Westliche Scheinheiligkeit

Am 30.1. tauchte in der online-Ausgabe der tagesschau eine Meldung auf, dass sich ein russischer milliardenschwerer Oligarch mit vollem Namen als Besitzer von „Putins Palast“ geoutet habe. Der gab an, er wolle auf dem Gelände ein Luxushotel errichten, was (auch wenn man sich des Wahrheitsgehalts natürlich nicht sicher sein kann) angesichts der gesamten Anlage deutlich plausibler erscheint als Nawalnys Geschichte vom Privatpalast [1].

Fast alle westlichen Medien haben diese Meldung geflissentlich übersehen, reagiert hat niemand. Passt einfach nicht, selbst die geschätzte taz spricht weiter unverdrossen von „Putins Palast“.

Stattdessen gibt man unreflektiert weiterhin Nawalnys skurrile Aussagen wieder: Auf den Vorwurf des russischen Gerichts, er habe mehrfach gegen seine Bewährungsauflagen (regelmäßige Meldepflicht) verstoßen, antwortet er, er habe sich nicht bei den Behörden melden können, weil er in Deutschland erst im Koma gelegen habe und dann monatelang krank gewesen sei.

Was er in dieser Zeit konnte, nach eigenen und von den westlichen Medien freudig aufgegriffenen Behauptungen:

  1. Er konnte angeblich mit einem Chef des russischen Geheimdienstes eine Stunde lang telefonieren und dem ein umfassendes Generalgeständnis zum angeblichen Mordanschlag abringen.
  2. Er konnte von Deutschland aus das „Enthüllungsvideo“ organisieren und veröffentlichen.

In den berüchtigten russischen Gefängnissen scheint es übrigens ziemlich liberal zuzugehen. Schließlich konnte Nawalny nach eigenen Aussagen „aus seiner Zelle heraus“ die landesweiten Proteste seiner Anhänger koordinieren…

Vehement fordern westliche Regierungen jetzt die sofortige Freilassung Nawalnys, als würde in Deutschland jemand, der immer wieder zu illegalen Demonstrationen und zum Umsturz aufruft, nicht auch festgenommen. Und wer sich (zu Recht!) über die unverhältnismäßige Härte der russischen Sicherheitsbehörden empört, möge sich immerhin auch an den G20-Gipfel in Hamburg erinnern, als man in Zelten aufgestellte Gitterkäfige mit Festgenommenen vollstopfte. Im Sommer letzten Jahres wurde in einem Prozess wegen einer gewalttätigen Demonstration ein Urteil gefällt. Hier die Berichterstattung des NDR:

Der Hauptangeklagte, ein 24-Jähriger aus Frankreich, bekam eine Haftstrafe von drei Jahren. Ein 26-Jähriger aus Hessen erhielt ein Jahr und fünf Monate Haft auf Bewährung, ein 24-jähriger Hesse eine Bewährungsstrafe von einem Jahr und drei Monaten. Die beiden anderen, zwei Männer aus Hessen im Alter von 20 Jahren, müssen wegen Landfriedensbruchs 20 Arbeitseinsätze zu je sechs Stunden ableisten.
Mit ihrem Urteil enttäusche sie sicher beide Seiten, sagte die Vorsitzende Richterin, sowohl den Staatsanwalt, der deutliche höhere Strafen verlangt hatte, als auch die Verteidigung. Die hatte auf Freispruch für die Männer plädiert. Die Angeklagten waren bei dem vermummten Aufzug am Morgen des 7. Juli 2017 dabei, hatten selbst aber keine Steine geworfen oder Autos angezündet.

Der Hauptangeklagte saß übrigens 16 Monate (!) in Untersuchungshaft.

Ein anderer Mann (eine taz-Leserbriefschreiberin hat darauf hingewiesen) ist übrigens seit knapp 11 Jahren de facto in Haft. Sein „Verbrechen“: Er hat amerikanische Staatsgeheimnisse veröffentlicht, die bereits erfolgte und geplante Kriegsverbrechen der USA beinhalteten. Der offizielle Haftgrund: Julian Assange ist in Schweden zwei Mal Frauen gegenüber übergriffig geworden. Die beiden haben ihn aber, wie eine davon jüngst veröffentlichte, NICHT wegen Vergewaltigung angezeigt (das hat der schwedische Staat dann von sich aus gemacht), sondern lediglich bei der schwedischen Polizei nachgefragt, ob man ihn zu einem HIV-Test zwingen könne. Ein Auslieferungsersuchen der USA, wo ihm eine Strafe zwischen 175 Jahren Haft und Tod droht, wurde zwar abgelehnt, nach einem zwischenzeitlichen Asyl in der britischen Botschaft von Ecuador wurde er im April 2019 von der britischen Polizei inhaftiert.

Haftgrund: Assange habe gegen Kautionsauflagen verstoßen, weil er zu einem früheren Gerichtstermin nicht erschienen war (Wikipedia) – während seines Asyls in der Botschaft (Red.)

Assange sitzt immer noch in Haft.

Von einem empörten Aufschrei der westlichen Regierungen, der Forderung nach sofortiger Freilassung und der Androhung von Sanktionen gegenüber Großbritannien hat man noch nichts gehört.

[1] https://www.tagesschau.de/ausland/asien/putin-palast-nawalny-oligarch-101.html

Klobürsten-Populismus

Kaum ist man den größten Lügenbold des Westens los, scheint ein anderer auszutesten, wieviele Fake-News man der Öffentlichkeit auftischen kann, ohne für verrückt erklärt zu werden.

