Der Höckerich tritt nicht zurück

Man kann sich im wahrsten Sinne des Wortes um Kopf und Kragen reden, auch handeln.

Thüringen hat nun einen Ministerpräsidenten von Höckes Gnaden, der zwar behauptet, Opfer einer AfD-Intrige zu sein, es aber tunlichst vermeidet zu behaupten, er habe von seiner bevorstehenden Wahl durch die AfD nichts gewusst. Eine Lüge bleibt es trotzdem.

Thüringen hat einen Ministerpräsidenten, der sich, nachdem er die Wahl in aller Ruhe und sehr entschlossen angenommen und sich gegen Neuwahlen ausgesprochen hatte, von FDP-Chef Lindner zum Rücktritt drängen ließ. Dieser ließ verlauten, er habe mit seinem Rücktritt als FDP-Vorsitzender gedroht, falls Kemmerich nicht zurücktrete.

Thüringen hat einen Ministerpräsidenten, der, kaum dass Lindner wieder in Berlin war, vom Rücktritt zurücktritt. Mit der irrwitzigen Begründung, er sei sich mit den Juristen der Staatkanzlei und der Landtagsverwaltung einig, dass es mindestens ein Regierungsmitglied geben müsse, um die notwendigen Aufgaben in Thüringen zu erledigen. Was müssen das für Juristen sein, die nicht einmal wissen, dass Höckerich nach einem Rücktritt geschäftsführend im Amt bleibt und alles tun darf, was er auch als amtierender MP tun muss!

Die FDP hat einen Vorsitzenden, der nach eigener Aussage mit seinem Rücktritt gedroht hat, falls Kemmerich nicht zurücktrete. Nachdem dieser seine Bereitschaft zur Rücktritt behauptet hatte, sah sich Lindner „in der Lage“, weiter FDP-Chef zu bleiben und ließ sich das vom Parteipräsidium erwartungsgemäß bestätigen.

Was bleibt ihm jetzt eigentlich, nach dem Rücktritt vom Rücktritt, der doch seinen Rücktritt verhindert hat?

Man muss es ja nicht gleich so dramatisch machen wie Uwe Barschel. Aber etliche Herren sollten von Rücktritt nicht immer nur reden, sondern ihn schnellstens tatsächlich antreten. Und zwar ganz weit zurück.

Man weiß doch, dass diese Herren ihr Auskommen in der Wirtschaft finden werden. Es gibt etliche Konzerne, die demnächst neue Lügenpräsidenten brauchen.

Nachschlag: Aus der Verfassung des Freistaats Thüringen:

(1) Der Ministerpräsident bestimmt die Richtlinien der Regierungspolitik und trägt dafür gegenüber dem Landtag die Verantwortung. Innerhalb dieser Richtlinien leiten und verantworten die Minister ihren Geschäftsbereich selbständig.

(2) Die Landesregierung beschließt insbesondere über die Abgrenzung der Geschäftsbereiche, die Einbringung von Gesetzentwürfen, den Abschluss von Staatsverträgen und die Stimmabgabe im Bundesrat.

Barschel lässt grüßen!

Die Tagesschau betreibt ein Liveblog zu den Ereignissen in Thüringen und das ist gut so. Sonst würde man es gar nicht schaffen, so schnell nachzulesen, wie man belogen wird.

Kemmerich, FDP-Ministerpräsident von Höckes Gnaden, der bis heute Mittag Neuwahlen noch strikt ablehnte und für sinnlos hielt, weil Umfragen „bewiesen“, dass sich eh nichts ändern würde, ist heute Abend angeblich ein großer Fan von Neuwahlen. Zum „angeblich“ später mehr. Seine geradezu aberwitzige Begründung: Die AfD habe mit einem „perfiden Trick versucht, die Demokratie zu schädigen“. Der perfide Trick war seine Wahl zum Ministerpräsidenten. Perfiderweise hatte die AfD dies Kemmerich schon im November angeboten, wie aus einem heute veröffentlichten Brief von Höcke deutlich wird. Und ihn dann gestern so perfide übertölpelt, dass er vor Schreck gleich die Wahl angenommen hat.

Gestern hat er noch erklärt, das Vorgehen bei der Wahl sei mit FDP-Chef Lindner abgesprochen gewesen, wovon heute keiner der beiden mehr was wissen will.

Lindner, der gestern noch erklärt hatte, Neuwahlen seien nur nötig wenn CDU und SPD „Totalverweigerung“ betrieben, sieht das heute auch ganz anders. Inzwischen hat er nämlich gelernt, dass er auch auf das perfide Spiel der AfD hereingefallen ist. Stellen die doch im dritten Wahlgang einen Kandidaten auf, den keine Sau kannte, einen Dorfbürgermeister, der bei der Wahl angeblich nicht einmal im Landtag war. Und da haben Lindner und Freunde natürlich fest dran geglaubt, dass die den wählen. Einfach perfide. Und jetzt stellt Lindner sich als Demokratieretter hin und wirft der CDU vor, dass diese sich noch nicht für Neuwahlen ausgesprochen hat.

Mit großem Gehabe schmiert er dann eine Show in die Nachrichten: Er werde sich der Vertrauensfrage stellen – im FDP-Vorstand, der dafür eigens einberufen wird. Das ist – mangels Gegenkandidaten – ungefähr so riskant, wie wenn Queen Elizabeth im Kreise ihrer Familie nachfragt, ob die Monarchie in England abgeschafft werden solle.

Als frisch gekürte Retter der Demokratie wollen die fünf FDP-Hanseln im Landtag jetzt einen Antrag auf Landtagsauflösung stellen. Zu fünft! Es bräuchte allein für den Antrag 30 Stimmen, für die tatsächliche Landtagsauflösung 60. Das wird nicht zu erreichen sein – oder zumindest nicht in den nächsten Monaten. In der Zwischenzeit (wetten?) wird die FDP den Fraktionen, die bei ihrem 5-Mann-Antrag nicht mitmachen, wieder Verweigerung und Demokratiefeindlichkeit vorwerfen. Als wäre nicht die Annahme der AfD-Wahl durch ihren Kandidaten die eigentliche Sauerei.

