Distanzunterricht auf bayrisch

Mitte Dezember hatte die bayerische Kultuskatastrophe Piazolo noch versprochen, die Lernplattform „Mebis“, deren grundsätzliche Untauglichkeit längst vor der Pandemie erwiesen und auf die auch immer wieder hingewiesen war, über die Weihnachtsferien zu „ertüchtigen“. Das Ergebnis der Ferienaktivitäten ist im Corona-Blog des Bayerischen Rundfunks nachzulesen:

„Dass die von Piazolo angekündigte Ertüchtigung von Mebis wirkt, darauf scheint der Minister aber selbst nicht zu vertrauen. Die Schulen sollen sich gestaffelt nach Zeiten einloggen dürfen. Je nach Schulnummer also um 8:15 Uhr, um 8:30 Uhr und so weiter.“

Hier wird ein Minister zitiert, der mit der Schulpolitik in Bayern beauftragt ist! Wir nehmen ihn ernst:

Obwohl „Mebis“ für alle Schularten konzipiert ist, beschränken wir uns bei der Untersuchung von Piazolos Vorschlag auf die Gymnasien und Fachoberschulen, das reicht:

Wenn sich Schulnummer 1 (das Leibniz-Gymnasium in Altdorf) am Montag um 8.15 Uhr einloggen darf (um 8.00 werden vermutlich erst die Server hochgefahren), kommt Schulnummer 2 (die Schule der Englischen Fräulein in Altötting) um 8.30 Uhr dran. Um halb zehn ist dann auch schon das Max-Reger-Gymnasium in Amberg an der Reihe, abends um 21.30 Uhr dürfen sich die Schüler aus Burgkunstadt (Schulnummer 46) einloggen.

Dann wird geschlafen.

Dienstag um 8.15 Uhr: Kurfürst-Maximilian-Gymnasium (!) Burghausen.

Wenn man den Betrieb täglich bis 21.30 Uhr aufrechterhält, dürfen pro Tag immer ca. 50 Schulen dazustoßen. Das Gymnasium Wolznach (Schulnummer 973) wäre so ungefähr am 2. Februar dabei – die zu erwartenden Abstürze nicht eingeplant.

Am 7.1. erklärte der Minister, er verstehe die ganze Aufregung um „Mebis“ nicht, man könne schließlich ja auch andere Lernplattformen nutzen. Die Schulleiter, die sich darauf verlassen haben, dass die einzige für die Schulen kostenfreie und ohne zusätzlichen Softwareaufwand nutzbare Plattform nach den Ferien wie versprochen funktioniert, werden’s gerne lesen.

Für die hat der Minister einen verblüffenden Vorschlag. Man könne ja auch einfach zum Telefon greifen.

Ein bayerischer Gymnasiallehrer hat im Regelbetrieb pro Tag durchschnittlich 5 Stunden Unterricht in Klassen mit durchschnittlich 27 Schülern. Er unterrichtet also 135 Schüler am Tag. Wenn er mit jedem von denen nur 5 Minuten am Tag sprechen will, ist er 11 Stunden und 15 Minuten beschäftigt, Wählzeiten oder etwa sowas wie Pausen gar nicht eingerechnet. Und jeder Schüler hat den Genuss von 5 Minuten Lehrerkontakt pro Tag.

Oder meint er – modern – Unterricht in Whatsapp-Gruppen mit 27 Schülern? Zuzutrauen ist ihm inzwischen ja selbst das.

„Ich möchte nicht du sein“, sagt Luise Miller in „Kabale und Liebe“ voller Verachtung zu Staatssekretär Wurm.
„Ich möchte nicht bayerischer Lehrer sein – und Schulleiter gleich gar nicht!“, kann man sich da nur mitleidig anschließen.

Wozu der Staat gut ist

Gut ist, wenn der Staat eine vernünftige Schulbildung garantiert und finanziert, weil man ungebildete Dödel heutzutage in fast gar keinem Beruf mehr einsetzen kann.

Schlecht ist, wenn der Staat von Betrieben, die sich weigern, Azubis auszubilden und lieber billige Arbeiter aus dem Ausland anheuern, eine Ausbildungsabgabe verlangt.

Gut ist, wenn der Staat eine vernünftige Infrastruktur wie Straßen, Strom- und Wasserleitungen etc. zur Verfügung stellt.

Schlecht ist, wenn die Unternehmen dieselbe EEG-Umlage nach dem Erneuerbare Energien Gesetz zahlen müssen wie normale Bürger. Deshalb werden sie großteils auch davon befreit.

Gut ist, wenn die Beschäftigten ordentlich Abgaben in die Sozialversicherungen einzahlen.

Schlecht ist, wenn die Besserverdienenden das auch müssen. Deswegen gibt es Beitragsbemessungsgrenzen, die deren Beitragszahlungen deckeln.

Gut ist, wenn der Staat einen großen Teil seiner Einnahmen über die Mehrwertsteuer bei den alltäglichen Warenkäufen finanziert.

Schlecht ist, wenn er versuchen sollte, eine solche Steuer auch auf die Einkäufe von Aktienpaketen zu erheben. Drum lässt er da die Finger davon.

Gut ist, wenn der Staat sich bei Tarifverhandlungen raushält. Denn wenn David gegen Goliath Krieg führt, gewinnt außerhalb der Bibel immer Goliath.

Schlecht ist, wenn der Staat dem David eine Steinschleuder (das Streikrecht) erlaubt. Deshalb muss er dem Goliath zum Ausgleich eine Pistole (die Aussperrung) genehmigen.

Gut ist, wenn der Staat das Eigentum und das Erbrecht gewährleistet.

Schlecht ist, wenn er darauf angemessene Steuern erhebt. Deshalb lässt er es auch.

Gut ist, wenn der Staat das Gesundheitswesen privatisiert, weil dann wieder ein paar Unternehmer daran dick verdienen können.