Der selbsternannte Putin-Vernichter Nawalny hat wieder mal zugeschlagen, mit einer wiederum höchst abenteuerlichen und vor Widersprüchen nur so strotzenden Geschichte: „Ein Palast für Putin“ nennt er sein „Enthüllungsvideo“, das er und „sein Team“ nach eigenen Worten „beschlossen“ hatten, als er noch auf der Intensivstation in Deutschland lag. (Per Zoom-Konferenz von einer deutschen Intensivstation aus?) In dem Video wird ein riesiger Palast gezeigt, den sich Putin angeblich aus Schmiergeldern finanziert habe.

Eines vorweg: Dass es in Russland breitflächig Korruption gibt, ist kaum anzuzweifeln, wenn man sich ansieht, wie viele Multimillionäre nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion in kürzester Zeit aus dem System, das angeblich Eigentum an Produktionsmitteln verboten hat, entstanden sind. Ein Herr Chodorkowsky z.B., der unter Staatschef Jelzin noch Minister für Energie war, war ein paar Jahre später Besitzer eines Energiekonzerns und eines zweistelligen Milliardenbetrags (in Euro gerechnet, versteht sich). Solche sog. Oligarchen aus den früheren Reihen der KPdSU (auch Chodorkowsky war dort Funktionär) entstanden im Rahmen der Privatisierung der Wirtschaft unter Jelzin und auch noch Gorbatschow reihenweise. Dass die sich Paläste bauen und überall auf der Welt mit unglaublichem Protz auftreten, ist ja kaum zu übersehen.

Der ehemalige Kommunist und spätere Multimilliardär Chodorkowsky war später der wohl heftigste Gegner Putins. In diesem Zusammenhang könnte man ja auch mal die Frage aufwerfen, wer eigentlich das „Team Nawalny“, das doch über beträchtliche Mittel zu verfügen scheint, finanziert.

In dem Film (der teilweise von der ARD-Sendung „Weltspiegel“ ausgestrahlt wurde), wird gezeigt, wie eine knallrote Drohne über den besagten Palast fliegt, angeblich um die gezeigten Aufnahmen zu machen. Während später einer der „Zeugen“ aussagt, es herrsche dort Überflug- und strengstes Fotografierverbot, Drohnen würden sofort abgeschossen, ist es dem Team von Nawalny nicht nur gelungen, eine auffällig rote Drohne unbehelligt über das Gelände fliegen zu lassen, sondern diese dabei auch noch zu filmen. Superman Nawalny foppt Putins Sicherheitskräfte halt zu gerne…

Derselbe Zeuge, der sich als Naturschützer ausgibt, erklärt später, der Palast sei mit Haupteingang und Park vom Meer weg in Richtung Land errichtet worden. Auf der Meerseite sei ein dichter Wald, um ihn „zu verstecken“. Ein paar Sätze weiter zeigt er sich „erschüttert“, dass vor dem Gelände, wo früher unberührte Natur gewesen sei, jetzt ein künstlicher Strand und ein Yachthafen angelegt wurden. So blöd können auch nur Putins Helferhelfer sein: Erst einen Wald zum Verstecken anpflanzen und dann davor einen Yachthafen bauen. Laut desselben „Zeugen“ habe „man schon immer gewusst, wer in den Palast einziehen würde“ (er meint Putin). Die Verifizierung dieser Behauptung lässt allerdings noch auf sich warten.

Dann werden jede Menge Prunkzimmer gezeigt, aber auch ein „Spielzimmer“ mit einer Modelleisenbahn sowie ein kompletter Grundriss der Anlage. Nawalny lässt erklären, dass ein Bauunternehmer ihm die Pläne gegeben hätte und Bauarbeiter und Möbelpacker Fotos von den Räumlichkeiten. Ganz schön mutig für Beschäftigte in einer so geheimen Baustelle, dass sogar der Geheimdienst ein Betretungsverbot durchsetzt… Überprüfen lässt sich die Aussage natürlich nicht. Die vielen gezeigten Zimmer hat das „Team Nawalny“ aus diesen Angaben als „virtuelles Modell“ nachgebaut (!). Erinnert sehr an die Strategie des CIA, mit der man Saddam Hussein den Besitz von ABC-Waffen nachweisen wollte mit angeblichen Fotos von fahrenden Fabriken, die in Wahrheit angemalte Modellautos waren. Wer weiß, wer noch alles zum „Team Nawalny“ gehört…

Um die Verruchtheit des angeblichen Bauherren Putin zu unterstreichen, ist die Rede von einer „als Hügel getarnten unterirdischen Eishockeyhalle“. Da hat das „Team Nawalny“ aber die eigenen Bilder nicht gut angeguckt: Zu sehen ist eine Betonhalle mit begrüntem Dach, eingerahmt von mächtigen, ganz und gar nicht getarnten, ja nicht einmal grün angestrichenen Betonwülsten. Vermutlich die übliche Putin-Schlamperei. Schade trotzdem, dass dem Umweltschützer-Zeugen nicht aufgefallen ist, dass Dachbegrünung eigentlich eine ganz gute Idee ist…

In den unendlich vielen Badezimmern gebe es, so Nawalny, Designer-Klobürsten aus Italien, Stückpreis 700 Euro, weswegen jetzt Tausende von Russen mit Klobürsten in der Hand gegen Putin protestieren, statt sich zu fragen, wo Nawalny diese entscheidende politische Information wieder her hat.

Äußerst bewundernswert ist übrigens die Geduld der russischen Sicherheitsbediensteten: In einer Szene ist zu sehen, wie Nawalny, vermeintlich in einem Ämtergebäude stehend, irgendjemandem in die Videokamera spricht, dass „sie“ (gemeint sind die Polizisten) ihn jetzt vermutlich in die Untersuchungshaft brächten. Anschließend darf er seine Anhänger noch auffordern, weiterzukämpfen und keine Angst zu haben. Ein angeblicher Polizist steht solange daneben und blickt betreten auf den Boden.

