumt zu bekommen. Natürlich könnte diese Überwachung auch ganz anderen Zwecken dienen.

Dass Amazon über Alexa genauestens über den Musikgeschmack Bescheid weiß, mag man für lässlich halten. Dass man damit auch Wohnzimmergespräche abhören kann und dies auch tatsächlich tut, war doch bisher eher Stasi oder Putin. Wie praktisch: Mühseliges Verwanzen von Wohnungen erübrigt sich. Was der von Amazon erstaunlich stolz gepriesene Ausschalter für das Alexa-Mikrofon wirklich macht bzw. wie leicht er manipulierbar ist, weiß man nicht.

Und welche Ausmaße Überwachungsmechanismen annehmen können beim sog. „autonomen Fahren“, mag man sich gar nicht ausmalen.

Wo immer Begrifflichkeiten im wahrsten Sinne des Wortes besonders wolkig werden, sollte man aufhorchen: Moderne Internetnutzer speichern ihre Daten (und zwar alle) in der „Cloud“. Diese ist allerdings nicht irgendwas in unerreichbaren Höhen Herumwaberndes, sondern besteht aus einer Anhäufung von höchst irdischen Datenspeichern in den Händen privater Unternehmen.

Es gibt aber doch, muss man hier natürlich einwenden, jede Menge Gesetze, die durch vorgeschriebenes Löschen von Daten deren Missbrauch verhindern sollen. So werden die sog. sozialen Plattformen immer wieder verpflichtet, einen Teil der gesammelten Daten auf ausdrücklichen Wunsch der Kunden hin zu löschen – sehr erfolglos, wie man regelmäßig erfahren kann. Denn eine Firma, deren Geschäftsmodell angeblich darain besteht, Daten zu sammeln und zu verkaufen, hat natürlich kein Interesse, irgendwas aus der Sammlung zu entfernen. So wurde bekannt, dass Facebook einen illegalen Datenbestand zur Tochter Instagram verschoben hat – bis das aufgeflogen ist. Wo die Daten jetzt sind, weiß keiner außer Zuckerberg– gesegnet sei die „cloud“. Illegale Datenbestände werden übrigens immer nur durch Aktivitäten betroffener Menschen öffentlich. Der Staat selbst zeigt wenig bis kein Interesse, dieser Form von Kriminalität nachzuspüren – gehört er doch selbst zu den eifrigsten Datensammlern.

(Teil II folgt)

 

Annekanone Krampfkarren

Mit Recht wird der AfD vorgeworfen, politisch die Grenzen des Sagbaren zu verschieben. Das bürgerliche Lager allerdings hält sich damit gar nicht erst auf, es verschiebt lieber gleich Inhalte – und kaschiert dies durch verlogene Euphemismen:

Deutschland müsse mehr „weltpolitische Verantwortung“ übernehmen, meint die Noch – CDU – Vorsitzende Kramp-Karrenbauer, und dabei auch „das Spektrum militärischer Mittel ausschöpfen“. Von der Notwendigkeit „robuster Militäreinsätze“ faselt eine Kommentatorin der Mainpost.

Gemeint ist: Wir werden der Welt unsere Macht demonstrieren – und zwar durch Krieg.

Die spannendste Begründung, die dem Kanonenhirnchen für ihre Forderung einfällt, ist die „Größe“ Deutschlands. So betrachtet müsste China ja nun wirklich in alle Ecken der Welt Militär schicken, um seiner „Verantwortung“ gerecht zu werden. Warum hört man davon nichts? Könnte das daran liegen, dass die Chinesen längst begriffen haben, dass es im 21. Jahrhundert weitaus elegantere Methoden gibt, seine Macht auszuweiten als Kanonendonner? Vielleicht ist den Chinesen auch aufgefallen, dass im letzten halben Jahrhundert „robuste Einsätze“ überall auf der Welt die Probleme nur verschlimmert statt vermindert haben?