Schlecht ist, wenn er erwartet, dass diese genügend Pfleger einstellen, weil das ja den Gewinn schmälert.

Diese Liste ließe sich fast endlos fortsetzen. Jetzt ist dem Arbeitgeberpräsidenten Rainer Dulger aber eine Verfassungslücke aufgefallen, die es schleunigst zu füllen gilt. Er stellt fest, dass die Menschen immer älter werden.
Gut fände er deshalb, dass die Arbeiter länger arbeiten, weil sonst angeblich die Rente nicht mehr finanzierbar wäre.
Jetzt können aber viele Menschen in vielen Berufen einfach nicht bis 70 arbeiten, weil sie dann zum Beispiel vom Baugerüst fallen. Deshalb könnten im bisherigen Rentensystem, an dem man aus Gründen nicht rütteln will, die Beiträge steigen, die die Unternehmer zur Hälfte mitfinanzieren müssen.
Das fände Herr Dulger richtig schlecht.
Gut fände er deshalb, dass man in die Verfassung (!) schreibt, dass die Sozialversicherungsbeiträge nie über 40% der Bruttoeinkommen steigen dürfen. Wenn dann das Geld z.B. in der Rentenversicherung nicht mehr reicht, könnte man die Beiträge nicht mehr erhöhen. Dann müsste man die Rente kürzen.
Gut wäre das, findet der Arbeitgeberpräsident.

Sterben auf Teufel komm raus

Irgendwann haben die Lobbyverbände begriffen, dass sie nur das Maul weit genug aufreißen müssen, dann kommt der Staat schon und stopft reichlich Euro-Scheine rein. Was fast zwangsläufig dazu führt, dass jeder, aber auch wirklich jeder Verband nach Staatshilfen rufen muss, sonst stünde er bei seinen Mitgliedern ja als Versager oder als nutzlos da.

Ziemlich abstoßend ist in diesem Zusammenhang der inflationäre Gebrauch des Wortes „sterben“, um auf seine Notlage hinzuweisen:

Das Hotel- und Gaststättengewerbe stirbt schon seit März, und mit ihm z.B. die „bayerische Wirtshauskultur“. Unbestritten: Es wird Pleiten geben und schwere finanzielle Einbußen, es werden wirtschaftliche Existenzen zugrunde gehen. Aber es würde auch ohne staatliche Hilfe nach der Pandemie wieder Hotels und Wirtshäuser geben. Und die Besitzer von insolventen Betrieben dürften einigermaßen kommod weiterleben.

Am 28. 12. wird in der taz auf einer Seite gleich zwei Mal gestorben: Da sterben „das Theater und die Oper“ (als würde nach Corona niemand jemals mehr auf die Idee kommen, Theater oder Opernhäuser wieder in Betrieb zu nehmen), ein Kurator erklärt, dass die Visa-Pflicht bei seinen vielen Reisen zwischen verschiedenen Kontinenten ihn „umbringen“ wird. Ich kann ihm fast sicher versprechen: Wird sie nicht. Da müsste schon wer anders Hand anlegen.

Der Einzelhandel stirbt während der Lockdowns auch regelmäßig. Dabei kann man ruhig sein linkes Ohr drauf setzen, dass es auch ohne staatliche Hilfe nach der Seuche wieder Geschäfte zum Einkaufen geben wird. Das weiß der Einzelhandel natürlich auch, weswegen er sicherheitshalber draufsetzt:

„Unsere“ Innenstädte sterben. Für die Einzelhandelslobby sind Innenstädte dann tot, wenn sich die potentiellen Kunden nicht durch Straßen und Geschäfte drängeln. Dieses „Sterben“ hat aber längst vor Corona eingesetzt: In den deutschen Innenstädten gibt es statt „lebendiger“ Vielfalt doch längst die identische Aneinanderreihung von Filialen derselben Klamottenketten, Großbäckereien und Telefongeschäften. Diese Ödnis ist nicht neu und die wird sich durch Corona auch nicht ändern. Inhabergeführte Geschäfte sind doch wegen der horrenden Mieten längst rausgeflogen aus den Städten. Und wären Innenstädte wirklich toter, wenn man sie statt nur zum Gewerbe auch wieder zum Wohnen, zum Leben, zum Spielen, zum Kaffeetrinken nutzen könnte?

Aber vermutlich wird es nach Corona auch keine Cafés mehr geben, kein Eis und noch nicht mal nen Fischmac. Alles tot.

Wenn jemand mit der Drohung, sonst stürbe alles, jetzt die Öffnung von Geschäften, Theatern, Konzertsälen fordert, sagt er nichts anderes, als dass ihm sein Betrieb wichtiger ist als das Leben derer, die sich unter solchen Umständen mit großer Wahrscheinlichkeit und vielleicht auch lebensbedrohlich anstecken.

Die, die dann in deutlich größerer Zahl auf den Intensivstationen sterben, sterben übrigens wirklich. Und es gibt begründeten Anlass zur Vermutung, dass die nicht wiederauferstehen werden.

Krawalny dreht durch

Nicht nur Liebe macht blind, auch Hass. Anders ist kaum zu erklären, wie bereitwillig die westlichen Medien die Räubergeschichten von Herrn Nawalny aufgreifen und weiterverbreiten. Spätestens seit dieser dem SPIEGEL ein Foto mit sorgfältig ausgemaltem grünen Gesicht (Augen und Haaransatz säuberlich ausgespart) als „Beleg“ dafür übergeben hat, dass er von Gegnern mit grüner Farbe „bespritzt“ worden sei (vgl. die Beiträge vom 8. und 14. September), sollte doch bekannt sein, dass dieser Herr ein ähnliches Verhältnis zur Wahrheit hat wie Donald Trump. Auch der Größenwahn der beiden scheint vergleichbar.

Nawalny tönt, gleich „mehrere Generale“ verschiedener Geheimdienste seien auf ihn angesetzt worden. Und die seien dazu von Putin persönlich beauftragt worden.

