German Trumpismus
Der Trumpelstil des amerikanischen Chef-Covid-Verbreiters prägt zunehmend leider auch die politischen und staatlichen Systeme in anderen westlichen Staaten. Kriegt Außenminister Maas sich gar nicht mehr ein in Forderungen, was Russland wegen des Anschlags auf Nawalny „jetzt zu tun hat“ (!), arbeitet jetzt auch ein Berliner Kammergericht nach dem Motto „Wozu Argumente, wenn man ein politischen Ziel hat?“. Als Auftraggeber eines Mordanschlags im Berliner Tiergarten auf einen Tschetschenen wird die russische Regierung ausgemacht mit dem vom Gerichtssprecher wörtlich vorgetragenen Motiv: „Aus Sicht der russischen Regierung war der Ermordete ein Staatsfeind, weil er im Tschetschenienkrieg gegen Russland gekämpft hat“.
Da haben sie noch ganz schön was vor, Putin und seine Regierung, wenn sie alle tschetschenischen Kämpfer aus diesem Krieg erschießen oder vergiften lassen wollen.
Ist aber für die gar kein Problem, denn laut Nazi-Freund und deutschem Medienliebling Nawalny haben die „einen solchen Hang zu Vergiftungen entwickelt“ (wörtliches Zitat aus dem Interview in SPIEGEL 42), dass ihnen das weitere Dahinmeucheln von ehemaligen oder aktuellen Gegnern eine wahre Wollust sein wird.
Auf sieben Seiten darf sich in dieser SPIEGEL-Ausgabe Nawalny ausbreiten mit Aussagen, die vor Widersprüchen und Unglaubwürdigkeit nur so strotzen, wobei die SPIEGEL-Leute kräftig mithelfen (alle wörtlichen Zitate aus diesem Interview):
Neben der immer wiederholten, aber dadurch nicht glaubwürdigeren Behauptung, dass der verwendete Kampfstoff „praktisch nur aus russischen Laboren stammen kann“ (vgl. Beitrag unten: „In BND we trust“), erklären sie (ganz im Stil der Vor-Relotius-Ära, wonach man doch hoch und heilig versprochen hat, auf einfache Vermutungen oder gar Erfindungen in Storys zu verzichten), dass „Putin seine Gegner in zwei Kategorien ein(…)teilt: Feinde und Verräter“. Das muss Putin ihnen im vertrauten Kamingespräch oder auf der Büffeljagd ins Ohr geflüstert haben.
Da hinterfragt man dann natürlich auch nicht, weshalb (nach eigenen Aussagen) Nawalny zwar nach den Vergiftungserscheinungen im Flugzeug von Tomsk nach Moskau brüllend vor Schmerz und Todesahnung auf dem Gang liegt, hintennach aber recht präzise erläutern kann, dass von den ersten Symptomen bis zur Ohnmacht „vielleicht 30 Minuten“ vergangen waren. Und auch nicht, warum seine Mitarbeiter noch gemütlich im Hotel beim Frühstück sitzen, als er schon im Omsk gelandet war. Warum die nach einer SMS durch Nawalnys Pressesprecherin offensichtlich sofort mühelos in dessen Hotelzimmer gehen und „Gegenstände sicherstellen“ konnten, unter anderem zwei Wasserflaschen, von denen eine mit dem Kampfstoff kontaminiert war. Diesen hat Nawalny nach eigener Darstellung durch Berühren einer präparierten Oberfläche durch die Haut aufgenommen und dann zur Wasserflasche gegriffen. Während ihn die erste Berührung subjektiv umgebracht hat („Ich weiß, ich bin tot“), war das hinterlassene Gift auf der Wasserflasche soo harmlos, das „hätte jeder beliebige Mensch berühren können, ohne Schaden zu nehmen“.
Wogegen „ein Becher(!) Nowitschok“ reiche, „um alle Passagiere einer großen Berliner U-Bahn-Station zu vergiften“. Also, Berliner, aufgepasst! Wenn ein nach russischem Agenten aussehender Mann mit einem Becher in der Hand die U-Bahn betritt: Lieber das Weite suchen!
