Von den aktuell spürbar aktiven politischen Parteien in Deutschland ist die SPD historisch gesehen die respektabelste. Historisch gesehen.
Seit Helmut Schmidt, Reichswehroffizier und Aufrüstungsfan, tut sie alles, um diesen Respekt – und ganz folgerichtig auch die Zahl ihrer Wähler – abzubauen. Spätestens seit Schröders „Agenda“ weiß natürlich auch jeder Arbeiter, dass er von der SPD nichts Gutes zu erwarten hat, außer vielleicht einen Mindestlohn, der direkt in die Altersarmut führt.
Irgendwie verständlich, aber doch ohne Not hat man sich nach der Bundestagswahl ziemlich in die Bredouille gebracht mit der sehr schnellen und sehr öffentlichen Absage an eine erneute Große Koalition. Nach Lindners Neinmaika wird alles, was man jetzt tun kann, falsch. Verweigert man sich einer Neuauflage der Großen Koalition, wird Stoppel-Lindner der sein, der der SPD am lautesten staatspolitische Verantwortungslosigkeit vorwirft. Stimmt man ihr zu, hat man ein Problem mit der Glaubwürdigkeit, der Basis, Rüpel Dorbrindt und allem anderen.
Zum großen sozialdemokratischen Streitpunkt für einen Beitritt zur Großen Koalition hat die SPD die Zweiklassen-Medizin in Deutschland ernannt. Die gibt es und die ist ein Problem. Die SPD will dem mit einer „Bürgerversicherung“ beikommen, die CDU/CSU will nicht, was, wenn man sich anschaut, wie diese sog. Bürgerversicherung laut SPD aussehen soll, verwundert:
Alle sollen in eine einheitliche Krankenversicherung einzahlen, so der Plan, auch Selbstständige und Beamte. Soweit Bürgerversicherung.
SPD-Gesundheitsexperte Lauterbach hat allerdings Folgendes ausgeheckt: NICHT einbezogen werden in die Beitragspflicht sollen Miet- Zins- und Kapitaleinkünfte, wozu u.a. auch Aktiengewinne zählen. Die wirklich großen Einkunftsarten bleiben also außen vor. Und der Clou: Es sollen zwar alle anderen Einkommen beitragspflichtig werden, aber die sog. Beitragsbemessungsgrenze von z.Zt. 4350 Euro im Monat soll bleiben. Das heißt konkret: Verdient jemand 4350 Euro im Monat, zahlt er die derzeitigen 7,3% Arbeitnehmeranteil in die Krankenkasse ein, das sind rund 317 Euro. Verdient jemand aber 100 000 Euro im Monat, zahlt er in die Krankenkasse ein: rund 317 Euro. Einkommen bis zu 4350 Euro im Monat sind zu 100% beitragspflichtig. Von den 6 Millionen Jahreseinkommen eines DAX-Vorstandes sind ca. 0,8% (!) beitragspflichtig.
Bürgerversicherung? Oder doch wieder Arbeiter- und Kleinbürgerversicherung, bei der die einkommensschwächere Hälfte der Gesellschaft das gesamte Gesundheitswesen finanzieren muss?
Die Union wird sich gute Argumente überlegen müssen, warum sie dem nicht zustimmen will. Denn unsozialer hätte es auch die FDP nicht hingekriegt.