Das möchte ich mal in Deutschland erleben: Dass ich in einer deutschen Polizeistation per Video zum Umsturz aufrufen darf und die Polizei steht daneben und wartet geduldig, bis ich fertig bin.

Hierzulande wird gerade heftig vor Verschwörungstheoretikern gewarnt und mit leicht gruseligem Schauer auf Trumps Volksaufhetzung verwiesen. Klobürsten-Populist Nawalny wird dagegen als „Held“ gefeiert und bekommt mit seinen Machwerken, in denen nicht eine einzige Aussage einigermaßen glaubwürdig belegt wird, breiten Raum in erschreckend kritiklosen Medien eingeräumt.

Auf die Frage, wie er diesen Umgang mit Nawalny in Deutschland einschätze, antwortet der kluge Friedrich Küppersbusch in „taz“ vom 25.1.:

„Derzeit genügt es, dass er (Nawalny) gegen Putin und der sehr gegen ihn ist (…). Klar, Putins Regime unterstützt vieles, was den Westen destabilisiert. Und wir so?“

Trotz aller aktuellen Verärgerung über die eigentlich geschätzte und bei anderen Themen eher objektive Sendung „Weltspiegel“ hier der Link zum Nachsehen und -lesen:

https://www.daserste.de/information/politik-weltgeschehen/weltspiegel/sendung/weltspiegel-4254.html

CSU – ganz die alte

Zu Zeiten, in denen die CSU in Bayern regelmäßig satte absolute Mehrheiten einfuhr, entwickelten die Funktionsträger dieser Partei eine selbstgefällige Arroganz, die oft in rein autoritäres Verhalten abglitt. Das CSU-Motto lautete: Wir sind gewählt, also haben wir recht. Ein CSU-Minister macht keine Fehler.

Übriggebliebene Repräsentanten dieser Haltung sind Dobrindt und Scheuer, der seine diversen Desaster bei der „Ausländermaut“ mit fassungslos machender Penetranz verteidigt.

In Bayern schien man eine Zeitlang Hoffnung haben zu dürfen, dass sich die CSU zu einer normalen politischen Partei entwickelt. Ministerpräsident Söder nahm mehrmals (obwohl’s ihm natürlich keiner geglaubt hat) das Wort „Demut“ in den Mund (bevor er bei seinen Pressekonferenzen seine Minister neben sich wie Schulbuben Aufstellung nehmen und meist kaum zu Wort kommen ließ).

Ob es die neuen Umfrageergebnisse sind oder die zu Tage tretende Hilflosigkeit angesichts der Pandemie, die den alten Politikertypus bei der CSU und den mitregierenden Freien Wählern, die ja immer noch ein bisschen bayerischer sein wollen als die CSU, wieder hervortreten lassen, ist unklar.

Zwei Beispiele: Trotz längst bekannter Schwächen setzt Schulminister Piazolo weiter auf die hauseigene Lernplattform „Mebis“, verspricht sie zu ertüchtigen und lässt sich allerlei Schabernack einfallen, um sie nutzbar erscheinen zu lassen. Als sich Klagen und Kritik häufen, erklärt er lapidar, die Schulen müssten Mebis ja nicht nutzen, schließlich gäbe es auch andere Plattformen.

Dass sich die Ex-Gesundheitsministerin Huml gegen Kritik und Häme zu wehren verstünde, nachdem sie für den Impfstofftransport im großen Stil Camping-Kühlboxen anschaffen ließ, traute man ihr offensichtlich nicht zu. Schnell wurde sie ausgewechselt gegen einen Mann, der nach Angaben von Parteifreunden ein „Macher“ sei – eine Bezeichnung für einen CSU-Politiker zum Gänsehautkriegen. Prompt ging der neue Macher in die Offensive.

Obwohl einer der weltweit führenden Hersteller von geeigneten Kühlboxen in Bayern produziert, seine Boxen in alle Welt verkauft und dem Gesundheitsministerium zertifizierte Medikamenten-Boxen günstiger als die Camping-Kühler anbot,

obwohl dieser Hersteller deutlich vor dem Einsatz der Huml-Boxen warnt und, nachdem aus vermutlich sehr CSU-spezifischen Gründen die bayerische Regierung bei ihm nicht einkaufen will, sogar das geeignete Produkt eines direkten Konkurrenten empfiehlt,

obwohl der Hersteller der Huml-Boxen selbst erklärt, die bestellten Geräte seien nicht für den Transport von Medikamenten gedacht (weil eher für das Feierabendbier), und er dem Ministerium aus seiner Firma geeignete Boxen angeboten habe, die Huml aber nicht wollte,

obwohl beim Transport mit diesen Boxen rund 1000 Impfdosen vernichtet wurden (nicht durch einen Mangel der Boxen, sondern durch eine unsachgemäße Handhabung eines beigelegten Temperaturkontrollgeräts, wie das Ministerium souverän erklärte)

lässt der neue Gesundheitsminister, „Macher“ Holetschek („Hier im Haus bin jetzt ich der Chef“) erklären, dass die Boxen bislang (!) „einwandfrei funktioniert“ hätten, weshalb er – trotz einhelliger Warnungen aller Fachleute! – keinen Anlass sehe, die Boxen auszutauschen. Geradezu kaltschnäuzig ergänzt er, die Kreise und kreisfreien Städte seien ja nicht verpflichtet, diese Ausstattung zu nutzen und könnten nach eigenem Ermessen eigene Beschaffungen (meint: auf eigene Kosten) tätigen.

