Gelesen: Arundhati Roy: Das Ministerium des äußersten Glücks

Zweite Romane haben’s schwer. Ihnen geht’s wie zweiten Kindern in einer Familie, wenn das erste so richtig toll gelungen ist. Man stellt unheimlich hohe Erwartungen an sie, verlangt, dass sie mindestens so gut werden wie der Vorläufer, am besten ähnlich, aber noch besser.

So leiden die zweiten Kinder am ungeheueren Anspruch und am übergroßen Vorbild. Dem zweiten Roman geht’s kaum anders (nur dass er nicht leiden kann): Die Erwartungshaltung des Lesers ist riesig, nicht nur, was die Qualität betrifft. Man möchte doch auch Vieles, was beim ersten Roman so gut gefallen hat, wiederfinden.

Und so werden ordentliche und vernünftige zweite Kinder genauso schlecht und falsch beurteilt wie gute zweite Romane.

Wer Arundhati Roys ersten Roman „Der Gott der kleinen Dinge“ zum Maßstab nimmt, wird enttäuscht sein: Die Wucht der sprachlichen Bilder trifft einen wesentlich seltener, die teils überwältigende Empathie, die man zwangsläufig mit den Figuren aus „Der Gott der kleinen Dinge“ empfand, ahnt man zwar beim Lesen des „Ministeriums des äußersten Glücks“ wieder, aber sie wiederholt sich eben nicht.

Die bereits oben erwähnte Rezensentin des SPIEGEL hat insofern Recht, als sich die politischen Verhältnisse in Indien und in Kaschmir doch etwas in den Vordergrund drängen. Seitenweise Pamphlete der Kommunistischen Partei von Kaschmir ermüden schon. Meist sind die politischen Erläuterungen aber hilfreich, notwendig – und auch lehrreich. Und ehe man sich’s versieht, entwickelt man doch wieder viel Verständnis und Sympathie für die kuriose, bunte Gesellschaft, die sich da am Rande dieser, auf einem Friedhof, eine wenigstens erträgliche Existenz zusammenbastelt.

Als erster Roman wäre „Das Ministerium des äußersten Glücks“ ein ganz ausgezeichneter…

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