Zwei Argumente

Man hat sich leider daran gewöhnen müssen, dass Lügen in der Politik, in öffentlichen Debatten und (in Folge davon) auch in Medien Alltag geworden sind. Wenn der Verkehrsminister behauptet, in Deutschland würden Abgasmessungen „zu nahe am Auspuff“ gemessen, lügt er. Es wird, wie es das Luftreinhaltungsgesetz vorschreibt, direkt an viel befahrenen Straßen gemessen. Wenn der Verkehrsminister behauptet, die Schadstoffbelastung in den Städten habe nichts mit den Abgasmanipulationen der Autokonzerne zu tun, dann lügt er. Wenn Söder behauptet, die bayerische Staatsregierung stehe dem Volksbegehren „Rettet die Bienen“ „neutral“ gegenüber, dann lügt er. Weil er im Mainpost-Interview zwei(!) Sätze weiter sagt, dass das Volksbegehren Gutes wolle, dabei aber Schlechtes herauskomme.

Diese Aufzählung ließe sich sehr lange weiterführen.

Woran man neuerdings gewöhnt werden soll, ist das offensichtlich tolldreist verlogene Argument von seiten der Machthabenden in der Politik. Söder und sein dunkeloranger Koalitionsadlatus Aiwanger treten da in einen regelrechten Wettbewerb miteinander ein. Im Augenblick führt in unserer aktuellen Punktwertung der sehr dunkelorange Freie Wähler:

Aiwanger ist gegen ein Tempolimit auf deutschen Autobahnen. Er meint, man müsse „das deutsche Auto“(!) retten, weshalb man „140, 150 oder gar 180 fahren“ müssen dürfe, wenn es die Verkehrssituation „hergebe“. Ein Tempolimit sei „zu starr und dirigistisch“ (alle Zitate aus der Mainpost vom 4.2.19, Aufmacher).

Wer so argumentiert, will nicht ernstgenommen werden. Wenn man das weiterdenkt: Ein Fahrverbot in Fußgängerzonen ist doch arg starr und dirigistisch. Wenn es die Situation hergibt und nachts nur wenige Fußgänger unterwegs sind, warum dann nicht das Durchbrettern erlauben? Und wen der Lärm und die Abgase stören, der kann doch aufs Land ziehen.

Auch Einbahnstraßenregelungen sind besonders nachts nur reine staatliche Willkür und gehören auf den Freie-Fahrt-für-freie-Bürger-ADAC-Prüfstand. Und warum soll man genmanipuliertes und glyphosatvergiftetes Essen verbieten? Niemand zwingt den freien Bürger doch dazu, das zu fressen.

Doch nicht nur dunkelschwarze und dunkelorange Politiker argumentieren so.

Was auch immer der venezolanische Präsident Maduro in seinem Land anstellen mag, es ist von hier aus schwer zu beurteilen, weil die hier veröffentlichten Nachrichten sehr tendenziös sind. So wird immer – um Maduros Misswirtschaft bloßzustellen –  auf den Ölreichtum Venezuelas verwiesen. Die ganze Wahrheit ist aber, dass potentielle Erlöse aus dem Ölverkauf auf Jahre hinaus überwiegend an Ölkonzerne aus den USA, aus China und aus Russland verpfändet sind, die sich die Ausrüstungen auf den Ölfeldern mit harten Knebelverträgen bezahlen ließen.

Wenn, wie hier in den Medien berichtet, Maduro Goldreserven ins Ausland verkaufen wollte, um Devisen für Lebensmitteleinfuhren zu bekommen, Trump aber sofort allen Staaten mit Sanktionen gedroht hat, die dieses Gold kaufen würden, heißt das nur eins: Trump will Maduro, einen der letzten Staatschefs, die sich „sozialistisch“ nennen, aushungern. Dass dabei leider erst das Volk aushungert, ist ein für ihn zu vernachlässigender Kollateralschaden.

Maduro ist sicher kein Aushängeschild der Linken, und es ist durchaus denkbar, dass seine Politik tatsächlich gruselig ist. Aber er ist Präsident, wenn auch viele westliche Staaten seine letzte Wahl wegen berichteter Unregelmäßigkeiten nicht anerkannt haben.

Putschversuche gegen amtierende Staats- bzw. Regierungschefs werden vom Westen in zwei Kategorien eingeteilt: Putschisten gegen missliebige Präsidenten sind demokratische Freiheitskämpfer. Putschisten gegen willfährige Präsidenten, seien sie auch noch so kriminell wie der ukrainische Präsident Poroschenko, sind „Aufständische“.

Die Verfassung Venezuelas regelt, dass der Parlamentspräsident übergangsweise das Staatspräsidentenamt übernimmt, wenn dieses verwaist ist. Maduro ist aber doch ziemlich breit präsent. Wenn sich Parlamentspräsident Guaidó selbst zum Interimspräsidenten ernennt, hat das mit der Verfassung wenig zu tun. So etwas interessiert die amerikanische Regierung aber selten, sofort erkennt sie ihn als legitim an, sperrt venezolanische Konten und droht mit Militär. Europäische Staaten, darunter auch Deutschland, stellen Maduro ein völkerrechtlich interessantes Ultimatum. Er habe binnen acht Tagen(!) Neuwahlen anzukündigen, sonst würde man Guaidó ebenfalls anerkennen.

Die Dreistigkeit, mit der sich Deutschland und seine Partner in die Angelegenheiten eines fremden Staates einmischen, mag verblüffen. Noch dreister ist tatsächlich die Argumentation Merkels:

Das venezolanische Volk müsse das Recht haben, seine Regierung in freien demokratischen Wahlen zu bestimmen.

Wie ist das eigentlich mit den Völkern unserer Freunde und Geschäftspartner in Saudi-Arabien, Katar, China usw.? Müssten die nicht auch? Oder ist das doch irgendwie schon was anderes oder wie?

Vor Regierungen, die sich nicht einmal die Mühe machen, ihren Argumenten auch nur einen Anschein von Plausibilität zu geben, kann man Angst haben. Sie demonstrieren die pure Arroganz der Macht. In dieser Form kannte man das in Deutschland in den dreißiger Jahren des letzten Jahrhunderts.

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