Dass eine kapitalistische Nation „mit globale(m) Interesse“, wie Annekanone schön ehrlich formuliert, Probleme mit Piraten hat, ist einleuchtend. Aber sollten für Raub in internationalen Gewässern nicht internationale Polizeieinheiten zuständig sein statt einiger Nationen, die ihren Expansionsdrang als „Verantwortung“ verkaufen?

Vielleicht hat die Annegret, die doch als Ministerpräsidentin des Saarlands so passend aufgehoben war, auch einmal ein Geschichtsbuch gelesen und ist dabei auf den amerikanischen Senator Beveridge gestoßen, der schon im Jahr 1898 gänzlich unkaschiert erklärt hat, dass die amerikanischen Handelsschiffe Kriegsschiffe zum Schutz bräuchten, die man dann aber praktischerweise auch gleich zum Okkupieren der Noch-Handelspartner einsetzen könnte…

Früher zettelten amerikanische Präsidenten, wenn sie innenpolitisch in Schwierigkeiten waren, gerne Kriege an, um „die Nation hinter sich zu einen“. Der derzeitige hat als Wahlkampfgag beschlossen, amerikanische Truppen aus den Krisenregionen der Welt zurückzuziehen.

Früher fanden es deutsche Politiker aus guten Gründen für unpassend, der Welt mit deutschem Militär zu drohen. Die derzeitige Verteidigungsministerin macht genau dies, weil, ja weil ihr innenpolitischer Karren ganz fürchterlich im Dreck steckt.

Eine gänzlich bescheuerte Idee…

Die Durchsetzungs-Welt

Es ist schwierig festzustellen, wann das alles eigentlich begonnen hat.

War es in den neunziger Jahren, als der angeblich sozialdemokratische Bundeskanzler Schröder sich den Begehrlichkeiten der Wirtschaft in außergewöhnlichem Maße ergab und sich in Deutschland eine Stimmung breitmachte, die dem britischen Brutalo-Liberalismus des 19. Jahrhunderts immer näher zu kommen schien?

Hinfort galt die dümmlich Formulierung von der „Ich-AG“, was nichts anderes bedeutete, als dass jeder seines Glückes Schmied sei, wenn er nur seine Interessen möglichst skrupellos gegen andere durchsetze. Muster-Ich-AG war der Zigarrengerd selbst, war er für sich selbst doch die Gesellschaft, mit der er uneingeschränkt glücklich war.

Dass dabei sozial Schwache ans Harz IV–Messer geliefert wurden, ist ja nur folgerichtig.

Auch in der familiären Erziehung gewann die Vorstellung Oberhand, der Nachwuchs müsse sich in erster Linie durchsetzen, was dazu führte, dass Eltern (der Autor verbürgt sich dafür, das Folgende leibhaftig erlebt zu haben) ihre Kinder am ersten Schultag in der vor der noch verschlossenen Klassenzimmertür wartenden Gruppe aufforderten, sich „vorzudrängeln“, damit sie sich „einen guten Platz“ sichern könnten.

Falls den Sprösslingen im Verlauf der weiteren Schulkarriere die intellektuelle Durchsetzungskraft fehlte, um erfolgreich zu sein, wurde verstärkt versucht, den schulischen „Erfolg“ mit juristischen Mitteln durchzusetzen. Mit Klagen und Rechtsanwälten drohten dabei natürlich nur die Betroffenen der sog. „besseren Gesellschaft“, Unterschicht-Eltern konnten sich diese Schritte in den allerseltesten Fällen leisten.

Angesichts dieser Entwicklungen scheint es angebracht, unsere Gesellschaft wieder mit dem soziologischen Klassenbegriff zu beschreiben.

Auch auf der Straße ist der Klassenkampf längst Alltag. Mit dem selbstverständlichen Recht des Stärkeren beansprucht der SUV-Fahrer eineinhalb Fahrspuren für sich, wobei er das auf deutschen Straßen geltende Rechtsfahrgebot sehr flexibel auslegt. Entgegenkommende Kleinwagen haben sich allerdings an die rechts parkenden Autos zu quetschen und gegebenenfalls auch abzubremsen.