Dann lässt er großmundig verbreiten, er habe zusammen mit westlichen Medien seine „Mörder“ enttarnt. Festgestellt hat man allerdings lediglich, dass er wahrscheinlich von mehreren Agenten des Geheimdienstes FSB rund um die Uhr überwacht wurde. Ist das eine überraschende Erkenntnis bei einem Mann, der selbst sagt, er wolle Putin und seine Gefolgschaft „beseitigen“ und dabei auch die Zusammenarbeit mit rechtsextremen Gruppierungen nicht scheut?

Und jetzt diese Geschichte mit dem angeblichen Geständnis-Telefonat („eine simple Telefonfalle“, wie die MAINPOST genüsslich schreibt).

Wir haben uns hier ja schon daran gewöhnt, dass die russischen Agenten dumm wie trocken Brot sind und ständig scheitern mit ihren Mordplänen.

Jetzt sollen wir tatsächlich glauben, dass sie eine Dreiviertelstunde lang geheimste Informationen am Telefon ausplaudern, bloß weil sich da am anderen Ende einer als „Assistent des Chefs des russischen Sicherheitsrats“ ausgibt? Man sieht den Profi-Agenten förmlich schlottern vor Angst angesichts dieses Titels, so dass ihm sämtliche Sicherheitsbedenken ins Höschen rutschen und er ganz vergisst, dass man ja mal überprüfen könnte, wo der Anruf herkam (aus Deutschland nämlich). Zur Beruhigung hat er dann schnell ein paar Wodkas gekippt, weshalb er immer redseliger geworden ist und alles, aber auch wirklich jedes Detail ausgeplaudert hat. Tja, so sind sie, die russischen Agenten, auf die der ewige Putin seine Macht stützt.

Wer geht da eigentlich wem ständig in die Falle?

Gauland, Aiwanger und co.

Die Zahl der Corona-Todesfälle steigt auf Rekordhöhen, die Infektionszahlen verharren auf viel zu hohem Niveau mit neuerlich wieder wachsender Tendenz, die Intensivstationen der Krankenhäuser sind bedrohlich voll.

Bemerkenswert ist die Reaktion der deutschen Rechtsparteien auf diese Situation:

Auf die AfD als rechtsradikaler Partei ist am meisten Verlass: In guter alter rechter Tradition (DVU, Republikaner, NPD) hat man alle Hände voll zu tun, sich selbst zu zerlegen: Man brüllt sich auf Parteitagen an, überzieht sich gegenseitig mit Strafanzeigen und bricht sich zur Begrüßung auch schon mal die Rippen. Gut so. Die Existenz des Covid-Virus wird einfach geleugnet; dabei hat jüngst eine Studie gezeigt, dass die Infektionszahlen z.B. in Sachsen dort horrend hoch sind, wo auch der Anteil der AfD-Stimmen bei Wahlen horrend hoch ist, Maskenverweigerer halt.

Hotel-Politiker Lindner von der FDP wandert von Talkshow zu Talkshow und fordert vehement die Öffnung von Hotels, Gastronomie und Skipisten, weil man sich dort angeblich ja nicht anstecke. Es reiche, die „vulnerablen Gruppen“, also die Alten und Vorerkrankten zu schützen. Er will immer noch nicht begreifen, dass es vor allem um den Betrieb zur Erreichung dieser Freizeit-Einrichtungen geht, um Tankstellen, Autobahnraststätten, um das Gedrängel vor den Skiliften. Da muss man gar nicht bis auf die Piste oder bis ins Hotel kommen, um sich dort vielleicht tatsächlich nicht anzustecken. Dass die „vulnerablen Gruppen“ 27 Millionen Menschen sind, die man nicht einfach wegsperren kann, leuchtet ihm offenbar nicht ein, auch nicht das Argument, das von ALLEN wissenschaftlichen Institutionen angeführt wird, nämlich dass man die Alten und Gefährdeten nur dadurch wirksam schützen könne, indem man die Infektionszahlen generell deutlich reduziert.

Die Zahl der Corona-Todesfälle steigt auf Rekordhöhen, die Infektionszahlen verharren auf viel zu hohem Niveau mit neuerlich wieder wachsender Tendenz, die Intensivstationen der Krankenhäuser sind bedrohlich voll.

Und was fällt dem Freie-Wähler-Vorsitzenden Aiwanger dazu ein? Er fordert „einen konkreten Fahrplan für Lockerungen“ (alle Zitate nach „Mainpost“ vom 5.12.). Die Lage sei jetzt wieder beherrschbar, deshalb brauche es jetzt einen „Öffnungsplan für Gastronomie, Hotellerie und auch die Skibranche“. Bei deutlich über 20 000 Neuinfektionen und knapp 500 Toten pro Tag hält er die „zweite Welle“ für „längst gebrochen“. Was ist das Motiv dieser offensichtlich wissentlichen Realitätsleugnung?
Aiwanger hatte von Anfang an in dieser schwarz-gelben Koalition in Bayern ein Profilierungsproblem, war es allerdings am lautesten selbst, der für einen Eintritt in die Regierung von Markus Breitbein Söder warb – wo er ständig wie ein Schulbub daneben stand. Allerdings auch, weil seine Beiträge über das Niveau eines Schulbuben selten hinausgingen. Entwischt ihm einmal eine grundsätzliche politische Aussage, ist die meist im äußerst rechtsreaktionären Spektrum anzusiedeln („Bayern und Deutschland wären sicherer, wenn jeder anständige Mann und jede anständige Frau ein Messer in der Tasche haben dürfte“). Als Ansammlung von ehemaligen Ex-CSUlern, Bayern- und Bauernparteilern sind auch die Freie-Wähler-Mitglieder überwiegend einer erzkonservativen Gesinnung.