Wäre der FDP wirklich an einer echten und schnellen Lösung gelegen, müsste Kemmerich schlicht die Vertrauensfrage stellen. Scheitert diese, muss der Landtag innerhalb von drei Wochen einen neuen Ministerpräsidenten wählen oder innerhalb von 70 Tagen Neuwahlen ansetzen.

Das will er aber erst tun, wenn die Landtagsauflösung auf Antrag nicht funktioniert, also am Sankt Nimmerleinstag. Den Zeitpunkt, wann das Scheitern festgestellt wird, kann er nämlich ziemlich alleine bestimmen. Und so lange ist er weiterhin (selbst nach einem Rücktritt) geschäftsführender Ministerpräsident.

Spielt da jemand einfach auf Zeit in der Hoffnung, die Wähler würden irgendwann die Schurkerei schon wieder vergessen? Oder gar in der, die thüringische CDU entdeckt wieder ihre „staatspolitische Verantwortung“ und unterstützt ihn weiter – schließlich haben sie ihn auch gewählt?

Die Vertrauensfrage würde er auf alle Fälle verlieren, weil er zur Bestätigung des Vertrauens die absolute Mehrheit bräuchte. Vielleicht hat er auch nur Angst, dass ihm nur noch seine FDP und die AfD das Vertrauen aussprechen? Dass die CDU kein Problem damit hat, einem Regierungschef, den sie soeben gewählt hat, gleich darauf das Vertrauen zu entziehen, hat sie schon an höherer Stelle, bei der so erzwungenen Bundestagsneuwahl 1983, bewiesen.

Bei Kemmerich, aber noch mehr bei Lindner hat man das Gefühl, dass sie sich immer heftiger in ihren immer neuen Lügen verstricken. Man lügt sich halt durch, so lange es geht. Für Demokratieretter kein besonders überzeugender Ansatz.

Für die nicht ganz so alten Leser unter uns:

Uwe Barschel (CDU) war von 1982 bis 1987 Ministerpräsident in Schleswig-Holstein. Im Wahlkampf 1987 ließ er seinen Gegenkandidaten bespitzeln und verbreitete falsche Dossiers über ihn, was er im Fernsehen mit großem Gehabe – und unter Bemühung seines „Ehrenwortes“ (ein interessanter Begriff in diesem Zusammenhang) – abstritt. Welchen Dreck er sonst noch am Stecken hatte, wurde nie aufgeklärt. Am 11. Oktober 1987 beschloss er, seinem Leben ein Ende zu setzen.

Goebbels lässt grüßen!

AfD, FDP und CDU haben in Thüringen gemeinsam einen Ministerpräsidenten gewählt und damit Bodo Ramelow, den Sozialdemokraten von den Linken, dessen Partei bei den Landtagswahlen mit Abstand die stärkste war und den laut allen Umfragen eine Mehrheit der Thüringer gerne behalten hätte, abgewählt.

Nachdem in den beiden ersten Wahlgängen, wie zu erwarten war, weder Ramelow noch der Kandidat der AfD eine absolute Mehrheit zusammenbrachten, tauchte im dritten Wahlgang, in dem die einfache Mehrheit der Stimmen reicht, plötzlich ein neuer Kandidat auf, Kemmerich von der FDP – und wurde gewählt.

In übelster Goebbels-Manier erklärte anschließend hämisch grinsend ein AfD-Abgeordneter, man habe Kemmerich „zur Kandidatur gelockt und ihn dann planmäßig gewählt“. Die offene Verhöhnung der Wähler und Parlamente durch ihre eigenen Abgeordneten war eine der Lieblingsbeschäftigungen der Nazis…

Wie gut FDP-Mann Kemmerich, der offensichtlich in Absprache mit der AfD gewählt wurde, zu diesen Machenschaften passt, zeigten seine Absonderungen in der ARD: Das „Thüringer Volk“ habe „seine Wahlentscheidung“ getroffen, und die „Demokraten“ im Parlament – wobei der die AfD natürlich explizit NICHT ausschloss – müssten jetzt „staatspolitische Verantwortung“ zeigen. Sagt der Mann, dessen Partei haarscharf mit 5% ins Parlament gerutscht ist, mit 5 (!) Abgeordneten.

Aufschlussreich auch die Auslassung des CDU-Chefs Mohring, warum man Kemmerich gewählt habe: Man sei schließlich im Wahlkampf mit dem Versprechen angetreten, Ramelow abzusetzen. Das habe man jetzt gemacht. Heißt: Wenn die Thüringer CDU ihre Ziele nur mit Hilfe der AfD erreichen kann, macht sie das eben mit Hilfe der AfD.

Der widerwärtigste Dreh kam wieder mal von FDP-Chef Lindner: Nur wenn SPD und CDU im Thüringer Landtag „Totalverweigerung“ gegenüber der Regierung (welcher Regierung eigentlich?) betrieben, müsste es Neuwahlen geben. Der Mann versucht, ähnlich wie bei seiner „Totalverweigerung“ von Regierungsverantwortung auf Bundesebene, wieder, seine dreckigen Schuhe anderen anzuziehen.

Durch die Vorgänge in Thüringen drohe der FDP die Spaltung, mutmaßte am Wahlabend ein ARD-Journalist. Was heißt hier Drohung? Das ist eine Hoffnung, ein Lichtblick, eine Verheißung! Ohne die FDP im Thüringer Landtag hätte es diesen ganzen widerlichen Dreck gar nicht gegeben!

Und: Welcher anständige Liberale möchte eigentlich noch mit solchen Typen in einer Partei sein?