Leider versucht die beiseitegedrängte Klasse nicht, dagegen aufzubegehren, sondern ist, wie meist in der Geschichte, bemüht, das Verhalten des Klassengegners mit den eigenen beschränkten Mitteln nachzuahmen. Die „Ich bin groß, ich bin dick, ich blase meinen Mitmenschen den Zigarettenrauch ins Gesicht, ich bin langsam und laufe grundsätzlich mittig“-Figur auf den städtischen Gehwegen ist dafür ein unschönes Beispiel. Jeder ängstlich ausweichende Entgegenkommende ist für die ein gefeierter Erfolg.

Das Marxsche Basis-Überbau-Modell funktioniert leider auch im Negativen: Die Idee der „Durchsetzungsgesellschaft“ kam vom Überbau, die Basis hat sie überwiegend verinnerlicht und wählt jetzt, ganz dialektisch, entsprechend schlimmere Repräsentanten nach oben.

Trumps „america first“ ist nichts anderes als die Übertragung des Gedankens von der Gesellschaft auf die Politik: Amerika wird sich durchsetzen auf der Welt, Amerika wird der Welt seinen Willen aufzwingen, weil Amerika dazu (vermeintlich) stark genug ist. Dass dabei Millionen von Menschen durch wirtschaftliche und finanzielle Sanktionen gegenüber ihren Staaten ins blanke Elend, nicht selten auch in den Tod getrieben werden, ist diesem Standpunkt herzlich egal.

Beschämend für Europa ist nicht nur, dass man sich Trumps Erpressungen (Wer sich nicht unserem Willen beugt, wird mit Strafen wie z.B. Sonderzöllen gemaßregelt) beugt und bei von den USA befohlenen Boykottmaßnahmen gegenüber Staaten, mit denen Europa eigentlich kein Problem hat, brav mitmacht. Es ist schlimmer: Man demonstriert, das man gerne auch zu denselben Mitteln greift und setzt z.B. einen iranischen Tanker bei Gibraltar fest, weil der angeblich Öl nach Syrien bringen wollte. Dabei hat die EU doch einen Boykott gegenüber Syrien ausgesprochen!

Abgesehen von der Frage, warum ein iranischer Tanker, der nach Syrien will, den interessanten Umweg über Gibraltar nehmen sollte: Seit wann steht ein EU-Beschluss über dem Völkerrecht? Man handelt genauso völkerrechtswidrig wie die USA und benimmt sich damit der Möglichkeit, diese glaubhaft zu kritisieren.

Dass Rassisten in allen Ländern dem amerikanischen Oberrassisten allzu gerne folgen, hat natürlich weniger mit Angst zu tun als mit dem Gedanken, Ausländern zu zeigen, dass man die Macht hat, sie zu unterdrücken und rauszuschmeißen.

Oder Schlimmeres: Wer, wie der amerikanische Präsident, Mexikaner pauschal als Verbrecher und Vergewaltiger bezeichnet und von einer mexikanischen „Invasion“ spricht, ist eindeutig verantwortlich dafür, wenn ein genauso denkender Durchgeknallter die Knarre in die Hand nimmt und die Sache regeln will.

Dann den tief Trauernden zu spielen und aus demselben verlogenen Mund heraus zu erklären, es dürfe in Amerika keine Hassreden geben, ist eigentlich an Gruseligkeit kaum mehr zu überbieten. Nur von der Masse von Doofen, die sich hinstellen und diesem Mordgehilfen Beifall klatschen und unverbrüchliche Gefolgschaft schwören.

Auch hier: Die Herrschenden zeigen, dass sie sich durchsetzen und das Volk so blöd halten können, dass es alles, was sie wollen, mitmacht.

Alles nur folgerichtig.

Neues von Alexa

(Alle kursiv gesetzten Passagen sind wörtlich der neuen, in überregionalen Zeitschriften erschienenen Amazon-Werbung entnommen.)

Man kann sich überhaupt nicht mehr vorstellen, wie die Leute das früher gemacht haben, Partys, Feten oder Get-togethers, wie es bei Amazon heißt, ohne Alexa. Erst, seit es den neuesten Wurf von Alexa gibt, gehen die doch wirklich richtig!