Die Übereinstimmung der drei Parteien, letztlich gipfelnd in der Leugnung einer Gefahr durch das Corona-Virus, ist nicht zufällig. Alle drei sinken derzeit in der Wählergunst. Keine der drei Parteien hat irgendeinen Programmpunkt, mit dem man gemäßigte Wähler in größerer Zahl ansprechen könnte. Allen dreien wohnt ein kräftiger populistischer Zug inne.

Und so rangeln alle drei in konformer Widerlichkeit um ein Stück von dem Kuchen, der aus dem braunen Hefeteig der Querdenker-Sekte zu entstehen droht. Und gehen dabei nicht nur sprichwörtlich über Leichen.

Bleibt an Bord, Ratten!

Schiffsratten lassen es sich meistens gut gehen: Sie finden immer und fast überall zu fressen, schmarotzen sich so durch. Und sie haben angeblich ein untrügliches Gespür dafür, wenn es mit dem Schiff zu Ende, wenn es untergeht. Dann verlassen sie laut Sprichwort das sinkende Schiff, gehen ins Wasser, bevor es zu spät ist und suchen sich ein neues Schiff.

Eigentlich nachvollziehbar und vernünftig – wenn man eine Ratte ist.

Was aber, wenn man als Ratte nicht nur vom Schiff und seinem Kapitän schmarotzt hat, sondern ihn auch noch jahrelang gepriesen hat als den größten Schiffsführer und Rattenernährer aller Zeiten und ihm versprochen hat, man werde das Schiff bis zum letzten Nagezahn verteidigen, jedes Leck unverzüglich stopfen?

Dann zeigt man eben, dass man eine Ratte der allerübelsten Art ist, verlässt das sinkende Schiff natürlich trotzdem, nicht ohne vorher noch einmal in die Kapitänskajüte geschissen zu haben.

Etliche prominente Republikaner sind sich offensichtlich noch nicht so recht sicher, ob Trumps Niederlage tatsächlich unabwendbar ist und verstecken sich einstweilen in den hintersten Schiffswinkeln: Undenkbar, wenn der Alte das Boot doch noch einmal flott kriegen sollte und sie ihm aber schon in die Kabine geschissen hätten. Verfolgung, Erniedrigung, Rausschmiss! Man wird schon rechtzeitig mitkriegen, wann man tatsächlich ins Wasser springen muss.

Andere, deren Informationen offensichtlich den Schluss zulassen, dass das Schiff tatsächlich nicht mehr zu retten ist, gehen den oben beschriebenen Weg:

Vier lange Jahre lang haben sie dem Präsidenten die Stiefel geleckt, haben sie sich von ihm beleidigen, beschimpfen, feuern lassen und standen doch in Treue fest. Seit klar ist, dass der Alte ihnen nicht mehr viel antun kann, erwächst ihnen großer Heldenmut: Sie weisen Trumps wirre Äußerungen als Lügen zurück (jetzt!), sie erklären, er schade der Sache der Republikaner (jetzt!), sie fordern ihn zu einem würdevollen Abgang auf (jetzt!).

Fernsehsender, die Trump stundenlang Sendezeit eingeräumt haben, um seine aberwitzigen Lügen zu verbreiten, spielen (jetzt!) die tapferen Demokratieretter und drehen ihm den Saft ab. Und hinterlassen (darin Trump erschreckend ähnlich) noch einen Haufen Dreck: Sie sähen ihn „wie eine fette Schildkröte, die in der heißen Sonne auf dem Rücken liegt und um sich schlägt, weil er realisiert, dass seine Zeit vorbei ist“, wird ein Journalist zitiert.

Nein, nein, liebe Republikaner und Speichellecker: Das kommt jetzt wirklich zu spät. Wenn ihr wenigstens einen Hauch von Rattenehre im Leib habt: Bleibt an Bord und geht mit unter!

Die Schulen als letztes…

Eine kurze Pandemiezeitlang konnte man sich als Pädagoge verwundert die Augen reiben: Was genoss Schule plötzlich für eine Wertschätzung in der Gesellschaft! Selbst SPIEGEL-Redakteure, deren Blick auf die Schule bislang stets durch Verachtung oder nachhaltig verletzte Schülerseelchen geprägt war, ergingen sich in Lobeshymnen.

So auch jetzt: Bars und Gaststätten sind zu, sogar Theater dürfen nicht mehr arbeiten, aber Kitas und Schulen „sollen als letztes geschlossen werden“, sagt die Familienministerin und macht dabei ihr frommes Gesicht. Wirtschaftsminister Altmaier schiebt nach: „Kitas und Schulen müssen geöffnet bleiben, solange es geht!“.

Beide Formulierungen wie auch die Tatsache, dass sich ausgerechnet der Wirtschaftsminister für zuständig erklärt, sollten hellhörig machen: Wird hier doch eindeutig suggeriert, dass auch Schulen und Kitas früher oder später um eine Schließung nicht herumkommen werden. Nur halt als letzte oder wenn es gar nicht mehr geht? Nur, wann geht es eigentlich nicht mehr?

  • Wenn der letzte Kultusminister festgestellt hat, dass man nicht mal bei der Hälfte seiner Schulen die Fenster ordentlich aufmachen kann und er vergessen hat, im Sommer einen Schlosser zu bestellen?
  • Wenn man sich bundesweit darauf geeinigt hat, dass Luftreinigungssysteme für Klassenzimmer zu teuer sind?
  • Wenn sich in der Öffentlichkeit nicht mehr verheimlichen lässt, dass Klassen zum Unterricht kommen dürfen, obwohl Mitschüler positiv getestet wurden?
  • Wenn sich so viele Lehrer mangels zur Verfügung gestellter Schutzausrüstung angesteckt haben, dass der Schein eines regulären Unterrichtsbetriebs nach außen nicht mehr aufrechterhalten werden kann?
  • Wenn sich die Kultusministerkonferenz darauf einigt, dass man gemeinsam im Sommer verpasst hat, Konzepte zu entwickeln, wie man mit Hilfe der joblos gewordenen Lehramtsstudenten Kleingruppenunterricht unter Anleitung von Vollpädagogen organisieren könnte?

