Wer nichts zu verbergen hat… (Teil I)

Von der Naivität beim Umgang mit Daten (Teil I)

Vorbemerkung: Beim folgenden Blogbeitrag handelt es sich eigentlich weniger um einen solchen, als vielmehr um eine kleine Abhandlung. Diese am Bildschirm zu lesen ist mühsam, und viele Menschen sind es ohnehin nicht mehr gewohnt, lange Texte am Stück zu lesen. Vor dem benutzten Medium kapitulierend wird der Text deshalb in zwei Beiträge aufgeteilt.

Zum Überblick hier eine Grobgliederung:

Teil I

  1. Wer nichts zu verbergen hat…
  2. Exponentielles Wachstum der gesammelten Daten

Teil II

  1. Alles nur für Werbung und Bequemlichkeit?
  2. Den Stecker ziehen?

 

  1. Wer nichts zu verbergen hat…

Um gleich mit der Tür ins Haus zu fallen: Die Vorstellung, wer nichts zu verbergen habe, habe auch nichts zu befürchten, wenn Informationen über ihn gesammelt würden, ist gleich die dümmste:

Niemand kann vorhersehen, für wen wann welche Daten interessant sein können. Selbst den kuriosen Fall unterstellt, das jemand noch nie gegen irgendein Gesetz verstoßen hat, ja, mit unseren Staatswesen dermaßen einverstanden ist, dass er kritische politische Äußerungen oder gar Demonstrationen für absolut unnötig hält:

Ist schon mal eine kritische Äußerung gegen Monsanto durchgerutscht? Man weiß inzwischen, dass dieser Konzern Listen anlegt mit all seinen Kritikern. Im besten Fall will er sie bestechen. Wahrscheinlicher ist, dass er sie zu gegebenem Zeitpunkt mit Repressionen überziehen wird, wenn sein politischer und gesellschaftlicher Einfluss das ermöglicht.

Schon mal näheren Kontakt oder gar ein Verhältnis mit äh, nicht ganz weißen Menschen gehabt? AfD-Politiker drohen heute schon damit, sie würden, wenn sie an der Macht sind, „abrechnen“ mit ihren Kritikern und mit Leuten, die „dem deutschen Volk schaden“, wozu nach Auffassung etlicher führender AfD-Leute auch Menschen gehören, die nichts von „Rassereinheit“ halten. Sollte die AfD tatsächlich an die Macht kommen (und wer kann das heute schon ausschließen?), stehen ihr dazu umfangreiche Datensammlungen (später dazu mehr) zur Verfügung.

Und wer weiß schon, ob er nicht mal zur falschen Zeit am falschen Ort gewesen ist – wen auch immer das interessieren könnte?

  1. Exponentielles Wachstum der gesammelten Daten

Daten über Menschen wurden schon immer gesammelt, auch in vordigitaler Zeit. Allerdings war es da für z.B. Polizei und Verfassungsschutz wesentlich mühsamer als heute: Demonstranten musste man mit einem Großaufgebot von Überwachungspersonal fotografieren, Unterschriftenlisten analog auswerten. Dass man die Mühe nicht gescheut hat, zeigen die vielen Fälle, bei denen Menschen, die (Anfang der 70er Jahre) nichts anderes gemacht hatten, als gegen den Vietnamkrieg zu demonstrieren und Protestlisten zu unterschreiben, plötzlich wegen des „Radikalenerlasses“ für den öffentlichen Dienst zu einer Befragung bezüglich ihrer Verfassungstreue gebeten wurden.

Eine (durchaus nicht vollständige) Auflistung soll verdeutlichen, in welchem Ausmaß seitdem die Datensammelei geradezu explodiert ist:

Natürlich werden die Daten, die man bei diesen nervigen Kundenkarten oder bei sog. Gewinnspielen preisgibt, gesammelt und (was niemand kontrollieren kann) oft auch weiterverkauft. Übrigens dürfen, wenn man nicht schriftlich Widerspruch einlegt, sogar die staatlichen Einwohnermeldeämter ihre Daten an alle möglichen „Interessenten“ verkaufen.