Wer nichts zu verbergen hat…(Teil II)

Von der Naivität beim Umgang mit Daten (Teil II)

  1. Alles nur für Werbung und Bequemlichkeit?

 Dass Werbung wichtig und unerlässlich ist für die Unternehmen, die ihre kapitalistische Überproduktion ja auch verkaufen müssen, bleibt natürlich unbestreitbar. Allerdings muss man sich, gerade wenn man einen etwas arglosen Blick auf die Werbung hat, darüber klar sein, dass es NICHT darum geht, welches Produkt im Konkurrenzkampf um den Kunden gewinnt, sondern darum, die Leute zu andauerndem, nach dem kapitalistischen Credo auch immer anwachsenden Konsum zu erziehen. Da hat man auch keine Skrupel, mitten in die Diskussion um die Umweltverträglichkeit des Wegwerfkonsums Aktionen wie den sog. Black Friday zu starten, bei denen man den Kunden die Lagerinhalte praktisch vor die Füße wirft (pikanterweise am selben Tag, an dem auch weltweit Klimaschutzdemos stattfanden). Bei vielen Menschen ist die Erziehung zum Konsumdeppen schon so weit fortgeschritten, dass die Suche nach neuen Produkten bzw. „Schnäppchen“ im Internet zur täglichen Routine geworden ist.

Dass sich mit Hilfe von gesammelten Daten nicht nur das Konsumverhalten der Menschen beeinflussen lässt, sondern auch deren politische Haltung durch diverse Manipulationsmechanismen, ist inzwischen unbestreitbar. Genutzt werden diese Mechanismen von mehr oder weniger üblen Parteien (vielleicht auch von allen) und vor allem von den großen Plattformbetreibern. Wie wichtig denen das ungestörte Datensammeln ist, konnte man in den letzten Wochen beobachten, wo in ALLEN Medien aberwitzig teuere Good-will-Anzeigen geschaltet wurden, um den Leuten vorzugaukeln, ihre Daten seien bei den Plattformbetreibern gut aufgehoben.

Diese Werbeaktion hat übrigens vor Augen geführt, dass Geld bei diesen Konzernen offensichtlich in unbegrenzter Menge zur Verfügung steht.

Das Großkapital in den USA ist – noch deutlicher als sonstwo – der Auffassung, die Steuerung der Weltläufte selbst in die Hand nehmen zu sollen. Man vermeidet weitestgehend das Zahlen von Steuern und lenkt den Laden lieber selbst mit Hilfe von Stiftungen, Stipendien, Spenden und anderweitigen Geldzahlungen. Das war schon bei Bill Gates Methode. Und auch der hatte bereits Visionen einer netz- und damit kapitalgesteuerten „besseren“ Welt. Warum nimmt eigentlich niemand ernst, wenn Goggle oder der Zuckerberg ihre viel weiter gedachten Weltvisionen ausposaunen? Im Augenblick scheint es lediglich die gegenseitige Konkurrenz zu sein, die sie ausbremst, Kapitalmangel ist es sicher nicht.

Möchte man wirklich in einer Welt leben, die nach den Vorstellungen dieser Konzernherren eingerichtet ist? Philosophie, Ideale, Werte, Nachdenklichkeit usw. haben hier allenfalls eine von oben zugewiesene Rand- bzw. Alibi-Existenz. Der teils hoch gelobte Roman „Der Circle“ von Dave Eggers gibt davon übrigens nur einen reichlich schwachen und auch fehlerhaften Eindruck…).

  1. Den Stecker ziehen?

Es mag viele Leute geben, die die bisherigen Ausführungen für kulturpessimistisch, destruktiv, modernitätsfeindlich halten. Diese seien auf einen letzten Aspekt hingewiesen:

In der Dauerdiskussion um die sogenannte „Künstliche Intelligenz“ wird, meist beim „autonomen Fahren“, als Vorzug besonders bei letzterem genannt, dass damit die größte Fehlerquelle, nämlich der Mensch, ausgeschaltet sei. Dummerweise übersieht man dabei, dass sowohl die Algorithmen als auch die Daten, mit denen die KI arbeitet, von Menschen entworfen bzw. eingegeben werden und somit natürlich auch fehleranfällig sind. Entwickelt man die KI so weit, dass sie wirklich selbst Daten verknüpfen und daraus folgernde „Entscheidungen“ treffen kann, ist die Gefahr gar nicht so gering, dass diese auf Basis fehlerhafter, vom Menschen eingegebener Prämissen stattfinden. Man muss schon arg katholisch sein um zu glauben, dass im Fall so entstehender katastrophaler Fehlentscheidungen jemand in der Lage wäre, rechtzeitig den Fehler zu entdecken und einen resultierenden verhängnisvollen Prozess zu stoppen. Da hälfe wohl nur noch, den Stecker zu ziehen.

Wird aber nicht gehen. Je mehr Abläufe – von der Heizungssteuerung über die Versorgung mit Lebensmitteln, die Fahrpläne der Bahn bis hin zur Einsatzbereitschaft von Waffensystemen – vom Auswerten vernetzter gesammelter Daten abhängig sind, desto unmöglicher wird es werden, genau diesen Datenfluss zu unterbrechen. Der Kollaps aller Systeme, auf denen die technisierte Welt beruht, wäre die Folge.

Reichlich naiv haben wir zugesehen, wie uns dieser Stecker, den es eventuell zu ziehen gälte, längst genommen wurde.

 

 

 

Wer nichts zu verbergen hat… (Teil I)

Von der Naivität beim Umgang mit Daten (Teil I)

Vorbemerkung: Beim folgenden Blogbeitrag handelt es sich eigentlich weniger um einen solchen, als vielmehr um eine kleine Abhandlung. Diese am Bildschirm zu lesen ist mühsam, und viele Menschen sind es ohnehin nicht mehr gewohnt, lange Texte am Stück zu lesen. Vor dem benutzten Medium kapitulierend wird der Text deshalb in zwei Beiträge aufgeteilt.