Also:

Wenn der bayerische Schulminister sagt, Mebis läuft, dann läuft es. Wer anderer Meinung ist, kann sich ja eigene Software kaufen.

Wenn der bayerische Gesundheitsminister Bierkühler für geeignet hält, empfindliche Impfdosen zu transportieren, dann sind die geeignet. Wer andere möchte, möge sich selber welche kaufen.

Übrigens: Ministerpräsident und Schulminister haben noch vor wenigen Monaten erklärt, Schulen seien sicher, die müsste man nicht schließen. Da ist das verräterische „bislang“ von Holetschek ja schon fast ein Eingeständnis.

Umso unverständlicher und geradezu verantwortungslos, dass man aus purer Rechthaberei auf diesen Freizeitkisten beharrt.

Distanzunterricht auf bayrisch

Mitte Dezember hatte die bayerische Kultuskatastrophe Piazolo noch versprochen, die Lernplattform „Mebis“, deren grundsätzliche Untauglichkeit längst vor der Pandemie erwiesen und auf die auch immer wieder hingewiesen war, über die Weihnachtsferien zu „ertüchtigen“. Das Ergebnis der Ferienaktivitäten ist im Corona-Blog des Bayerischen Rundfunks nachzulesen:

„Dass die von Piazolo angekündigte Ertüchtigung von Mebis wirkt, darauf scheint der Minister aber selbst nicht zu vertrauen. Die Schulen sollen sich gestaffelt nach Zeiten einloggen dürfen. Je nach Schulnummer also um 8:15 Uhr, um 8:30 Uhr und so weiter.“

Hier wird ein Minister zitiert, der mit der Schulpolitik in Bayern beauftragt ist! Wir nehmen ihn ernst:

Obwohl „Mebis“ für alle Schularten konzipiert ist, beschränken wir uns bei der Untersuchung von Piazolos Vorschlag auf die Gymnasien und Fachoberschulen, das reicht:

Wenn sich Schulnummer 1 (das Leibniz-Gymnasium in Altdorf) am Montag um 8.15 Uhr einloggen darf (um 8.00 werden vermutlich erst die Server hochgefahren), kommt Schulnummer 2 (die Schule der Englischen Fräulein in Altötting) um 8.30 Uhr dran. Um halb zehn ist dann auch schon das Max-Reger-Gymnasium in Amberg an der Reihe, abends um 21.30 Uhr dürfen sich die Schüler aus Burgkunstadt (Schulnummer 46) einloggen.

Dann wird geschlafen.

Dienstag um 8.15 Uhr: Kurfürst-Maximilian-Gymnasium (!) Burghausen.

Wenn man den Betrieb täglich bis 21.30 Uhr aufrechterhält, dürfen pro Tag immer ca. 50 Schulen dazustoßen. Das Gymnasium Wolznach (Schulnummer 973) wäre so ungefähr am 2. Februar dabei – die zu erwartenden Abstürze nicht eingeplant.

Am 7.1. erklärte der Minister, er verstehe die ganze Aufregung um „Mebis“ nicht, man könne schließlich ja auch andere Lernplattformen nutzen. Die Schulleiter, die sich darauf verlassen haben, dass die einzige für die Schulen kostenfreie und ohne zusätzlichen Softwareaufwand nutzbare Plattform nach den Ferien wie versprochen funktioniert, werden’s gerne lesen.

Für die hat der Minister einen verblüffenden Vorschlag. Man könne ja auch einfach zum Telefon greifen.

Ein bayerischer Gymnasiallehrer hat im Regelbetrieb pro Tag durchschnittlich 5 Stunden Unterricht in Klassen mit durchschnittlich 27 Schülern. Er unterrichtet also 135 Schüler am Tag. Wenn er mit jedem von denen nur 5 Minuten am Tag sprechen will, ist er 11 Stunden und 15 Minuten beschäftigt, Wählzeiten oder etwa sowas wie Pausen gar nicht eingerechnet. Und jeder Schüler hat den Genuss von 5 Minuten Lehrerkontakt pro Tag.

Oder meint er – modern – Unterricht in Whatsapp-Gruppen mit 27 Schülern? Zuzutrauen ist ihm inzwischen ja selbst das.

„Ich möchte nicht du sein“, sagt Luise Miller in „Kabale und Liebe“ voller Verachtung zu Staatssekretär Wurm.
„Ich möchte nicht bayerischer Lehrer sein – und Schulleiter gleich gar nicht!“, kann man sich da nur mitleidig anschließen.

Wozu der Staat gut ist

Gut ist, wenn der Staat eine vernünftige Schulbildung garantiert und finanziert, weil man ungebildete Dödel heutzutage in fast gar keinem Beruf mehr einsetzen kann.

Schlecht ist, wenn der Staat von Betrieben, die sich weigern, Azubis auszubilden und lieber billige Arbeiter aus dem Ausland anheuern, eine Ausbildungsabgabe verlangt.

Gut ist, wenn der Staat eine vernünftige Infrastruktur wie Straßen, Strom- und Wasserleitungen etc. zur Verfügung stellt.

Schlecht ist, wenn die Unternehmen dieselbe EEG-Umlage nach dem Erneuerbare Energien Gesetz zahlen müssen wie normale Bürger. Deshalb werden sie großteils auch davon befreit.

Gut ist, wenn die Beschäftigten ordentlich Abgaben in die Sozialversicherungen einzahlen.

Schlecht ist, wenn die Besserverdienenden das auch müssen. Deswegen gibt es Beitragsbemessungsgrenzen, die deren Beitragszahlungen deckeln.

Gut ist, wenn der Staat einen großen Teil seiner Einnahmen über die Mehrwertsteuer bei den alltäglichen Warenkäufen finanziert.