Oder „geht es“ einfach nicht mehr, wenn es wieder zu einem echten Lockdown kommt, bei dem auch die Eltern zu Hause bleiben müssen und ihre Kinder wieder selbst beaufsichtigen können? Die Tatsache, dass den ganzen Sommer über offensichtlich NICHTS konzipiert wurde, was einen „pandemie-gerechten“ Unterricht im Sinne von Schülern und Lehrern erlauben würde, lässt dies befürchten. Die Anschaffung von „Endgeräten“ ohne Anleitung, ordentliche Software und Kommunikationsplattformen (und damit ist nicht das berüchtigte bayerische Mebis gemeint, das schon in Vorcoronazeiten regelmäßig zusammengebrochen ist), bringt niemandem etwas – außer den Hardwareverkäufern. Dass man Lehrern, die das zweifelhafte Vergnügen haben, gehandicapt durch Maske in einem mit 30 Schülern, gehandicapt durch Masken, vollgepfropften Raum zu stehen und nach dem Schulgong zuzusehen, wie sich ihre Schützlinge mangels Maskenpflicht vor der Schultüre abknutschen, zumutet, neben ihrem Präsenzunterricht auch immer noch Material für einen plötzlichen Umstieg auf Online-Unterricht parat zu halten, dass man diese Lehrer nebenbei immer noch zusätzliche zeitraubende Hilfsarbeiten wie Schulaufgabensortieren und Geldeinsammeln erledigen lässt, spricht auch nicht für allzu große Wertschätzung und Interesse an erfolgreicher Bildungsvermittlung.

Pflegerinnen und Pfleger wurden beklatscht, wovon sie wenig hatten. Die viel gerühmten 10% Lohnerhöhung für die untersten Einkommensgruppen – gestreckt auf drei Jahre! – sind angesichts der vollmundigen Ehrfurchtsbekundungen eigentlich ein Hohn – kaum zu toppen.

Doch! Lehrer werden nicht beklatscht. Immerhin werden sie unter dem jetzigen bayerischen Kultusminister Piazolo nicht mehr beschimpft und schikaniert, wie das bei seinen CSU-Vorgängerinnen und Vorgängern durchaus die Regel war. Aber was Piazolo sich für die Lehrer als „Belohnung“ ausgedacht hat, macht einfach nur sprachlos:

4000 Direktoren und 14 000 Lehrer, die sich während der Pandemie besonders engagiert hätten, sollen 500 Euro „Leistungsprämie“ bekommen.

In Bayern gibt es ca. 6000 Schulen mit 120 000 Lehrern. Heißt: Zwei Drittel der Schulleiter haben sich nach Auffassung des Ministeriums „besonders engagiert“. Dabei sind zumindest in den höheren Schulen die Direktoren diejenigen, die selten bis nie in einem virengeschwängertem Klassenzimmer stehen, und die Hygienepläne lassen sie sich in der Regel von ihren Mitarbeitern ausarbeiten.

Dagegen scheinen gerade mal gut 10 Prozent der Lehrer prämienwürdig, dreieinhalb pro Schule/Direktor, die natürlich von den selbst prämierten Direktoren ausgesucht werden (denn dass sich in einer Schule ein Direktor nicht, seine Lehrer aber durchaus engagieren, ist in einem  Schulsystem wie in Bayern ja völlig ausgeschlossen!).

Diejenigen, die sich Tag für Tag darum bemühen, in und neben ihren Klassenzimmern ihren Schülern ein guter Lehrer zu sein, werden wie immer nicht dazugehören. So lobt das Ministerium Leistungsprämien für seine Funktionsträger aus. Diese Form von Wertschätzung brauchen die Kollegien im Augenblick ganz bestimmt nicht, wenn man ihnen durch vollständige administrative Untätigkeit gleichzeitig deutlich macht, dass sie zurzeit halt nur die letzten Kindergärtner sind, damit Arbeit und Wirtschaft möglichst unbehelligt weiterlaufen können.

 

Bei uns passiert nichts!

Es gab sie schon immer, die Menschen, die den Begriff „pluralistische Gesellschaft“ so interpretiert haben, dass jeder ausschließlich für seine Interessen zu kämpfen habe, für die Gesellschaft werde so auch schon was Gutes herausspringen. Inzwischen scheint diese Interpretation Gemeingut geworden zu sein, verschärft durch den Zusatz „mit allen Mitteln“. Und da wird dann gelogen, dass sich die Balken biegen.

Im Fußball gebe es keine Corona-Ansteckungen, das habe das Robert-Koch-Institut bestätigt, behauptet da ein Verbandsfunktionär. Infizierte Fußballer hätten sich also alle „außerhalb des Sports“ angesteckt. Dabei hatte das RKI nur – wie auch bei Theatern oder sonstigen kulturellen Einrichtungen – erklärt, es könnten in diesen Bereichen keine Ansteckungen „nachgewiesen“ werden. Ja wie auch? Bei einem infizierten Fußballer werden dessen Mannschaftskollegen getestet, nicht die Gegenspieler, mit denen er vermutlich auf dem Feld schmerzhaften Körperkontakt hatte. Falls er (wie übrigens auch die Zuschauer oder die Theaterbesucher) nach der Veranstaltung mit öffentlichen Verkehrsmittel abgereist ist, lassen sich Kontaktpersonen natürlich sowieso nicht ermitteln. Theater- und Konzertveranstalter erklären, bei ihnen sei man wegen der ausgeklügelten Hygienepläne doch am sichersten. Mag ja sein. Das Problem ist doch, dass die vielen Leute zu solchen Veranstaltungen hin- und anschließend auch wieder weggehen. Und da gibt es – außer den bekannten Regeln, die ohnehin nicht eingehalten werden, wie jeder jeden Tag auf der Straße sehen kann – eben keine Hygienepläne. Die Nichteinhaltung von Abstandsregeln dürfte auch an der wohl korrekten, aber wegen mangelnder Deutlichkeit auch gerne fehlinterpretierten Verlautbarung liegen, dass das Ansteckungsrisiko im Freien geringer sei als in geschlossenen Räumen. Daraus wurde schnell ein Null-Risiko, weswegen bei einem Fußballspiel ja auch nichts passieren könne. Wie soll man da nachweisen, wer sich wo angesteckt hat? Deswegen ist ja das Ziel all dieser Maßnahmen, den öffentlichen Verkehr zu reduzieren – generell.