Zum Überblick hier eine Grobgliederung:

Teil I

  1. Wer nichts zu verbergen hat…
  2. Exponentielles Wachstum der gesammelten Daten

Teil II

  1. Alles nur für Werbung und Bequemlichkeit?
  2. Den Stecker ziehen?

 

  1. Wer nichts zu verbergen hat…

Um gleich mit der Tür ins Haus zu fallen: Die Vorstellung, wer nichts zu verbergen habe, habe auch nichts zu befürchten, wenn Informationen über ihn gesammelt würden, ist gleich die dümmste:

Niemand kann vorhersehen, für wen wann welche Daten interessant sein können. Selbst den kuriosen Fall unterstellt, das jemand noch nie gegen irgendein Gesetz verstoßen hat, ja, mit unseren Staatswesen dermaßen einverstanden ist, dass er kritische politische Äußerungen oder gar Demonstrationen für absolut unnötig hält:

Ist schon mal eine kritische Äußerung gegen Monsanto durchgerutscht? Man weiß inzwischen, dass dieser Konzern Listen anlegt mit all seinen Kritikern. Im besten Fall will er sie bestechen. Wahrscheinlicher ist, dass er sie zu gegebenem Zeitpunkt mit Repressionen überziehen wird, wenn sein politischer und gesellschaftlicher Einfluss das ermöglicht.

Schon mal näheren Kontakt oder gar ein Verhältnis mit äh, nicht ganz weißen Menschen gehabt? AfD-Politiker drohen heute schon damit, sie würden, wenn sie an der Macht sind, „abrechnen“ mit ihren Kritikern und mit Leuten, die „dem deutschen Volk schaden“, wozu nach Auffassung etlicher führender AfD-Leute auch Menschen gehören, die nichts von „Rassereinheit“ halten. Sollte die AfD tatsächlich an die Macht kommen (und wer kann das heute schon ausschließen?), stehen ihr dazu umfangreiche Datensammlungen (später dazu mehr) zur Verfügung.

Und wer weiß schon, ob er nicht mal zur falschen Zeit am falschen Ort gewesen ist – wen auch immer das interessieren könnte?

  1. Exponentielles Wachstum der gesammelten Daten

Daten über Menschen wurden schon immer gesammelt, auch in vordigitaler Zeit. Allerdings war es da für z.B. Polizei und Verfassungsschutz wesentlich mühsamer als heute: Demonstranten musste man mit einem Großaufgebot von Überwachungspersonal fotografieren, Unterschriftenlisten analog auswerten. Dass man die Mühe nicht gescheut hat, zeigen die vielen Fälle, bei denen Menschen, die (Anfang der 70er Jahre) nichts anderes gemacht hatten, als gegen den Vietnamkrieg zu demonstrieren und Protestlisten zu unterschreiben, plötzlich wegen des „Radikalenerlasses“ für den öffentlichen Dienst zu einer Befragung bezüglich ihrer Verfassungstreue gebeten wurden.

Eine (durchaus nicht vollständige) Auflistung soll verdeutlichen, in welchem Ausmaß seitdem die Datensammelei geradezu explodiert ist:

Natürlich werden die Daten, die man bei diesen nervigen Kundenkarten oder bei sog. Gewinnspielen preisgibt, gesammelt und (was niemand kontrollieren kann) oft auch weiterverkauft. Übrigens dürfen, wenn man nicht schriftlich Widerspruch einlegt, sogar die staatlichen Einwohnermeldeämter ihre Daten an alle möglichen „Interessenten“ verkaufen.

Darüber, dass man beim Bezahlen mit Kreditkarte nicht nur seine Konsumgewohnheiten offenlegt, sondern auch die Voraussetzung schafft für ziemlich präzise Bewegungsprofile (Wer hat wann wo eingekauft? Welche Reisen hat er unternommen? Wann war z.B. der Verdächtige zum letzten Mal in Kuba??), sollte man sich im Klaren sein.

Mit jeder besuchten Website, die einem eine Registrierung abverlangt, liefert man ein Bausteinchen für eine riesige Datensammlung. Weitaus ergiebiger sind natürlich die diversen „sozialen“ Plattformen, die ihren Nutzern privateste Informationen entlocken.

Ganz neue Dimensionen allerdings entstehen durch die jüngsten Entwicklungen und Tendenzen:

Zum Beispiel bei den Datenstaubsaugern, die einem, so hört man, das Leben bequemer machen sollen. Der angeblich intelligente Stromzähler informiert Wenauchimmer im Minutentakt, wann in welcher Wohnung auffällig viel Strom verbraucht wird. Werauchimmer wird genauestens informiert, ob man es in der Wohnung gerne kuschelig warm hat, ob man lieber duscht (eventuell sogar mehrmals täglich??) oder in die Badewanne steigt, wann man zu Bett gehen pflegt usw. Die untereinander kommunizierenden Küchengeräte funktionieren nur, wenn sie beständig Daten sammeln und weitergeben. Von hier aus bis zur Überwachung gewünschten Verhaltens ist nur ein kleiner Schritt. Man kann sich schon drauf freuen, dass man von den Stadtwerken (oder gleich von der Waschmaschine selbst) angemault wird, weil man sich zur falschen Zeit um seine Dreckwäsche gekümmert hat. Diesen Schritt sind einige Autoversicherer bereits gegangen. Mit Hilfe der sog. Telematik können Fahrer ihr Fahrverhalten überwachen lassen, um gegebenenfalls Rabatte eingeräumt zu bekommen. Natürlich könnte diese Überwachung auch ganz anderen Zwecken dienen.

Dass Amazon über Alexa genauestens über den Musikgeschmack Bescheid weiß, mag man für lässlich halten. Dass man damit auch Wohnzimmergespräche abhören kann und dies auch tatsächlich tut, war doch bisher eher Stasi oder Putin. Wie praktisch: Mühseliges Verwanzen von Wohnungen erübrigt sich. Was der von Amazon erstaunlich stolz gepriesene Ausschalter für das Alexa-Mikrofon wirklich macht bzw. wie leicht er manipulierbar ist, weiß man nicht.

Und welche Ausmaße Überwachungsmechanismen annehmen können beim sog. „autonomen Fahren“, mag man sich gar nicht ausmalen.