Schlecht ist, wenn er versuchen sollte, eine solche Steuer auch auf die Einkäufe von Aktienpaketen zu erheben. Drum lässt er da die Finger davon.

Gut ist, wenn der Staat sich bei Tarifverhandlungen raushält. Denn wenn David gegen Goliath Krieg führt, gewinnt außerhalb der Bibel immer Goliath.

Schlecht ist, wenn der Staat dem David eine Steinschleuder (das Streikrecht) erlaubt. Deshalb muss er dem Goliath zum Ausgleich eine Pistole (die Aussperrung) genehmigen.

Gut ist, wenn der Staat das Eigentum und das Erbrecht gewährleistet.

Schlecht ist, wenn er darauf angemessene Steuern erhebt. Deshalb lässt er es auch.

Gut ist, wenn der Staat das Gesundheitswesen privatisiert, weil dann wieder ein paar Unternehmer daran dick verdienen können.

Schlecht ist, wenn er erwartet, dass diese genügend Pfleger einstellen, weil das ja den Gewinn schmälert.

Diese Liste ließe sich fast endlos fortsetzen. Jetzt ist dem Arbeitgeberpräsidenten Rainer Dulger aber eine Verfassungslücke aufgefallen, die es schleunigst zu füllen gilt. Er stellt fest, dass die Menschen immer älter werden.
Gut fände er deshalb, dass die Arbeiter länger arbeiten, weil sonst angeblich die Rente nicht mehr finanzierbar wäre.
Jetzt können aber viele Menschen in vielen Berufen einfach nicht bis 70 arbeiten, weil sie dann zum Beispiel vom Baugerüst fallen. Deshalb könnten im bisherigen Rentensystem, an dem man aus Gründen nicht rütteln will, die Beiträge steigen, die die Unternehmer zur Hälfte mitfinanzieren müssen.
Das fände Herr Dulger richtig schlecht.
Gut fände er deshalb, dass man in die Verfassung (!) schreibt, dass die Sozialversicherungsbeiträge nie über 40% der Bruttoeinkommen steigen dürfen. Wenn dann das Geld z.B. in der Rentenversicherung nicht mehr reicht, könnte man die Beiträge nicht mehr erhöhen. Dann müsste man die Rente kürzen.
Gut wäre das, findet der Arbeitgeberpräsident.

Sterben auf Teufel komm raus

Irgendwann haben die Lobbyverbände begriffen, dass sie nur das Maul weit genug aufreißen müssen, dann kommt der Staat schon und stopft reichlich Euro-Scheine rein. Was fast zwangsläufig dazu führt, dass jeder, aber auch wirklich jeder Verband nach Staatshilfen rufen muss, sonst stünde er bei seinen Mitgliedern ja als Versager oder als nutzlos da.

Ziemlich abstoßend ist in diesem Zusammenhang der inflationäre Gebrauch des Wortes „sterben“, um auf seine Notlage hinzuweisen:

Das Hotel- und Gaststättengewerbe stirbt schon seit März, und mit ihm z.B. die „bayerische Wirtshauskultur“. Unbestritten: Es wird Pleiten geben und schwere finanzielle Einbußen, es werden wirtschaftliche Existenzen zugrunde gehen. Aber es würde auch ohne staatliche Hilfe nach der Pandemie wieder Hotels und Wirtshäuser geben. Und die Besitzer von insolventen Betrieben dürften einigermaßen kommod weiterleben.

Am 28. 12. wird in der taz auf einer Seite gleich zwei Mal gestorben: Da sterben „das Theater und die Oper“ (als würde nach Corona niemand jemals mehr auf die Idee kommen, Theater oder Opernhäuser wieder in Betrieb zu nehmen), ein Kurator erklärt, dass die Visa-Pflicht bei seinen vielen Reisen zwischen verschiedenen Kontinenten ihn „umbringen“ wird. Ich kann ihm fast sicher versprechen: Wird sie nicht. Da müsste schon wer anders Hand anlegen.

Der Einzelhandel stirbt während der Lockdowns auch regelmäßig. Dabei kann man ruhig sein linkes Ohr drauf setzen, dass es auch ohne staatliche Hilfe nach der Seuche wieder Geschäfte zum Einkaufen geben wird. Das weiß der Einzelhandel natürlich auch, weswegen er sicherheitshalber draufsetzt:

„Unsere“ Innenstädte sterben. Für die Einzelhandelslobby sind Innenstädte dann tot, wenn sich die potentiellen Kunden nicht durch Straßen und Geschäfte drängeln. Dieses „Sterben“ hat aber längst vor Corona eingesetzt: In den deutschen Innenstädten gibt es statt „lebendiger“ Vielfalt doch längst die identische Aneinanderreihung von Filialen derselben Klamottenketten, Großbäckereien und Telefongeschäften. Diese Ödnis ist nicht neu und die wird sich durch Corona auch nicht ändern. Inhabergeführte Geschäfte sind doch wegen der horrenden Mieten längst rausgeflogen aus den Städten. Und wären Innenstädte wirklich toter, wenn man sie statt nur zum Gewerbe auch wieder zum Wohnen, zum Leben, zum Spielen, zum Kaffeetrinken nutzen könnte?

Aber vermutlich wird es nach Corona auch keine Cafés mehr geben, kein Eis und noch nicht mal nen Fischmac. Alles tot.

Wenn jemand mit der Drohung, sonst stürbe alles, jetzt die Öffnung von Geschäften, Theatern, Konzertsälen fordert, sagt er nichts anderes, als dass ihm sein Betrieb wichtiger ist als das Leben derer, die sich unter solchen Umständen mit großer Wahrscheinlichkeit und vielleicht auch lebensbedrohlich anstecken.

