Gut geordnet, Seehofer!

Es gibt seit dieser Legislaturperiode den fragwürdigen Trend, Gesetze mit wertenden Attributen zu versehen. Ein neues Kita-Gesetz heißt „Gute-Kita-Gesetz“, ein Gesetz zur finanziellen Förderung eines Teils der einkommensschwachen Familien „Starke-Familien-Gesetz“. Das mag verschiedene Gründe haben:

Würde sich die Bild-Zeitung plötzlich „Gute-Bild-Zeitung“ nennen, dürfte man zu Recht davon ausgehen, dass die bisherigen Ausgaben ziemlich bescheuert waren. Ein Restaurant, das eine „Gute-Speisen-Karte“ vorlegt, nährt den Verdacht, dass es auch durchaus nicht gute Speisen anbietet. Was natürlich nicht heißt, dass ein schlechtes Restaurant eine „Mäßige-Speisen-Karte“ aushängen wird.

Will die Regierung, von der ja diese tollen Namen kommen, tatsächlich ausdrücken, dass die bisherige Gesetzgebung eher erbärmlich war? Wohl eher nicht.

Wenn auf einem Volksfest eine Attraktion marktschreierisch als „sensationell gut“ angepriesen wird, darf man normalerweise davon ausgehen, dass man enttäuscht wird. Dennoch funktioniert es: Ein nicht geringer Teil der Volksfestbesucher wird an die Sensation glauben wollen und die Attraktion besuchen.

Das dürfte schon eher dem Anliegen der Bundesregierung ähneln. Man nennt ein Gesetz einfach toll und baut darauf, dass sich die Leute von dem schönen Namen beeindrucken lassen und nicht so genau hinsehen. Das ist Populismus pur und baut, wie jeder Populismus, darauf, dass die Leute blöd sind.

So nimmt es nicht Wunder, dass das übelste Machwerk dieser Sorte aus der Feder Seehofers stammt. Es heißt Geordnete-Rückkehr-Gesetz und konstruiert eine Ordnung, wie sie nur einem Seehofer oder seinen Vorbildern von der AfD einfallen kann:

Es geht nicht, wie der Name lügt, um eine „geordnete Rückkehr“ von irgendwem, es geht einfach um möglichst schnelle und zahlreiche Abschiebungen.

Dazu sollen Menschen unklarer Identität, die „nicht an der Beschaffung eines Passes mitwirken“ – wie immer das auch ein Bürgerkriegsflüchtling aus Libyen machen sollte – in eine sogenannte „Mitwirkungshaft“ genommen werden können. Wer nicht aktiv an seiner Abschiebung mitwirkt, kommt in den Knast.

Das findet Seehofer „geordnet“.

In Ordnung findet er auch, dass entgegen bisheriger (ungeordneter) Gesetzeslage „abschiebungspflichtige“ Menschen in den Knast kommen, in die sog. Abschiebungshaft. Und das in normalen Gefängnissen. Das kann auch Familien mit Kindern betreffen, die finden sich dann im selben Haus interniert wie Mörder und andere Schwerverbrecher.

Wer als ausweisloser nicht bei der eigenen Abschiebung hilft, bekommt nur noch eine eingeschränkte Duldung mit Wohnsitzauflage, Beschäftigungsverbot und gekürzten „Leistungen“. Falls für den Geduldeten nach dem Dublin-Abkommen ein anderer EU-Staat zuständig ist, können „Leistungen“ ganz gestrichen werden.
Es ist erst ein paar Wochen her, dass man mit großem Pomp die 70-jährige Existenz des Grundgesetzes gefeiert hat. Und zu Recht hat man auf die Bedeutung des Satzes „Die Würde des Menschen (und das meint JEDEN Menschen, d.V.) ist unantastbar“ verwiesen. Die Leistungen an Asylbewerber decken nach regierungseigener Definition deren Existenzminimum ab. Jetzt aber ist ein eingeschränktes oder sogar gegen Null laufendes Existenzminimum möglich. Man sollte nicht so dreist sein, eine Verfassung zu feiern, die man gleichzeitig in seinem Gesetz grob missachtet.

Die tiefere Ordnung in diesem Gesetz erschließt sich beim zweiten Lesen:
Die „Person unklarer Identität“ bekommt die Leistungen gekürzt oder gestrichen. Notwendigerweise wird dies zu einer deutlichen Zunahme von Diebstählen oder Raub durch Asylbewerber führen, anders kommen sie ja (Beschäftigungsverbot!) nicht mehr an Essen. Schon sind sie Straftäter und sofort zur Abschiebung freigegeben.

Sowas nennt der christliche Innenminister „geordnete Rückkehr“.

Seehofer schamlos.

Und die SPD stimmt zu.

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