Wo immer Begrifflichkeiten im wahrsten Sinne des Wortes besonders wolkig werden, sollte man aufhorchen: Moderne Internetnutzer speichern ihre Daten (und zwar alle) in der „Cloud“. Diese ist allerdings nicht irgendwas in unerreichbaren Höhen Herumwaberndes, sondern besteht aus einer Anhäufung von höchst irdischen Datenspeichern in den Händen privater Unternehmen.

Es gibt aber doch, muss man hier natürlich einwenden, jede Menge Gesetze, die durch vorgeschriebenes Löschen von Daten deren Missbrauch verhindern sollen. So werden die sog. sozialen Plattformen immer wieder verpflichtet, einen Teil der gesammelten Daten auf ausdrücklichen Wunsch der Kunden hin zu löschen – sehr erfolglos, wie man regelmäßig erfahren kann. Denn eine Firma, deren Geschäftsmodell angeblich darain besteht, Daten zu sammeln und zu verkaufen, hat natürlich kein Interesse, irgendwas aus der Sammlung zu entfernen. So wurde bekannt, dass Facebook einen illegalen Datenbestand zur Tochter Instagram verschoben hat – bis das aufgeflogen ist. Wo die Daten jetzt sind, weiß keiner außer Zuckerberg– gesegnet sei die „cloud“. Illegale Datenbestände werden übrigens immer nur durch Aktivitäten betroffener Menschen öffentlich. Der Staat selbst zeigt wenig bis kein Interesse, dieser Form von Kriminalität nachzuspüren – gehört er doch selbst zu den eifrigsten Datensammlern.

(Teil II folgt)

 

Annekanone Krampfkarren

Mit Recht wird der AfD vorgeworfen, politisch die Grenzen des Sagbaren zu verschieben. Das bürgerliche Lager allerdings hält sich damit gar nicht erst auf, es verschiebt lieber gleich Inhalte – und kaschiert dies durch verlogene Euphemismen:

Deutschland müsse mehr „weltpolitische Verantwortung“ übernehmen, meint die Noch – CDU – Vorsitzende Kramp-Karrenbauer, und dabei auch „das Spektrum militärischer Mittel ausschöpfen“. Von der Notwendigkeit „robuster Militäreinsätze“ faselt eine Kommentatorin der Mainpost.

Gemeint ist: Wir werden der Welt unsere Macht demonstrieren – und zwar durch Krieg.

Die spannendste Begründung, die dem Kanonenhirnchen für ihre Forderung einfällt, ist die „Größe“ Deutschlands. So betrachtet müsste China ja nun wirklich in alle Ecken der Welt Militär schicken, um seiner „Verantwortung“ gerecht zu werden. Warum hört man davon nichts? Könnte das daran liegen, dass die Chinesen längst begriffen haben, dass es im 21. Jahrhundert weitaus elegantere Methoden gibt, seine Macht auszuweiten als Kanonendonner? Vielleicht ist den Chinesen auch aufgefallen, dass im letzten halben Jahrhundert „robuste Einsätze“ überall auf der Welt die Probleme nur verschlimmert statt vermindert haben?

Dass eine kapitalistische Nation „mit globale(m) Interesse“, wie Annekanone schön ehrlich formuliert, Probleme mit Piraten hat, ist einleuchtend. Aber sollten für Raub in internationalen Gewässern nicht internationale Polizeieinheiten zuständig sein statt einiger Nationen, die ihren Expansionsdrang als „Verantwortung“ verkaufen?

Vielleicht hat die Annegret, die doch als Ministerpräsidentin des Saarlands so passend aufgehoben war, auch einmal ein Geschichtsbuch gelesen und ist dabei auf den amerikanischen Senator Beveridge gestoßen, der schon im Jahr 1898 gänzlich unkaschiert erklärt hat, dass die amerikanischen Handelsschiffe Kriegsschiffe zum Schutz bräuchten, die man dann aber praktischerweise auch gleich zum Okkupieren der Noch-Handelspartner einsetzen könnte…

Früher zettelten amerikanische Präsidenten, wenn sie innenpolitisch in Schwierigkeiten waren, gerne Kriege an, um „die Nation hinter sich zu einen“. Der derzeitige hat als Wahlkampfgag beschlossen, amerikanische Truppen aus den Krisenregionen der Welt zurückzuziehen.

Früher fanden es deutsche Politiker aus guten Gründen für unpassend, der Welt mit deutschem Militär zu drohen. Die derzeitige Verteidigungsministerin macht genau dies, weil, ja weil ihr innenpolitischer Karren ganz fürchterlich im Dreck steckt.

Eine gänzlich bescheuerte Idee…

Die Durchsetzungs-Welt

Es ist schwierig festzustellen, wann das alles eigentlich begonnen hat.

War es in den neunziger Jahren, als der angeblich sozialdemokratische Bundeskanzler Schröder sich den Begehrlichkeiten der Wirtschaft in außergewöhnlichem Maße ergab und sich in Deutschland eine Stimmung breitmachte, die dem britischen Brutalo-Liberalismus des 19. Jahrhunderts immer näher zu kommen schien?

Hinfort galt die dümmlich Formulierung von der „Ich-AG“, was nichts anderes bedeutete, als dass jeder seines Glückes Schmied sei, wenn er nur seine Interessen möglichst skrupellos gegen andere durchsetze. Muster-Ich-AG war der Zigarrengerd selbst, war er für sich selbst doch die Gesellschaft, mit der er uneingeschränkt glücklich war.

Dass dabei sozial Schwache ans Harz IV–Messer geliefert wurden, ist ja nur folgerichtig.

Auch in der familiären Erziehung gewann die Vorstellung Oberhand, der Nachwuchs müsse sich in erster Linie durchsetzen, was dazu führte, dass Eltern (der Autor verbürgt sich dafür, das Folgende leibhaftig erlebt zu haben) ihre Kinder am ersten Schultag in der vor der noch verschlossenen Klassenzimmertür wartenden Gruppe aufforderten, sich „vorzudrängeln“, damit sie sich „einen guten Platz“ sichern könnten.