Die, die dann in deutlich größerer Zahl auf den Intensivstationen sterben, sterben übrigens wirklich. Und es gibt begründeten Anlass zur Vermutung, dass die nicht wiederauferstehen werden.

Krawalny dreht durch

Nicht nur Liebe macht blind, auch Hass. Anders ist kaum zu erklären, wie bereitwillig die westlichen Medien die Räubergeschichten von Herrn Nawalny aufgreifen und weiterverbreiten. Spätestens seit dieser dem SPIEGEL ein Foto mit sorgfältig ausgemaltem grünen Gesicht (Augen und Haaransatz säuberlich ausgespart) als „Beleg“ dafür übergeben hat, dass er von Gegnern mit grüner Farbe „bespritzt“ worden sei (vgl. die Beiträge vom 8. und 14. September), sollte doch bekannt sein, dass dieser Herr ein ähnliches Verhältnis zur Wahrheit hat wie Donald Trump. Auch der Größenwahn der beiden scheint vergleichbar.

Nawalny tönt, gleich „mehrere Generale“ verschiedener Geheimdienste seien auf ihn angesetzt worden. Und die seien dazu von Putin persönlich beauftragt worden.

Dann lässt er großmundig verbreiten, er habe zusammen mit westlichen Medien seine „Mörder“ enttarnt. Festgestellt hat man allerdings lediglich, dass er wahrscheinlich von mehreren Agenten des Geheimdienstes FSB rund um die Uhr überwacht wurde. Ist das eine überraschende Erkenntnis bei einem Mann, der selbst sagt, er wolle Putin und seine Gefolgschaft „beseitigen“ und dabei auch die Zusammenarbeit mit rechtsextremen Gruppierungen nicht scheut?

Und jetzt diese Geschichte mit dem angeblichen Geständnis-Telefonat („eine simple Telefonfalle“, wie die MAINPOST genüsslich schreibt).

Wir haben uns hier ja schon daran gewöhnt, dass die russischen Agenten dumm wie trocken Brot sind und ständig scheitern mit ihren Mordplänen.

Jetzt sollen wir tatsächlich glauben, dass sie eine Dreiviertelstunde lang geheimste Informationen am Telefon ausplaudern, bloß weil sich da am anderen Ende einer als „Assistent des Chefs des russischen Sicherheitsrats“ ausgibt? Man sieht den Profi-Agenten förmlich schlottern vor Angst angesichts dieses Titels, so dass ihm sämtliche Sicherheitsbedenken ins Höschen rutschen und er ganz vergisst, dass man ja mal überprüfen könnte, wo der Anruf herkam (aus Deutschland nämlich). Zur Beruhigung hat er dann schnell ein paar Wodkas gekippt, weshalb er immer redseliger geworden ist und alles, aber auch wirklich jedes Detail ausgeplaudert hat. Tja, so sind sie, die russischen Agenten, auf die der ewige Putin seine Macht stützt.

Wer geht da eigentlich wem ständig in die Falle?

Gauland, Aiwanger und co.

Die Zahl der Corona-Todesfälle steigt auf Rekordhöhen, die Infektionszahlen verharren auf viel zu hohem Niveau mit neuerlich wieder wachsender Tendenz, die Intensivstationen der Krankenhäuser sind bedrohlich voll.

Bemerkenswert ist die Reaktion der deutschen Rechtsparteien auf diese Situation:

Auf die AfD als rechtsradikaler Partei ist am meisten Verlass: In guter alter rechter Tradition (DVU, Republikaner, NPD) hat man alle Hände voll zu tun, sich selbst zu zerlegen: Man brüllt sich auf Parteitagen an, überzieht sich gegenseitig mit Strafanzeigen und bricht sich zur Begrüßung auch schon mal die Rippen. Gut so. Die Existenz des Covid-Virus wird einfach geleugnet; dabei hat jüngst eine Studie gezeigt, dass die Infektionszahlen z.B. in Sachsen dort horrend hoch sind, wo auch der Anteil der AfD-Stimmen bei Wahlen horrend hoch ist, Maskenverweigerer halt.

Hotel-Politiker Lindner von der FDP wandert von Talkshow zu Talkshow und fordert vehement die Öffnung von Hotels, Gastronomie und Skipisten, weil man sich dort angeblich ja nicht anstecke. Es reiche, die „vulnerablen Gruppen“, also die Alten und Vorerkrankten zu schützen. Er will immer noch nicht begreifen, dass es vor allem um den Betrieb zur Erreichung dieser Freizeit-Einrichtungen geht, um Tankstellen, Autobahnraststätten, um das Gedrängel vor den Skiliften. Da muss man gar nicht bis auf die Piste oder bis ins Hotel kommen, um sich dort vielleicht tatsächlich nicht anzustecken. Dass die „vulnerablen Gruppen“ 27 Millionen Menschen sind, die man nicht einfach wegsperren kann, leuchtet ihm offenbar nicht ein, auch nicht das Argument, das von ALLEN wissenschaftlichen Institutionen angeführt wird, nämlich dass man die Alten und Gefährdeten nur dadurch wirksam schützen könne, indem man die Infektionszahlen generell deutlich reduziert.

Die Zahl der Corona-Todesfälle steigt auf Rekordhöhen, die Infektionszahlen verharren auf viel zu hohem Niveau mit neuerlich wieder wachsender Tendenz, die Intensivstationen der Krankenhäuser sind bedrohlich voll.