Gerne geht man nämlich nach solchen Veranstaltungen auch noch (erlaubterweise) mit Familie, Freunden, Kumpeln (bislang auch noch erlaubterweise) einen trinken. Dass man sich da, face to face einander stundenlang ohne Maske gegenübersitzend, nicht anstecken könne, ist ja eines der wildesten Märchen, das von den Wirten natürlich gerne aufgegriffen wird, die sich, selbst wenn sich in ihrem Lokal 30 Leute an einem Abend infiziert haben, gerne behaupten, sie hätten „nichts falsch gemacht, sich an alle Regeln gehalten“. Selbst wenn das so war: Dann reichen halt die Regeln nicht aus oder es gibt, was sehr viel wahrscheinlicher ist, einfach keine Möglichkeit, solche Ansteckungen zu verhindern – außer die Lokale zu schließen.

Und es mag auch sein, dass viele Wirte aufwändige und teuere Hygienemaßnahmen ergriffen haben. Die werden sie im Dezember (wenn alles gut geht) weiterverwenden können. Außerdem: Bei dem von der Politik zugesagten Zuschuss von 75% des Umsatzes (!) des Vorjahres-Novembers bzw. eines monatlichen Durchschnittsumsatzes des Vorjahres werden die allermeisten Wirte in diesem November mehr verdienen als in dem des letzten Jahres – und alle auf alle Fälle mehr als sie im Pandemie-Monat November 2020 ohne Lockdown eingenommen hätten. Das sollten sie mal nachrechnen, bevor sie reihenweise die Fernsehstudios vollheulen.

Es ist unbestritten, dass die Corona-Krise viele Berufsgruppen und Menschen hart trifft. Aber man sollte doch auch zur Kenntnis nehmen, dass der Staat ja wirklich extrem viel unternimmt, um diese Folgen abzufedern. Das kann er. Trotz FDP.

Die älteren unter unseren Lesern können sich vielleicht noch erinnern, wie diese Partei in der 70er Jahren mit dem Slogan „Steuern sind Diebstahl“ für sich warb und der seitdem außer der Forderung nach Steuersenkungen („Halbierung der Steuer auf Jagdhunde“) kaum mehr etwas einfällt. Der DEHOGA (Hotel-und Gaststättenverband), ein Lieblingsklient der FDP, hat es 2010 mit deren tatkräftiger Unterstützung geschafft, den Mehrwertsteuersatz für Hotelübernachtungen auf den eigentlich für Lebensnotwendiges gedachten Niedrigsatz von 7% zu senken. Da war die Finanzkrise längst vorbei und die Betriebe liefen gut. In Krisenzeiten aber ist es plötzlich vorbei mit der freien Marktwirtschaft und mit am lautesten ruft der DEHOGA jetzt nach Staatshilfen – nach Steuergeldern also, die man dem Staat in guten Zeiten am liebsten vorenthalten möchte.

FDP-Chef Lindner erklärte, er halte die jetzigen Eindämmungsmaßnahmen für „unnötig und deshalb verfassungswidrig“. Polplot hält Herrn Lindner für unnötig. Verfassungswidrig ist er leider nicht.

 

Staatsmacht 123

Die Staatsmacht 1:

Fast schon weinerlich flehen die Bundeskanzlerin und der Wirtschaftsminister die Bevölkerung an, auf nicht unbedingt notwendige Kontakte angesichts des exponentiellen Wachstums der Infektionszahlen mit Sars-Covid-2 zu verzichten. Nur den Innenminister scheint das nicht zu interessieren. Offensichtlich auch nicht die Innenminister und die ihnen unterstellten Polizeibehörden in den Bundesländern; die folgenden angeführten Beispiele sind vermutlich nur ein Bruchteil dessen, was tatsächlich in diesem Bereich täglich passiert:

In Berlin veranstaltet ein berüchtigter Club, der wegen der Allgemeinverfügung eigentlich geschlossen sein müsste, eine „Fetisch-Party“ mit 600 Teilnehmern. Natürlich ohne Masken. Die Polizei löste die Veranstaltung auf und erklärte fast entschuldigend: „Es waren einfach zu viele auf zu geringem Raum“. Dem Veranstalter wurde ein Bußgeld angedroht (Höhe unklar, Vollstreckung unklar), davon, dass er seinen Club angesichts einer 600-fach in Kauf genommenen Körperverletzung nicht mehr weiterführen darf, war keine Rede. Ein Autofahrer, der dermaßen massiv gegen bestehende Regeln verstoßen würde, hätte seinen Führerschein für sehr viele Monate los.

In Karlstadt am Main wird die Polizei auf Leute, die (was längst nicht mehr erlaubt ist) im Pulk vor einer bekannten Kneipe stehen, aufmerksam und stellt fest, dass in dem völlig überfüllten Gastraum offenkundig überwiegend alkoholisierte Menschen ohne Maske und ohne Abstand feiern. Der Wirt erklärt laut lokaler Presse allen Ernstes, seine Töchter, die an dem Abend den Betrieb geführt hätten, hätten die in einer Schublade liegenden Hygieneregeln nicht gefunden. Das fand die Polizei offensichtlich so überzeugend, dass sie dem Wirt erlaubte, das Lokal „unter Einhaltung der Pandemie-Regeln“ gleich offenzulassen.