Weil zum Beispiel, sobald der Blick – wenn auch nur kurz – aufs Smartphone gerichtet ist, ist jede Unterhaltung sowieso tot. Dank Alexa muss man auf Feten das Smartphone gar nicht erst in die Hand nehmen! Das ist ja nun eine wirklich unerhörte Neuerung! Und man muss auch nicht mehr vor allen Gästen das Rezeptbuch hervorkramen oder mit schmierigen Fingern auf dem Bildschirm herumtippen! Alexa weiß das Rezept doch – man muss ihr nur sagen, was man kochen möchte, dann wird man Schritt für Schritt von den Rezeptzutaten bis zum fertigen Gericht geführt. Außerdem kann man einen Timer einstellen und sich während der Kochzeit ganz (seinen) Liebsten widmen. Die Festgesellschaft muss also nicht mehr, wie früher, gebannt auf den Küchenwecker starren und Wetten abschließen, wann er klingelt…

Mit einer smarten Glühlampe kann Alexa übrigens auch das Wohnzimmerlicht dimmen! Ist das nicht toll? Was haben wir das früher vermisst!

Auch um die Musik muss man sich nicht mehr kümmern. Wenn man Alexa zum Beispiel sagt „Alexa, spiel Jazz!“, spielt sie Jazz. Vorausgesetzt, wie in einer mikroskopisch kleinen Fußnote angemerkt wird, man besitzt ein Musik-Abonnement. Jazz also. Das ist ein weites Feld. Aber man muss sich schließlich  nicht mehr erwürgen oder die Köpfe einschlagen beim Streit darüber, was für einen Scheiß die Kiste da spielt, man kann sie ja einfach fragen. Dadurch haben wir jetzt bei all dem die Hände frei, um auf alte und neue Erlebnisse anstoßen zu können. Das ist insofern richtig, als man zum Würgen und Zuschlagen früher immer mindestens eine Hand benötigte.

Falls man nach dem gemeinsamen Anstoßen zum Schluss kommt, dass man den Krach, den Alexa da macht, nicht mehr hören kann, kann man Alexa auch auffordern, seine Lieblingsmusik zu spielen (vorausgesetzt, man hat ein klitzekleines Musikabonnement). Damit nicht genug! Mitsingen ist ausdrücklich erlaubt! Denn(!) auch die entsprechenden Songtexte werden auf dem Bildschirm angezeigt. Ist das nicht wunderbar? Alle gucken Alexa auf den Bildschirm und singen völlig freihändig. Keiner muss mehr ins Nebenzimmer rennen und nach dem ollen Liederbuch suchen! Und man darf ja auch aus gutem Grund mitsingen: Weil die Songtexte auf dem Bildschirm stehen…

Man kann, versichert Amazon, Alexas Mikrofon per Knopfdruck abschalten und ihre Kamera über eine integrierte Kameraabdeckung schließen lassen. Aber nicht vergessen, vorher die schmierigen Finger abzuwischen!

Jetzt ist Alexa blind und taub und man kann sich unterhalten.

Weiter weglügen

Ein Kommentator der MAIN-POST meint, dass Chaos und Unrecht in Libyen „mit der Verhaftung (eines) deutsch-tunesischen UN-Spezialisten“  begonnen habe. Abgesehen vom Fehler in der Überschrift (Syrien statt Libyen, aber das passt ja irgendwie auch) ist es der Mainpost gelungen, meinen Leserbrief dazu unverstümmelt zu veröffentlichen.

Für Nicht-Mainpost-Leser hier der Text:

„Nein, das Elend in Libyen begann nicht, wie der Kommentator Martin Gehlen meint, mit der Verhaftung eines deutsch-tunesischen UN-Spezialisten. Das Elend begann mit dem Beschluss des Westens, den lybischen Regierungschef und „Revolutionsführer“ Gaddafi wegzubomben. Mag sein, dass dessen Regime verbrecherisch war. Aber so viele Verbrechen konnte Gaddafi gar nicht begehen, wie jetzt in Libyen Alltag geworden sind.