Und was fällt dem Freie-Wähler-Vorsitzenden Aiwanger dazu ein? Er fordert „einen konkreten Fahrplan für Lockerungen“ (alle Zitate nach „Mainpost“ vom 5.12.). Die Lage sei jetzt wieder beherrschbar, deshalb brauche es jetzt einen „Öffnungsplan für Gastronomie, Hotellerie und auch die Skibranche“. Bei deutlich über 20 000 Neuinfektionen und knapp 500 Toten pro Tag hält er die „zweite Welle“ für „längst gebrochen“. Was ist das Motiv dieser offensichtlich wissentlichen Realitätsleugnung?
Aiwanger hatte von Anfang an in dieser schwarz-gelben Koalition in Bayern ein Profilierungsproblem, war es allerdings am lautesten selbst, der für einen Eintritt in die Regierung von Markus Breitbein Söder warb – wo er ständig wie ein Schulbub daneben stand. Allerdings auch, weil seine Beiträge über das Niveau eines Schulbuben selten hinausgingen. Entwischt ihm einmal eine grundsätzliche politische Aussage, ist die meist im äußerst rechtsreaktionären Spektrum anzusiedeln („Bayern und Deutschland wären sicherer, wenn jeder anständige Mann und jede anständige Frau ein Messer in der Tasche haben dürfte“). Als Ansammlung von ehemaligen Ex-CSUlern, Bayern- und Bauernparteilern sind auch die Freie-Wähler-Mitglieder überwiegend einer erzkonservativen Gesinnung.

Die Übereinstimmung der drei Parteien, letztlich gipfelnd in der Leugnung einer Gefahr durch das Corona-Virus, ist nicht zufällig. Alle drei sinken derzeit in der Wählergunst. Keine der drei Parteien hat irgendeinen Programmpunkt, mit dem man gemäßigte Wähler in größerer Zahl ansprechen könnte. Allen dreien wohnt ein kräftiger populistischer Zug inne.

Und so rangeln alle drei in konformer Widerlichkeit um ein Stück von dem Kuchen, der aus dem braunen Hefeteig der Querdenker-Sekte zu entstehen droht. Und gehen dabei nicht nur sprichwörtlich über Leichen.

Bleibt an Bord, Ratten!

Schiffsratten lassen es sich meistens gut gehen: Sie finden immer und fast überall zu fressen, schmarotzen sich so durch. Und sie haben angeblich ein untrügliches Gespür dafür, wenn es mit dem Schiff zu Ende, wenn es untergeht. Dann verlassen sie laut Sprichwort das sinkende Schiff, gehen ins Wasser, bevor es zu spät ist und suchen sich ein neues Schiff.

Eigentlich nachvollziehbar und vernünftig – wenn man eine Ratte ist.

Was aber, wenn man als Ratte nicht nur vom Schiff und seinem Kapitän schmarotzt hat, sondern ihn auch noch jahrelang gepriesen hat als den größten Schiffsführer und Rattenernährer aller Zeiten und ihm versprochen hat, man werde das Schiff bis zum letzten Nagezahn verteidigen, jedes Leck unverzüglich stopfen?

Dann zeigt man eben, dass man eine Ratte der allerübelsten Art ist, verlässt das sinkende Schiff natürlich trotzdem, nicht ohne vorher noch einmal in die Kapitänskajüte geschissen zu haben.

Etliche prominente Republikaner sind sich offensichtlich noch nicht so recht sicher, ob Trumps Niederlage tatsächlich unabwendbar ist und verstecken sich einstweilen in den hintersten Schiffswinkeln: Undenkbar, wenn der Alte das Boot doch noch einmal flott kriegen sollte und sie ihm aber schon in die Kabine geschissen hätten. Verfolgung, Erniedrigung, Rausschmiss! Man wird schon rechtzeitig mitkriegen, wann man tatsächlich ins Wasser springen muss.

Andere, deren Informationen offensichtlich den Schluss zulassen, dass das Schiff tatsächlich nicht mehr zu retten ist, gehen den oben beschriebenen Weg:

Vier lange Jahre lang haben sie dem Präsidenten die Stiefel geleckt, haben sie sich von ihm beleidigen, beschimpfen, feuern lassen und standen doch in Treue fest. Seit klar ist, dass der Alte ihnen nicht mehr viel antun kann, erwächst ihnen großer Heldenmut: Sie weisen Trumps wirre Äußerungen als Lügen zurück (jetzt!), sie erklären, er schade der Sache der Republikaner (jetzt!), sie fordern ihn zu einem würdevollen Abgang auf (jetzt!).

Fernsehsender, die Trump stundenlang Sendezeit eingeräumt haben, um seine aberwitzigen Lügen zu verbreiten, spielen (jetzt!) die tapferen Demokratieretter und drehen ihm den Saft ab. Und hinterlassen (darin Trump erschreckend ähnlich) noch einen Haufen Dreck: Sie sähen ihn „wie eine fette Schildkröte, die in der heißen Sonne auf dem Rücken liegt und um sich schlägt, weil er realisiert, dass seine Zeit vorbei ist“, wird ein Journalist zitiert.

Nein, nein, liebe Republikaner und Speichellecker: Das kommt jetzt wirklich zu spät. Wenn ihr wenigstens einen Hauch von Rattenehre im Leib habt: Bleibt an Bord und geht mit unter!

Die Schulen als letztes…

Eine kurze Pandemiezeitlang konnte man sich als Pädagoge verwundert die Augen reiben: Was genoss Schule plötzlich für eine Wertschätzung in der Gesellschaft! Selbst SPIEGEL-Redakteure, deren Blick auf die Schule bislang stets durch Verachtung oder nachhaltig verletzte Schülerseelchen geprägt war, ergingen sich in Lobeshymnen.

