Die Untoten der Union

Friedrich „Bierdeckel“ Merz ist aus zwei Gründen bekannt geworden: Er war zwei Jahre lang Fraktionsvorsitzender der Union im Bundestag. In dieser Zeit hat er behauptet, er habe ein deutsches Steuerrecht entworfen, das auf einen Bierdeckel passe. Die herausragende Neuerung bei diesem Modell war ein Spitzensteuersatz von 34 % des Einkommens, was die Höchstverdiener mit jeder Menge zusätzlichem Geld zugeschüttet hätte.

Dann ist Angela Merkel Fraktionsvorsitzende geworden und der Bierdeckel-Merz hat die Politik hingeschmissen und sich sein Hauptbetätigungsfeld (neben gut einem halben Dutzend Aufsichtsratsjobs) in einer Firma gesucht, deren Schwerpunkt die „Steuergestaltung“ ist. So nennt man die (ja, teils durchaus legalen – wen wundert‘s?) Tricks, mit deren Hilfe das Großkapital einen fiskalischen Zugriff weitgehend vermeidet und dadurch oft deutlich unter dem Merzschen Spitzensteuersatz landet. Man kann das auch so formulieren: Tricks, mit deren Hilfe große Mengen Geld nicht in die Staatskasse fließen um z.B. Kindergärten, Pflegerinnen und Pfleger oder ein ordentliches Bildungssystem zu finanzieren, sondern in die wie auch immer gefärbten Kassen des Großkapitals.

Ganz selbstlos hat er das natürlich nicht gemacht, er hat sich seine „Arbeit“ ordentlich bezahlen lassen und ist so – nach eigener Einlassung – in den „oberen Mittelstand“ aufgestiegen. Eine Million Jahreseinkommen und der Besitz von gleich zwei Privatflugzeugen (eines lässt sich immer gut vermieten) sind für ihn Merkmale, sich in dieser sozialen Schicht zu verorten.

Bei seiner Bewerbungsrede für den CDU-Vorsitz hat Friedrich „Mittelstand“ Merz erklärt, die Union müsse jünger und weiblicher werden. Als 62-jähriger stockkonservativer Mann voller Ideen aus den 90er Jahren des letzten Jahrhunderts.

Seine eigene Grabrede zu halten macht Friedrich „Mittelstand“ Merz eindeutig zum überlebenden Untoten Nummer eins der Union.

Nummer zwei ist zweifellos Horst „Rücktritt“ Seehofer. Es ist bewundernswert, wie es dieser Mann schafft, sein Ansehen bis zur Lächerlichkeit zu ruinieren.

Irgendwann konnte man den Eindruck haben, er sei ein gestandener Mann mit den in der CSU gar nicht so seltenen sozialen Anwandlungen.

Aber schon als stellvertretender Unionsfraktionsvorsitzender im Bundestag (ab 1988) legte er den Grundstein für seinen Ruf als Wendehorst und Rücktrittsweltmeister: Seinen ersten Rücktritt als Fraktionsvize schaffte er 2004 wegen eines Streits um die Gesundheitspolitik. Es war einer seiner beliebten Halb-Rücktritte: Als Fraktionsvize, nicht aber als CSU-Vize und Bundestagsabgeordneter.

Als er 2008 bayerischer Ministerpräsident wurde, beschwor er die Einheit seines Amtes mit „dem Volk“, sprich, er erklärte sich offen zum Populisten. Und wenn er heute vorgibt, mit seiner ach so christlichen migrationsfeindlichen Politik die AfD bekämpfen zu wollen, sollte man sich an einige seiner politischen Vorhaben und Äußerungen aus früheren Zeiten erinnern:

Schon 1987 forderte er, Aidskranke in zentralen Heimen zu isolieren.
2011 tat er kund, „bis zur letzten Patrone“ gegen die Einwanderung in „die deutschen Sozialsysteme“ zu kämpfen. Da gab es die AfD noch gar nicht. Seehofer hat bis heute nicht begriffen, dass er mit seinen Positionen Vorreiter der AfD war und ist, nicht deren Bekämpfer.

In den letzten Monaten ergibt er sich ganz seinem Rücktrittshobby: Im Juli 2018 kündigte er seinen Rücktritt vom Ministerposten und CSU-Vorsitz an, um einige Tage später vom Rücktritt zurückzutreten. Dabei hatte er sich mit der frauenfreien Organisation seines „Superministeriums“ und den ständigen Affronts gegenüber Merkel nicht nur außerhalb seiner Partei unmöglich gemacht. Nach dem schwachen Ergebnis der CSU bei der Landtagswahl in Bayern drohte er mit seinem Rücktritt als Parteivorsitzender. Diese Drohung wurde innerhalb der Union mit ähnlicher Zuversicht aufgenommen wie die Hoffnung eines Zahnkranken, dass der kaputte und schmerzende Eiterzahn doch endlich von selbst ausfallen möge.

Aktueller Stand ist die Ankündigung des Rücktritts als Parteivorsitzender der CSU zum Januar 2019 (da bleibt noch viel Zeit für den Rücktritt vom Rücktritt). Vorsitzender der Staatssketretärenversammlung in seinem Innenheimatministerium möchte er allerdings bleiben. Er will halt doch nicht von selber raus, der alte Zahn.

Rang drei mit echten Aufstiegsschancen gehört Jens „Orbanfreund“ Spahn. Weil diese Wiedergängermischung aus Helmut Kohl und Franz Joseph Strauß eigentlich nur als politische Totgeburt erträglich wäre.

Dann wären da noch Scheuer, Dobrindt und Bär.

Aber die hatten wir schon.

 

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