Gelesen: Kazuo Ishiguro: Alles, was wir geben mussten

Eine Dystopie des Inhalts schreiben zu wollen, dass junge Menschen geklont werden, um später gezielt als Organspender (vier Spenden pro Person sind vorgesehen) zu fungieren, kann eigentlich nur schiefgehen, sollte man meinen.

Dass es bei Nobelpreisträger Ishiguro trotzdem funktioniert, hat im Wesentlichen zwei Gründe:

Einer ist die ausgesprochen unpathetische Darstellung. Die Akteure, in Heimen aufgezogen, wissen um ihre Rolle und akzeptieren sie. Der einzige Wunsch, der gelegentlich aufkommt, ist der nach ein paar Jahren Aufschub, um echte oder vermeintliche Liebe ausleben zu können. Die persönlichen Entwicklungen, Beziehungen, Empfindsamkeiten der Jugendlichen vor diesem Hintergrund fast schon analytisch zu erzählen bewahrt das Buch davor, ein reiner Teenie- oder Pubertätsroman zu sein.

Der zweite Grund, warum man das Buch mit Vergnügen liest, ist ausgerechnet die sehr traditionelle, fast ein wenig hausbackene Erzählweise Ishiguros: Der Erzähler spricht seine Leser (in der pluralen Höflichkeitsform) an und führt sie straff auktorial (aber keineswegs olympisch!) durch die Handlung. Das geschieht allerdings so geschickt und beiläufig, dass der Leser den erzählerischen Kniff zwar jederzeit durchschaut, sich an dessen Eleganz aber durchaus erfreut, wenn er z.B. mit einem einfachen „Aber das können Sie ja noch gar nicht wissen“ in der Zeit herumgeschickt wird.

Ein nicht ganz neues Thema, ein sehr traditioneller Erzählstil, beides aber wirklich sehr gekonnt ausgeführt.

Zwar nicht nobelpreisverdächtig, aber angenehm zu lesen.

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