Falls den Sprösslingen im Verlauf der weiteren Schulkarriere die intellektuelle Durchsetzungskraft fehlte, um erfolgreich zu sein, wurde verstärkt versucht, den schulischen „Erfolg“ mit juristischen Mitteln durchzusetzen. Mit Klagen und Rechtsanwälten drohten dabei natürlich nur die Betroffenen der sog. „besseren Gesellschaft“, Unterschicht-Eltern konnten sich diese Schritte in den allerseltesten Fällen leisten.

Angesichts dieser Entwicklungen scheint es angebracht, unsere Gesellschaft wieder mit dem soziologischen Klassenbegriff zu beschreiben.

Auch auf der Straße ist der Klassenkampf längst Alltag. Mit dem selbstverständlichen Recht des Stärkeren beansprucht der SUV-Fahrer eineinhalb Fahrspuren für sich, wobei er das auf deutschen Straßen geltende Rechtsfahrgebot sehr flexibel auslegt. Entgegenkommende Kleinwagen haben sich allerdings an die rechts parkenden Autos zu quetschen und gegebenenfalls auch abzubremsen.

Leider versucht die beiseitegedrängte Klasse nicht, dagegen aufzubegehren, sondern ist, wie meist in der Geschichte, bemüht, das Verhalten des Klassengegners mit den eigenen beschränkten Mitteln nachzuahmen. Die „Ich bin groß, ich bin dick, ich blase meinen Mitmenschen den Zigarettenrauch ins Gesicht, ich bin langsam und laufe grundsätzlich mittig“-Figur auf den städtischen Gehwegen ist dafür ein unschönes Beispiel. Jeder ängstlich ausweichende Entgegenkommende ist für die ein gefeierter Erfolg.

Das Marxsche Basis-Überbau-Modell funktioniert leider auch im Negativen: Die Idee der „Durchsetzungsgesellschaft“ kam vom Überbau, die Basis hat sie überwiegend verinnerlicht und wählt jetzt, ganz dialektisch, entsprechend schlimmere Repräsentanten nach oben.

Trumps „america first“ ist nichts anderes als die Übertragung des Gedankens von der Gesellschaft auf die Politik: Amerika wird sich durchsetzen auf der Welt, Amerika wird der Welt seinen Willen aufzwingen, weil Amerika dazu (vermeintlich) stark genug ist. Dass dabei Millionen von Menschen durch wirtschaftliche und finanzielle Sanktionen gegenüber ihren Staaten ins blanke Elend, nicht selten auch in den Tod getrieben werden, ist diesem Standpunkt herzlich egal.

Beschämend für Europa ist nicht nur, dass man sich Trumps Erpressungen (Wer sich nicht unserem Willen beugt, wird mit Strafen wie z.B. Sonderzöllen gemaßregelt) beugt und bei von den USA befohlenen Boykottmaßnahmen gegenüber Staaten, mit denen Europa eigentlich kein Problem hat, brav mitmacht. Es ist schlimmer: Man demonstriert, das man gerne auch zu denselben Mitteln greift und setzt z.B. einen iranischen Tanker bei Gibraltar fest, weil der angeblich Öl nach Syrien bringen wollte. Dabei hat die EU doch einen Boykott gegenüber Syrien ausgesprochen!

Abgesehen von der Frage, warum ein iranischer Tanker, der nach Syrien will, den interessanten Umweg über Gibraltar nehmen sollte: Seit wann steht ein EU-Beschluss über dem Völkerrecht? Man handelt genauso völkerrechtswidrig wie die USA und benimmt sich damit der Möglichkeit, diese glaubhaft zu kritisieren.

Dass Rassisten in allen Ländern dem amerikanischen Oberrassisten allzu gerne folgen, hat natürlich weniger mit Angst zu tun als mit dem Gedanken, Ausländern zu zeigen, dass man die Macht hat, sie zu unterdrücken und rauszuschmeißen.

Oder Schlimmeres: Wer, wie der amerikanische Präsident, Mexikaner pauschal als Verbrecher und Vergewaltiger bezeichnet und von einer mexikanischen „Invasion“ spricht, ist eindeutig verantwortlich dafür, wenn ein genauso denkender Durchgeknallter die Knarre in die Hand nimmt und die Sache regeln will.

Dann den tief Trauernden zu spielen und aus demselben verlogenen Mund heraus zu erklären, es dürfe in Amerika keine Hassreden geben, ist eigentlich an Gruseligkeit kaum mehr zu überbieten. Nur von der Masse von Doofen, die sich hinstellen und diesem Mordgehilfen Beifall klatschen und unverbrüchliche Gefolgschaft schwören.

Auch hier: Die Herrschenden zeigen, dass sie sich durchsetzen und das Volk so blöd halten können, dass es alles, was sie wollen, mitmacht.

Alles nur folgerichtig.

Zum Fälschen zu faul

Als die Amerikaner 2003 einen Kriegsgrund gegen den Irak suchten, erfanden sie „Geheimdiensterkenntnisse“ über mobile Chemiewaffenfabriken und legten als „Beweise“ Fotos von solchen LKWs vor. Immerhin hat man sich die Mühe gemacht, die aus Legobausteinen gebastelten Modelle mit einer Plastikfolie zu umhüllen, die bei viel gutem Willen auch als Tarnplane durchgehen konnte.

Inzwischen hält man offensichtlich selbst solche Bemühungen für überflüssig: Als ausreichende Begründung für einen potentiellen Krieg gegen den Iran zeigt man der Welt verschwommene Schwarzweiß-Aufnahmen von einem Boot mit ca. einem Dutzend verschwommenen Menschen, die sich an der Seitenwand eines der angegriffenen Öltanker auf verschwommene Art zu schaffen machen.

Laut Trump handelt es sich dabei um ein Kommando der iranischen Revolutionsgarden, das eine von ihnen angebrachte, aber nicht explodierte Haftmine entfernt hat, weil auf dieser „in Großbuchstaben IRAN“ stünde. Also musste dieses Beweisstück für die Schuld des Iran geborgen werden.