Heftig beschweren muss sich Nawalny auch über die Ärzte im Krankenhaus von Omsk, wo der ahnungslose Pilot ihn abgeliefert hat, statt ihn, was ja der große Plan von ganz oben war, im Flugzeug sterben zu lassen. Die hätten ihn doch glatt für transportunfähig erklärt, den subjektiv Gestorbenen. Und hätten ihn so 48 Stunden lang festgehalten in der Hoffnung, dass sich das Gift dann nicht mehr nachweisen lasse. Diese Dummerchen! Wussten die gar nichts vom Nowitschok, das sich in Blut- und Gewebeproben ja scheinbar noch Wochen später nachweisen lässt? Und offensichtlich auch auf Textilien. Nawalny sagt, dass das Gift auf „jedes persönliche Kleidungsstück aufgetragen“ werden könne. Umso verdächtiger findet der Spiegel-Interviewer, dass man ihm nach der Einlieferung ins Krankenhaus seine Kleidung „abgenommen und nie zurückgegeben“ habe. Vielleicht kann man den Omsker Ärzten ja noch verzeihen, dass sie Nawalny nicht in voller Straßenkleidung ins Bett gelegt haben. Aber dass sie ihn bei der Abreise nach Deutschland nicht in Hose und Jacket, die er nach seiner Kontaminierung ja sicher auch angefasst hat, schlüpfen ließen, ist schon schlimm verdächtig. Kampfstoffmittel-Experte Nawalny weiß übrigens auch, was mit seiner Kleidung passiert ist, nämlich dass sie „seit einem Monat in einem großen Tank Bleiche köchelt! Damit die Spuren beseitigt werden (lacht)“. (Übrigens eine interessante Anmerkung: Lacht er jetzt über die wiederum deutlich zu Tage tretende Blödheit der russischen Akteure oder über seine eigenen Geschichten?)
Immer deutlicher wird: Da erzählt einer mit großer Interessiertheit und mit großer Lust Räubergeschichten und die Journalisten haben an nichts anderem Interesse als an Räubergeschichten. Wenn’s stockt, liefern sie gerne auch ein paar weiterhelfende Stichwörter. Als der SPIEGEL Nawalny auf die Aussage, es gäbe nur zwei Geheimdienste, deren Chefs die Anwendung von Nowitschok befehlen könnten, an den dritten Geheimdienst erinnert, dem man den vermeintlichen Mordanschlag auf Skripal zuschreibt, meint er, dann seien es halt drei, aber auch der dritte sei ja direkt Putin unterstellt. Viel schlimmer wäre es, wenn der Kampfstoff Privatmenschen wie seinem persönlichen Feind, dem kongenialen Unternehmer Prigoschin, zur Verfügung stände. Denn dann hätte der, wähnt Nawalny, „schon die halbe Welt vergiftet“. Der Mann kann differenzieren.
Jämmerlicher Höhepunkt dieser Hommage an Nawalny, der übrigens ungeniert zugibt, dass sein einziger politischer Programmpunkt die Bekämpfung von Putin und dessen Partei sei, weswegen man auch schon mal mit Kommunisten zusammenarbeiten müsse (die nationalistischen Rechtsaußen, mit denen er noch kurz vor dem Anschlag gemeinsam demonstriert hat, lässt er hier lieber weg), ist die homestorymäßige Bebilderung. Unter einer Aufnahme, bei der Nawalny mit sattgrünem Gesicht in eine Kamera blickt, Augen und Haare sorgsam ausgespart, kein Farbtupfer am Hals, sowie einer erhobenen, ebenfalls sattgrünen Hand, scharf abgegrenzt auch hier der Farbrand am Handgelenk, allenfalls ein leicht verrutschter Pinselstrich ist zu sehen) schreibt der SPIEGEL:
„In Barnaul wird er von Gegnern mit Brillantgrün bespritzt(!)“.
Billiger lügen könnte Trump auch nicht.
Für Leute mit online-Zugang: Das ganz Interview mit Bild auf
Alexej Nawalny über Anschlag: „Ich behaupte, dass hinter der Tat Putin steht“ – DER SPIEGEL