Liebe und Ehe sind ein hochkompliziertes Geschäft. Die Bilanz ist oft nur mittelmäßig. Muss man es einfach nur häufiger versuchen? Oder gleichzeitig? Oder doch besser über die eigene Mutter nachdenken? In seinem neuen Roman beantwortet Wilhelm Genazino die entscheidenden Fragen.
So der Klappentext des Verlags zu Genazinos neuem „Roman“. Ist das jetzt einfach nur Ungeschicklichkeit oder ein genialer Marketing-Gag? Seit wann beantwortet Genazino Fragen? Nicht wahr, dachte ich – und schon war das Buch gekauft.
Und keine einzige Antwort darin gefunden. Nur Fragen, die wieder Fragen hervorrufen und weitere. Eine endlose Fragenkette. Man könnte fast meinen, der Verfasser des Klappentextes habe noch kein einziges Buch von Genazino gelesen.
Was man sogar verstehen könnte, denn Genazinos „Romane“ sind sicher nicht jedermanns Sache. In einer fast schon trotzigen Wiederholung (Er selbst sei in einer Art Wiederholungsmodus, erklärt er gegen Ende des Buches) läuft der Ich-Erzähler auf Straßen herum, die er gelegentlich auch mal anspricht, räsoniert über seine ausgetretenen Schuhe und seinen Ekel davor, sich eine neue Hose kaufen zu müssen. Das kennt man alles, und weiter passiert auch immer nichts, was die Genre-Bezeichnung „Roman“ einigermaßen kühn erscheinen lässt.
Dennoch gibt es Leute (wie den Verfasser dieser Zeilen), die kein Buch von Genazino auslassen können. Wer träumt nicht davon, einfach nur seinen Alltagsgedanken nachhängen, seiner Verwunderung über die Welt in allen Details Ausdruck geben zu können, fast lapidar, jedenfalls ohne jegliches Pathos selbst beim Tod der wiedergewonnenen ehemaligen Freundin?
Wohltuend, dass ein in die Jahre gekommener Schriftsteller nicht in entweder weinerliche oder belehrende Altmänner-Literatur à la Walser verfällt, auch wenn Erinnerungen diesmal ein deutlich größerer Raum gegeben wird als in den früheren Romanen. Erinnerungen an die Eltern eben, an diverse ehemalige Freundinnen, die teilweise wieder ins Leben des Erzählers treten, und Erinnerungen an die Kindheit, in der bereits das Lebensziel des Erzählers, auf den Straßen der Stadt „herumzulungern“ und allenfalls eine Karriere als „Hosenberater“ (ausgerechnet!) anzustreben, angelegt scheint.
Und sehr schön wäre es, diesen Ich-Erzähler auf seinen ziellosen Wegen durch Frankfurt oder bei Ausflügen aufs Land, wo er „beglückte Hühner, die verwundert auf ihre selbstgelegten Eier herabschauten“, beobachtete, noch öfter begleiten zu dürfen.
Auch wenn er auf seine vielen Fragen tatsächlich nie eine Antwort weiß.