Ein äußerst dubioser Verein namens „Eltern stehen auf“ treibt in Schweinfurt sein Unwesen. Unter dem Vorwand, sich Sorgen um in der Schule maskentragende Kinder zu machen, wobei auch von drei angeblich im Zusammenhang mit einer Maskenpflicht (die es für Kleinkinder gar nicht gibt) gestorbenen kleinen Kindern gefaselt wird, macht der Sprecher, dessen Diktion den alten Pegida-Hass wiederbelebt, unverhohlen deutlich, um was es ihm eigentlich geht: Merkel müsse weg, auch die bayerische Regierung müsse zurücktreten. Falls da wirklich Eltern dabei sind, sollten sie sich mal klarmachen, von wem sie hier instrumentalisiert werden. Trotz mehrfacher Aufforderung weigern sich die meisten Demonstrationsteilnehmer, obwohl dies eine Auflage zur Genehmigung der Demonstration war, eine Maske zu tragen. Zitat aus der lokalen Presse: „Die anwesende Polizei schritt nicht ein. Die Kundgebung durfte trotz der nur teilweisen Einhaltung der Auflagen im vollen Umfang stattfinden.“

Wie kann es eigentlich sein, dass die Polizei reihenweise offenkundige Rechtsverstöße geradezu wohlwollend begleitet? Hält man das für eine notwendige Deeskalationsstrategie? Glaubt man gar, solche Demonstranten mit Zurückhaltung beeindrucken zu können? Das wäre ungefähr so erfolgversprechend, als wenn man Trump argumentativ erklären wollte, dass er ein Idiot ist. Oder hängen Aktionen der Polizei doch davon ab, wes Geistes Kinder da gerade Gesetzesverstöße begehen?

Die Staatsmacht 2:

Wenn es in Berlin darum geht, die Ansprüche eines Immobilienspekulanten gegen Hausbesetzer durchzusetzen, ist von Deeskalation, Personal- und Ausrüstungsmängeln wenig zu sehen: Obwohl die 40 Bewohner der Liebigstraße 34 schon im Vorfeld deutlich gemacht haben, dass sie sich lediglich passiv gegen die Hausräumung wehren würden, rückten sage und schreibe 1500 schwer bewaffnete Polizisten mit großem Räumgerät an. Jetzt kann hier die Immobilie in Erwartung steigender Preise weiter verrotten und der Rechtsstaat ist wiederhergestellt.

Die Staatsmacht 3:

Dass da noch niemand drauf gekommen ist. Selbst Trump in seinem Zorn auf China hat es übersehen: Da gibt es doch einen Staat im Osten Europas mit einem wahren Ungeheuer an der Spitze der Staatsmacht, der sich trefflich auskennt mit allen möglichen gefährlichen Mittelchen und diese auch zielsicher in der ganzen Welt einzusetzen vermag. Und es genialerweise immer wieder schafft, die Zusammensetzung dieser Mittelchen geheimzuhalten. Plötzlich präsentiert der Staatschef einen Impfstoff gegen Corona, ganz ohne die sonst üblichen Tests. Das kann ja eigentlich nur funktionieren, wenn man das Virus in allen Details kennt. Es liegt klar auf der Hand: Wer ein Virus züchten kann, kann auch problemlos Gegenmittel herstellen. Lasst doch die Chinesen endlich in Ruhe! Die tun doch nix! Und während der Idiot im Weißen Haus und die Rechten in Europa weiterhin für Siechtum sorgen, kann Putin sein Volk in aller Ruhe durchimpfen.

So ist sie halt, die russische Staatsmacht: Verschwiegen, verschlagen, verlogen.

German Trumpismus

German Trumpismus

Der Trumpelstil des amerikanischen Chef-Covid-Verbreiters prägt zunehmend leider auch die politischen und staatlichen Systeme in anderen westlichen Staaten. Kriegt Außenminister Maas sich gar nicht mehr ein in Forderungen, was Russland wegen des Anschlags auf Nawalny „jetzt zu tun hat“ (!), arbeitet jetzt auch ein Berliner Kammergericht nach dem Motto „Wozu Argumente, wenn man ein politischen Ziel hat?“. Als Auftraggeber eines Mordanschlags im Berliner Tiergarten auf einen Tschetschenen wird die russische Regierung ausgemacht mit dem vom Gerichtssprecher wörtlich vorgetragenen Motiv: „Aus Sicht der russischen Regierung war der Ermordete ein Staatsfeind, weil er im Tschetschenienkrieg gegen Russland gekämpft hat“.

Da haben sie noch ganz schön was vor, Putin und seine Regierung, wenn sie alle tschetschenischen Kämpfer aus diesem Krieg erschießen oder vergiften lassen wollen.

Ist aber für die gar kein Problem, denn laut Nazi-Freund und deutschem Medienliebling Nawalny haben die „einen solchen Hang zu Vergiftungen entwickelt“ (wörtliches Zitat aus dem Interview in SPIEGEL 42), dass ihnen das weitere Dahinmeucheln von ehemaligen oder aktuellen Gegnern eine wahre Wollust sein wird.

Auf sieben Seiten darf sich in dieser SPIEGEL-Ausgabe Nawalny ausbreiten mit Aussagen, die vor Widersprüchen und Unglaubwürdigkeit nur so strotzen, wobei die SPIEGEL-Leute kräftig mithelfen (alle wörtlichen Zitate aus diesem Interview):

Neben der immer wiederholten, aber dadurch nicht glaubwürdigeren Behauptung, dass der verwendete Kampfstoff „praktisch nur aus russischen Laboren stammen kann“ (vgl. Beitrag unten: „In BND we trust“), erklären sie (ganz im Stil der Vor-Relotius-Ära, wonach man doch hoch und heilig versprochen hat, auf einfache Vermutungen oder gar Erfindungen in Storys zu verzichten), dass „Putin seine Gegner in zwei Kategorien ein(…)teilt: Feinde und Verräter“. Das muss Putin ihnen im vertrauten Kamingespräch oder auf der Büffeljagd ins Ohr geflüstert haben.