Überall da, wo der Westen mit Gewalt versucht, entweder durch direktes Bombardement (Libyen, Irak, Afghanistan) oder durch militärische Unterstützung von Rebellengruppierungen (Syrien) ihm unliebsame Regierungen zu eliminieren, hinterlässt er Chaos, Bürgerkrieg und Elend. Ein ähnliches Schicksal droht dem Iran.

Man kann doch nicht im Ernst erwarten, dass durch den von außen herbeigeführten gewaltsamen Sturz von Regierungen Demokratien entstünden – in Ländern, in denen demokratische Strukturen keinerlei Tradition haben.

Dass man die eigentlichen Ursachen der Bürgerkriege hierzulande konsequent vertuscht, wirkt schon fast zynisch.“

Zum Fälschen zu faul

Als die Amerikaner 2003 einen Kriegsgrund gegen den Irak suchten, erfanden sie „Geheimdiensterkenntnisse“ über mobile Chemiewaffenfabriken und legten als „Beweise“ Fotos von solchen LKWs vor. Immerhin hat man sich die Mühe gemacht, die aus Legobausteinen gebastelten Modelle mit einer Plastikfolie zu umhüllen, die bei viel gutem Willen auch als Tarnplane durchgehen konnte.

Inzwischen hält man offensichtlich selbst solche Bemühungen für überflüssig: Als ausreichende Begründung für einen potentiellen Krieg gegen den Iran zeigt man der Welt verschwommene Schwarzweiß-Aufnahmen von einem Boot mit ca. einem Dutzend verschwommenen Menschen, die sich an der Seitenwand eines der angegriffenen Öltanker auf verschwommene Art zu schaffen machen.

Laut Trump handelt es sich dabei um ein Kommando der iranischen Revolutionsgarden, das eine von ihnen angebrachte, aber nicht explodierte Haftmine entfernt hat, weil auf dieser „in Großbuchstaben IRAN“ stünde. Also musste dieses Beweisstück für die Schuld des Iran geborgen werden.

Unerheblich dabei ist, dass die Besatzung des Tankers „Flugobjekte“ gesehen hat, bevor die Explosionen erfolgten. Haftminen schmeißt man nicht gegen Schiffe.

Wesentlich glaubwürdiger erscheint die Vorstellung, dass es sich bei den Leuten im Boot um Besatzungsmitglieder des Öltankers gehandelt hat, die den Schaden inspizieren wollten. Nichts, aber auch gar nichts spricht für die amerikanische Version.

Das hindert die üblichen Speichellecker nicht daran, sich den Vorwürfen anzuschließen: Großbritannien übernimmt sogar den Wortlaut der amerikanischen Verlautbarung und erklärt, es sei „fast“ sicher, dass der Iran an den Anschlägen schuld sei.

Natürlich: Man will doch nach dem großartigen Brexit mit den USA das größte und erfolgreichste Handelsabkommen abschließen, von dem die Welt je gehört hat. Da kann man doch den Irren im Weißen Haus nicht verärgern; ordentlich Arschkriechen ist angesagt.

Polen traut sich noch nicht oder schweigt als Retourkutsche dafür, dass Trump dort nicht so viele Soldaten stationieren will, wie sie sich das wünschen.

Saudi-Arabien ist natürlich begeistert: Man braucht die amerikanische Unterstützung im Kampf um die regionale Vorherrschaft gegen den Iran. Und man braucht die Geschäfte mit den Amerikanern und deren Waffen.

Das Schweigen der Europäischen Union kann man immerhin als heimliches Zähneknirschen interpretieren. Versucht man doch gerade, das Atomabkommen mit dem Iran auch ohne die USA zu retten. Konkrete Maßnahmen dazu einzuleiten traut man sich aber offensichtlich nicht. Besteht Trump auf seiner Version, ist es nur eine Frage der Zeit, bis auch die EU einknickt und sich im Allerwertesten des Präsidenten mit Großbritannien wieder vereint.

Schön wäre, wenn man sich erinnerte: Appeasement-Politik gegen einen gestörten Größenwahnsinnigen ist in der Geschichte schon mal bös danebengegangen.