So auch jetzt: Bars und Gaststätten sind zu, sogar Theater dürfen nicht mehr arbeiten, aber Kitas und Schulen „sollen als letztes geschlossen werden“, sagt die Familienministerin und macht dabei ihr frommes Gesicht. Wirtschaftsminister Altmaier schiebt nach: „Kitas und Schulen müssen geöffnet bleiben, solange es geht!“.

Beide Formulierungen wie auch die Tatsache, dass sich ausgerechnet der Wirtschaftsminister für zuständig erklärt, sollten hellhörig machen: Wird hier doch eindeutig suggeriert, dass auch Schulen und Kitas früher oder später um eine Schließung nicht herumkommen werden. Nur halt als letzte oder wenn es gar nicht mehr geht? Nur, wann geht es eigentlich nicht mehr?

  • Wenn der letzte Kultusminister festgestellt hat, dass man nicht mal bei der Hälfte seiner Schulen die Fenster ordentlich aufmachen kann und er vergessen hat, im Sommer einen Schlosser zu bestellen?
  • Wenn man sich bundesweit darauf geeinigt hat, dass Luftreinigungssysteme für Klassenzimmer zu teuer sind?
  • Wenn sich in der Öffentlichkeit nicht mehr verheimlichen lässt, dass Klassen zum Unterricht kommen dürfen, obwohl Mitschüler positiv getestet wurden?
  • Wenn sich so viele Lehrer mangels zur Verfügung gestellter Schutzausrüstung angesteckt haben, dass der Schein eines regulären Unterrichtsbetriebs nach außen nicht mehr aufrechterhalten werden kann?
  • Wenn sich die Kultusministerkonferenz darauf einigt, dass man gemeinsam im Sommer verpasst hat, Konzepte zu entwickeln, wie man mit Hilfe der joblos gewordenen Lehramtsstudenten Kleingruppenunterricht unter Anleitung von Vollpädagogen organisieren könnte?

Oder „geht es“ einfach nicht mehr, wenn es wieder zu einem echten Lockdown kommt, bei dem auch die Eltern zu Hause bleiben müssen und ihre Kinder wieder selbst beaufsichtigen können? Die Tatsache, dass den ganzen Sommer über offensichtlich NICHTS konzipiert wurde, was einen „pandemie-gerechten“ Unterricht im Sinne von Schülern und Lehrern erlauben würde, lässt dies befürchten. Die Anschaffung von „Endgeräten“ ohne Anleitung, ordentliche Software und Kommunikationsplattformen (und damit ist nicht das berüchtigte bayerische Mebis gemeint, das schon in Vorcoronazeiten regelmäßig zusammengebrochen ist), bringt niemandem etwas – außer den Hardwareverkäufern. Dass man Lehrern, die das zweifelhafte Vergnügen haben, gehandicapt durch Maske in einem mit 30 Schülern, gehandicapt durch Masken, vollgepfropften Raum zu stehen und nach dem Schulgong zuzusehen, wie sich ihre Schützlinge mangels Maskenpflicht vor der Schultüre abknutschen, zumutet, neben ihrem Präsenzunterricht auch immer noch Material für einen plötzlichen Umstieg auf Online-Unterricht parat zu halten, dass man diese Lehrer nebenbei immer noch zusätzliche zeitraubende Hilfsarbeiten wie Schulaufgabensortieren und Geldeinsammeln erledigen lässt, spricht auch nicht für allzu große Wertschätzung und Interesse an erfolgreicher Bildungsvermittlung.

Pflegerinnen und Pfleger wurden beklatscht, wovon sie wenig hatten. Die viel gerühmten 10% Lohnerhöhung für die untersten Einkommensgruppen – gestreckt auf drei Jahre! – sind angesichts der vollmundigen Ehrfurchtsbekundungen eigentlich ein Hohn – kaum zu toppen.

Doch! Lehrer werden nicht beklatscht. Immerhin werden sie unter dem jetzigen bayerischen Kultusminister Piazolo nicht mehr beschimpft und schikaniert, wie das bei seinen CSU-Vorgängerinnen und Vorgängern durchaus die Regel war. Aber was Piazolo sich für die Lehrer als „Belohnung“ ausgedacht hat, macht einfach nur sprachlos:

4000 Direktoren und 14 000 Lehrer, die sich während der Pandemie besonders engagiert hätten, sollen 500 Euro „Leistungsprämie“ bekommen.

In Bayern gibt es ca. 6000 Schulen mit 120 000 Lehrern. Heißt: Zwei Drittel der Schulleiter haben sich nach Auffassung des Ministeriums „besonders engagiert“. Dabei sind zumindest in den höheren Schulen die Direktoren diejenigen, die selten bis nie in einem virengeschwängertem Klassenzimmer stehen, und die Hygienepläne lassen sie sich in der Regel von ihren Mitarbeitern ausarbeiten.

Dagegen scheinen gerade mal gut 10 Prozent der Lehrer prämienwürdig, dreieinhalb pro Schule/Direktor, die natürlich von den selbst prämierten Direktoren ausgesucht werden (denn dass sich in einer Schule ein Direktor nicht, seine Lehrer aber durchaus engagieren, ist in einem  Schulsystem wie in Bayern ja völlig ausgeschlossen!).

Diejenigen, die sich Tag für Tag darum bemühen, in und neben ihren Klassenzimmern ihren Schülern ein guter Lehrer zu sein, werden wie immer nicht dazugehören. So lobt das Ministerium Leistungsprämien für seine Funktionsträger aus. Diese Form von Wertschätzung brauchen die Kollegien im Augenblick ganz bestimmt nicht, wenn man ihnen durch vollständige administrative Untätigkeit gleichzeitig deutlich macht, dass sie zurzeit halt nur die letzten Kindergärtner sind, damit Arbeit und Wirtschaft möglichst unbehelligt weiterlaufen können.