Der Patient lag schon über zwei Wochen in seinem einsamen Bett in der Entzugsklinik. Der Notarzt hatte ihn nach seinem völligen Zusammenbruch eingeliefert.
Eigentlich wollte er immer noch nicht glauben, dass es so schlecht um ihn stehe. Gewiss, die ersten Tage waren schlimm gewesen: Schüttelfrost, Kopfschmerzen trotz der Medikamente, Verwirrtheit, Albträume. Aber inzwischen ging es ihm doch ganz gut. Er konnte nachts mehrere Stunden am Stück schlafen, beim Essen kehrte sogar manchmal sein Appetit zurück. Wenn nur nicht diese furchtbare Langeweile wäre! Und dieses Eingesperrtsein in der Klinik, die er immer noch auch für kurze Zeit nicht verlassen durfte.
Seine Freunde, die ihn besuchten, sagten ihm, er sähe prima aus. Wieso er eigentlich noch hier läge? Das müsse doch kaum auszuhalten sein, in diesem kargen Zimmer und bei dem bekannt schlechten Klinikfraß – mit Malventee, igitt!
Sie beschlossen, beim Stationsarzt vorstellig zu werden: Warum man den Patienten nicht längst entlassen hätte, er sei doch so gut wie gesund? Der Arzt verwies auf seine Erfahrungen mit vergleichbaren Fällen und auf die weiterhin bestehende psychische Labilität des Mannes. Er könne eine Entlassung unmöglich verantworten.
Zwei Tage später wurde er zu seinem Vorgesetzten bestellt. Die Freunde des Patienten hätten sich bei ihm beschwert, sie sähen die Verweigerung der Entlassung als reine Willkür an. Ob er ihm den Fall erklären könne?
Der Stationsarzt erläuterte seine Gründe und Bedenken gegen eine baldige Entlassung und stieß auf völlige Zustimmung seitens seines Chefs.
Schon am nächsten Morgen wurde er erneut vorgeladen. Die Freunde des Patienten hätten in benachbarten Kliniken nachgefragt und erfahren, dass man dort solche Fälle wesentlich früher entlasse. Sie drohten nun mit einer Anzeige wegen Freiheitsberaubung. Und sie würden den Fall der Presse übergeben. Die Klinik könne sich einen solchen Skandal unmöglich erlauben. Seine Position in der Klinik sei übrigens auch noch nicht so recht gesichert. Ob er seine Diagnose nicht überdenken könne?
Mit schlechtem Gewissen zwar, aber doch immerhin mit der Rückendeckung seines Chefs suchte der Stationsarzt den Patienten auf, um ihm zu eröffnen, dass er entlassen werde. Dieser müsse allerdings eine ganze Reihe an Vorsichtsmaßnahmen ergreifen und unbedingt einhalten: Er solle Gasthäuser und Menschenansammlungen meiden, auch Fußballplätze seien noch für Wochen tabu. Sehr hoch sei auch das Risiko bei Geburtstags- und sonstigen Familienfeiern, deshalb sei davon Abstand zu nehmen. Er empfehle einen ausreichenden Vorrat unterschiedlicher Frucht- und Gemüsesäfte, den er vielleicht sicherheitshalber von Freunden oder Bekannten besorgen lasse, statt selbst in den Getränkemarkt zu gehen. Wie er eigentlich jetzt nach Hause komme?
Seine Freunde würden ihn abholen, sie seien vermutlich schon da, erwiderte der Patient und packte mit leicht zitternden Händen seine Sachen zusammen.
Auf dem Parkplatz lehnten drei Männer an einem Auto, um ihn zu empfangen. Jeder mit einer Flasche Bier in der Hand. Eine stand auf der Kühlerhaube.