Da hinterfragt man dann natürlich auch nicht, weshalb (nach eigenen Aussagen) Nawalny zwar nach den Vergiftungserscheinungen im Flugzeug von Tomsk nach Moskau brüllend vor Schmerz und Todesahnung auf dem Gang liegt, hintennach aber recht präzise erläutern kann, dass von den ersten Symptomen bis zur Ohnmacht „vielleicht 30 Minuten“ vergangen waren. Und auch nicht, warum seine Mitarbeiter noch gemütlich im Hotel beim Frühstück sitzen, als er schon im Omsk gelandet war. Warum die nach einer SMS durch Nawalnys Pressesprecherin offensichtlich sofort mühelos in dessen Hotelzimmer gehen und „Gegenstände sicherstellen“ konnten, unter anderem zwei Wasserflaschen, von denen eine mit dem Kampfstoff kontaminiert war. Diesen hat Nawalny nach eigener Darstellung durch Berühren einer präparierten Oberfläche durch die Haut aufgenommen und dann zur Wasserflasche gegriffen. Während ihn die erste Berührung subjektiv umgebracht hat („Ich weiß, ich bin tot“), war das hinterlassene Gift auf der Wasserflasche soo harmlos, das „hätte jeder beliebige Mensch berühren können, ohne Schaden zu nehmen“.

Wogegen „ein Becher(!) Nowitschok“ reiche, „um alle Passagiere einer großen Berliner U-Bahn-Station zu vergiften“. Also, Berliner, aufgepasst! Wenn ein nach russischem Agenten aussehender Mann mit einem Becher in der Hand die U-Bahn betritt: Lieber das Weite suchen!

Heftig beschweren muss sich Nawalny auch über die Ärzte im Krankenhaus von Omsk, wo der ahnungslose Pilot ihn abgeliefert hat, statt ihn, was ja der große Plan von ganz oben war, im Flugzeug sterben zu lassen. Die hätten ihn doch glatt für transportunfähig erklärt, den subjektiv Gestorbenen. Und hätten ihn so 48 Stunden lang festgehalten in der Hoffnung, dass sich das Gift dann nicht mehr nachweisen lasse. Diese Dummerchen! Wussten die gar nichts vom Nowitschok, das sich in Blut- und Gewebeproben ja scheinbar noch Wochen später nachweisen lässt? Und offensichtlich auch auf Textilien. Nawalny sagt, dass das Gift auf „jedes persönliche Kleidungsstück aufgetragen“ werden könne. Umso verdächtiger findet der Spiegel-Interviewer, dass man ihm nach der Einlieferung ins Krankenhaus seine Kleidung „abgenommen und nie zurückgegeben“ habe. Vielleicht kann man den Omsker Ärzten ja noch verzeihen, dass sie Nawalny nicht in voller Straßenkleidung ins Bett gelegt haben. Aber dass sie ihn bei der Abreise nach Deutschland nicht in Hose und Jacket, die er nach seiner Kontaminierung ja sicher auch angefasst hat, schlüpfen ließen, ist schon schlimm verdächtig. Kampfstoffmittel-Experte Nawalny weiß übrigens auch, was mit seiner Kleidung passiert ist, nämlich dass sie „seit einem Monat in einem großen Tank Bleiche köchelt! Damit die Spuren beseitigt werden (lacht)“. (Übrigens eine interessante Anmerkung: Lacht er jetzt über die wiederum deutlich zu Tage tretende Blödheit der russischen Akteure oder über seine eigenen Geschichten?)

Immer deutlicher wird: Da erzählt einer mit großer Interessiertheit und mit großer Lust Räubergeschichten und die Journalisten haben an nichts anderem Interesse als an Räubergeschichten. Wenn’s stockt, liefern sie gerne auch ein paar weiterhelfende Stichwörter. Als der SPIEGEL Nawalny auf die Aussage, es gäbe nur zwei Geheimdienste, deren Chefs die Anwendung von Nowitschok befehlen könnten, an den dritten Geheimdienst erinnert, dem man den vermeintlichen Mordanschlag auf Skripal zuschreibt, meint er, dann seien es halt drei, aber auch der dritte sei ja direkt Putin unterstellt. Viel schlimmer wäre es, wenn der Kampfstoff Privatmenschen wie seinem persönlichen Feind, dem kongenialen Unternehmer Prigoschin, zur Verfügung stände. Denn dann hätte der, wähnt Nawalny, „schon die halbe Welt vergiftet“. Der Mann kann differenzieren.

Jämmerlicher Höhepunkt dieser Hommage an Nawalny, der übrigens ungeniert zugibt, dass sein einziger politischer Programmpunkt die Bekämpfung von Putin und dessen Partei sei, weswegen man auch schon mal mit Kommunisten zusammenarbeiten müsse (die nationalistischen Rechtsaußen, mit denen er noch kurz vor dem Anschlag gemeinsam demonstriert hat, lässt er hier lieber weg), ist die homestorymäßige Bebilderung. Unter einer Aufnahme, bei der Nawalny mit sattgrünem Gesicht in eine Kamera blickt, Augen und Haare sorgsam ausgespart, kein Farbtupfer am Hals, sowie einer erhobenen, ebenfalls sattgrünen Hand, scharf abgegrenzt auch hier der Farbrand am Handgelenk, allenfalls ein leicht verrutschter Pinselstrich ist zu sehen) schreibt der SPIEGEL:
„In Barnaul wird er von Gegnern mit Brillantgrün bespritzt(!)“.

Billiger lügen könnte Trump auch nicht.

Für Leute mit online-Zugang: Das ganz Interview mit Bild auf

Alexej Nawalny über Anschlag: „Ich behaupte, dass hinter der Tat Putin steht“ – DER SPIEGEL