Darüber, dass man beim Bezahlen mit Kreditkarte nicht nur seine Konsumgewohnheiten offenlegt, sondern auch die Voraussetzung schafft für ziemlich präzise Bewegungsprofile (Wer hat wann wo eingekauft? Welche Reisen hat er unternommen? Wann war z.B. der Verdächtige zum letzten Mal in Kuba??), sollte man sich im Klaren sein.

Mit jeder besuchten Website, die einem eine Registrierung abverlangt, liefert man ein Bausteinchen für eine riesige Datensammlung. Weitaus ergiebiger sind natürlich die diversen „sozialen“ Plattformen, die ihren Nutzern privateste Informationen entlocken.

Ganz neue Dimensionen allerdings entstehen durch die jüngsten Entwicklungen und Tendenzen:

Zum Beispiel bei den Datenstaubsaugern, die einem, so hört man, das Leben bequemer machen sollen. Der angeblich intelligente Stromzähler informiert Wenauchimmer im Minutentakt, wann in welcher Wohnung auffällig viel Strom verbraucht wird. Werauchimmer wird genauestens informiert, ob man es in der Wohnung gerne kuschelig warm hat, ob man lieber duscht (eventuell sogar mehrmals täglich??) oder in die Badewanne steigt, wann man zu Bett gehen pflegt usw. Die untereinander kommunizierenden Küchengeräte funktionieren nur, wenn sie beständig Daten sammeln und weitergeben. Von hier aus bis zur Überwachung gewünschten Verhaltens ist nur ein kleiner Schritt. Man kann sich schon drauf freuen, dass man von den Stadtwerken (oder gleich von der Waschmaschine selbst) angemault wird, weil man sich zur falschen Zeit um seine Dreckwäsche gekümmert hat. Diesen Schritt sind einige Autoversicherer bereits gegangen. Mit Hilfe der sog. Telematik können Fahrer ihr Fahrverhalten überwachen lassen, um gegebenenfalls Rabatte eingeräumt zu bekommen. Natürlich könnte diese Überwachung auch ganz anderen Zwecken dienen.

Dass Amazon über Alexa genauestens über den Musikgeschmack Bescheid weiß, mag man für lässlich halten. Dass man damit auch Wohnzimmergespräche abhören kann und dies auch tatsächlich tut, war doch bisher eher Stasi oder Putin. Wie praktisch: Mühseliges Verwanzen von Wohnungen erübrigt sich. Was der von Amazon erstaunlich stolz gepriesene Ausschalter für das Alexa-Mikrofon wirklich macht bzw. wie leicht er manipulierbar ist, weiß man nicht.

Und welche Ausmaße Überwachungsmechanismen annehmen können beim sog. „autonomen Fahren“, mag man sich gar nicht ausmalen.

Wo immer Begrifflichkeiten im wahrsten Sinne des Wortes besonders wolkig werden, sollte man aufhorchen: Moderne Internetnutzer speichern ihre Daten (und zwar alle) in der „Cloud“. Diese ist allerdings nicht irgendwas in unerreichbaren Höhen Herumwaberndes, sondern besteht aus einer Anhäufung von höchst irdischen Datenspeichern in den Händen privater Unternehmen.

Es gibt aber doch, muss man hier natürlich einwenden, jede Menge Gesetze, die durch vorgeschriebenes Löschen von Daten deren Missbrauch verhindern sollen. So werden die sog. sozialen Plattformen immer wieder verpflichtet, einen Teil der gesammelten Daten auf ausdrücklichen Wunsch der Kunden hin zu löschen – sehr erfolglos, wie man regelmäßig erfahren kann. Denn eine Firma, deren Geschäftsmodell angeblich darain besteht, Daten zu sammeln und zu verkaufen, hat natürlich kein Interesse, irgendwas aus der Sammlung zu entfernen. So wurde bekannt, dass Facebook einen illegalen Datenbestand zur Tochter Instagram verschoben hat – bis das aufgeflogen ist. Wo die Daten jetzt sind, weiß keiner außer Zuckerberg– gesegnet sei die „cloud“. Illegale Datenbestände werden übrigens immer nur durch Aktivitäten betroffener Menschen öffentlich. Der Staat selbst zeigt wenig bis kein Interesse, dieser Form von Kriminalität nachzuspüren – gehört er doch selbst zu den eifrigsten Datensammlern.

(Teil II folgt)

 

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