Unerheblich dabei ist, dass die Besatzung des Tankers „Flugobjekte“ gesehen hat, bevor die Explosionen erfolgten. Haftminen schmeißt man nicht gegen Schiffe.

Wesentlich glaubwürdiger erscheint die Vorstellung, dass es sich bei den Leuten im Boot um Besatzungsmitglieder des Öltankers gehandelt hat, die den Schaden inspizieren wollten. Nichts, aber auch gar nichts spricht für die amerikanische Version.

Das hindert die üblichen Speichellecker nicht daran, sich den Vorwürfen anzuschließen: Großbritannien übernimmt sogar den Wortlaut der amerikanischen Verlautbarung und erklärt, es sei „fast“ sicher, dass der Iran an den Anschlägen schuld sei.

Natürlich: Man will doch nach dem großartigen Brexit mit den USA das größte und erfolgreichste Handelsabkommen abschließen, von dem die Welt je gehört hat. Da kann man doch den Irren im Weißen Haus nicht verärgern; ordentlich Arschkriechen ist angesagt.

Polen traut sich noch nicht oder schweigt als Retourkutsche dafür, dass Trump dort nicht so viele Soldaten stationieren will, wie sie sich das wünschen.

Saudi-Arabien ist natürlich begeistert: Man braucht die amerikanische Unterstützung im Kampf um die regionale Vorherrschaft gegen den Iran. Und man braucht die Geschäfte mit den Amerikanern und deren Waffen.

Das Schweigen der Europäischen Union kann man immerhin als heimliches Zähneknirschen interpretieren. Versucht man doch gerade, das Atomabkommen mit dem Iran auch ohne die USA zu retten. Konkrete Maßnahmen dazu einzuleiten traut man sich aber offensichtlich nicht. Besteht Trump auf seiner Version, ist es nur eine Frage der Zeit, bis auch die EU einknickt und sich im Allerwertesten des Präsidenten mit Großbritannien wieder vereint.

Schön wäre, wenn man sich erinnerte: Appeasement-Politik gegen einen gestörten Größenwahnsinnigen ist in der Geschichte schon mal bös danebengegangen.

Gut geordnet, Seehofer!

Es gibt seit dieser Legislaturperiode den fragwürdigen Trend, Gesetze mit wertenden Attributen zu versehen. Ein neues Kita-Gesetz heißt „Gute-Kita-Gesetz“, ein Gesetz zur finanziellen Förderung eines Teils der einkommensschwachen Familien „Starke-Familien-Gesetz“. Das mag verschiedene Gründe haben:

Würde sich die Bild-Zeitung plötzlich „Gute-Bild-Zeitung“ nennen, dürfte man zu Recht davon ausgehen, dass die bisherigen Ausgaben ziemlich bescheuert waren. Ein Restaurant, das eine „Gute-Speisen-Karte“ vorlegt, nährt den Verdacht, dass es auch durchaus nicht gute Speisen anbietet. Was natürlich nicht heißt, dass ein schlechtes Restaurant eine „Mäßige-Speisen-Karte“ aushängen wird.

Will die Regierung, von der ja diese tollen Namen kommen, tatsächlich ausdrücken, dass die bisherige Gesetzgebung eher erbärmlich war? Wohl eher nicht.

Wenn auf einem Volksfest eine Attraktion marktschreierisch als „sensationell gut“ angepriesen wird, darf man normalerweise davon ausgehen, dass man enttäuscht wird. Dennoch funktioniert es: Ein nicht geringer Teil der Volksfestbesucher wird an die Sensation glauben wollen und die Attraktion besuchen.

Das dürfte schon eher dem Anliegen der Bundesregierung ähneln. Man nennt ein Gesetz einfach toll und baut darauf, dass sich die Leute von dem schönen Namen beeindrucken lassen und nicht so genau hinsehen. Das ist Populismus pur und baut, wie jeder Populismus, darauf, dass die Leute blöd sind.

So nimmt es nicht Wunder, dass das übelste Machwerk dieser Sorte aus der Feder Seehofers stammt. Es heißt Geordnete-Rückkehr-Gesetz und konstruiert eine Ordnung, wie sie nur einem Seehofer oder seinen Vorbildern von der AfD einfallen kann:

Es geht nicht, wie der Name lügt, um eine „geordnete Rückkehr“ von irgendwem, es geht einfach um möglichst schnelle und zahlreiche Abschiebungen.

Dazu sollen Menschen unklarer Identität, die „nicht an der Beschaffung eines Passes mitwirken“ – wie immer das auch ein Bürgerkriegsflüchtling aus Libyen machen sollte – in eine sogenannte „Mitwirkungshaft“ genommen werden können. Wer nicht aktiv an seiner Abschiebung mitwirkt, kommt in den Knast.

Das findet Seehofer „geordnet“.

In Ordnung findet er auch, dass entgegen bisheriger (ungeordneter) Gesetzeslage „abschiebungspflichtige“ Menschen in den Knast kommen, in die sog. Abschiebungshaft. Und das in normalen Gefängnissen. Das kann auch Familien mit Kindern betreffen, die finden sich dann im selben Haus interniert wie Mörder und andere Schwerverbrecher.

Wer als ausweisloser nicht bei der eigenen Abschiebung hilft, bekommt nur noch eine eingeschränkte Duldung mit Wohnsitzauflage, Beschäftigungsverbot und gekürzten „Leistungen“. Falls für den Geduldeten nach dem Dublin-Abkommen ein anderer EU-Staat zuständig ist, können „Leistungen“ ganz gestrichen werden.
Es ist erst ein paar Wochen her, dass man mit großem Pomp die 70-jährige Existenz des Grundgesetzes gefeiert hat. Und zu Recht hat man auf die Bedeutung des Satzes „Die Würde des Menschen (und das meint JEDEN Menschen, d.V.) ist unantastbar“ verwiesen. Die Leistungen an Asylbewerber decken nach regierungseigener Definition deren Existenzminimum ab. Jetzt aber ist ein eingeschränktes oder sogar gegen Null laufendes Existenzminimum möglich. Man sollte nicht so dreist sein, eine Verfassung zu feiern, die man gleichzeitig in seinem Gesetz grob missachtet.

Die tiefere Ordnung in diesem Gesetz erschließt sich beim zweiten Lesen:
Die „Person unklarer Identität“ bekommt die Leistungen gekürzt oder gestrichen. Notwendigerweise wird dies zu einer deutlichen Zunahme von Diebstählen oder Raub durch Asylbewerber führen, anders kommen sie ja (Beschäftigungsverbot!) nicht mehr an Essen. Schon sind sie Straftäter und sofort zur Abschiebung freigegeben.

Sowas nennt der christliche Innenminister „geordnete Rückkehr“.

Seehofer schamlos.

Und die SPD stimmt zu.

Entschuldigung

Es ist einfach unverzeihlich: Wie kann man in einem Blogbeitrag zur sog. „Klimawahl“ IHN einfach unerwähnt lassen, Dobrindt, den Landesgruppenvorsitzenden der CSU im Bundestag. Dabei hat der als einziger nicht nur geredet oder mit zig unumsetzbaren Vorschlägen gewedelt, er hat längst gehandelt. Umsichtig, vorausschauend, entschlossen.

DU hast, verehrter Landesgruppenführer, als dir irgendwelche Ignoranten vom SPIEGEL vorhielten, DU hättest selbst doch noch gar nichts zum Umweltschutz beigetragen, mit stolzgeschwellter Brust (soweit deine immer ein bisschen zu engen Sakkos das zulassen), kundgetan, dass DU, nein dass ihr, also dass sie auf DEINE Initiative hin einen ganz entscheidenden Schritt zur Klimarettung nicht nur diskutiert, sondern sogar schon beschlossen hätten (sicher meinst du die Abgeordneten im Bundestag). Auf DEINE Initiative hin, wohlgemerkt. Während Scheuer noch an seinem 41. Vorschlag bastelte und Söder im Englischen Garten die Bienen zählte, hast DU, nein, habt ihr im Bundestag beschlossen,

DIE DIENSTWAGENSTEUER FÜR ELEKTRO- UND HYBRIDFAHRZEUGE ZU HALBEREN!!!

Das ist der Durchbruch.

Für die kleine Minderheit unter den Polplot-Lesern, die noch nicht über einen Dienstwagen verfügen, sei kurz erklärt:
Bekommt ein Mensch von seinem Arbeitgeber einen Dienstwagen gestellt, den er auch privat nutzen darf, muss er diese Nutzung als „geldwerten Vorteil“ versteuern, und zwar mit monatlich einem Prozent des Listenpreises des Autos. Bei einem Preis von 50 000 Euro werden dem Nutzer also 500 Euro auf sein zu versteuerndes Einkommen dazugerechnet.

Früher, vor DIR war das so. Jetzt sollen es nur noch 250 Euro sein, falls der Dienstwagen ein Elektro- oder Hybridauto ist.

Endlich verstehen auch kleinere Geister als DU, wie DU das meinst, wenn DU immer davon sprichst, du wollest nicht mit Verboten, sondern mit Anreizen den Bürger zu mehr Umweltschutz bewegen:

Arbeitgeber sollen angereizt werden, ihren Arbeitnehmern in Zukunft teuere Elektroautos als Dienstwagen hinzustellen, damit diese dann nur noch halb so viel Steuern dafür bezahlen müssen.

Aber natürlich fällt DIR auf, dass es das allein noch nicht sein kann, DU denkst längst weiter. Dieser Anreiz würde auch dafür sorgen, „zügig einen breiten Gebrauchtwagenmarkt für E-Fahrzeuge zu bekommen“. Denn bekanntlich legen Dienstwagenfahrer ihre Modelle recht zügig wieder ab. Das Problem, dass jeder weiß, dass Batterien auch einem sehr zügigen Alterungsprozess unterliegen und man E-Fahrzeuge gebraucht kaum loskriegen wird, kann man zurzeit vernachlässigen. Es stellt sich ja erst in ein paar Jahren. Und vielleicht ist es dann wieder kälter.

Geschätzter Gruppenführer! Vor einiger Zeit haben wir hier begeistert DEINE Vorstellung aufgegriffen, dass Soldaten häufiger uniformiert in der Öffentlichkeit auftreten sollten. Als Anreiz dafür hast DU DIR kostenlose Bahnfahrten ausgedacht.

In dem hier ausgewerteten Interview sprichst DU häufig von „Battles“ und „Schlachten“, die es in der Politik auszutragen gelte. Ein Bild, das uns ermutigt, diesbezüglich einen weiteren Anreiz vorzuschlagen: Würde es Deutschlands Ansehen in der Welt nicht auch stärken, wenn Soldaten, die keine passende Bahnverbindung finden, in ihrer Freizeit nicht nur ihre Uniformen, sondern auch ihre Dienstfahrzeuge mehr nutzten? Warum sollen Panzer sinnlos im Kasernenhof verrotten, statt als Dienstpanzer für den Feierabendausflug in die Stadt genutzt zu werden? Vielleicht rüstet die Bundeswehr dann ja zügig auf Elektropanzer um? Vom Gebraucht-E-Panzermarkt ganz zu schweigen…

Damit auch ein steuerlicher Anreiz funktioniert, ist zu berücksichtigen, dass die uniformiert in ihren Panzern durch die Städte streifenden Soldaten ja schon viel für das Ansehen der Bundeswehr- und republik tun. Und dass sie (zumindest so lange sie Zivilistenkarren nicht plattfahren dürfen) mit Parklücken schon etwas Ärger haben werden. Auch, dass der Listenpreis für diese Fahrzeuge eher im gehobenen Segment anzusiedeln ist.

Eine Dienstpanzersteuer von landesüblichen drei bis vier Promille könnte funktionieren, allerdings nur, wenn man bis zur vollständigen Umstellung der Bundeswehr auf E-Panzer Dieselfahrverbote in den Städten strikt verbietet.