Der Retro-Rüpel

Dass die Franken mit den Bayern nach wie vor nur bedingt klarkommen, hat einen einfachen Grund: Sie lernen es einfach nie richtig:

Beckstein war diesbezüglich ein völliger Versager. Herrmann bemüht sich – meist vergeblich. Nicht einmal Söder, der schon so lange unter Bayern ist, dass er selbst im Anzug läuft, als hätte er eine Krachlederne an, schafft es so richtig:

Das bayerische Rüpeln.

Vorbild aller Bayern ist natürlich Franz Josef Strauß. Bei dem war sogar das Aussehen Rüpelei pur. Weil aus seinem feisten, meist schweißdampfenden Gesicht gelegentlich lateinische Zitate herausgestoßen wurden, schrieb man ihm hohe Intelligenz zu. Ob dieses Urteil haltbar ist für einen Mann, der sich in New York von Huren beklauen ließ, die angesehensten deutschen Schriftsteller als „linke Uhus“ und „Schmeißfliegen“ beschimpfte und schließlich auf dem Gelände einer bayerischen Adelstitel-Usurpatorin seiner eigenen Jagdleidenschaft erlag, sei dahingestellt. Und dass ein Mann, der in zahllosen Bestechungs- und Justizskandalen reüssierte und als Kanzlerkandidat gegen Helmut Schmidt deutlich verlor, immer noch als Übervater der CSU gefeiert wird, bleibt eines der vielen Geheimnisse bayerischer Befindlichkeit.

Als echter Strauß-Wiedergänger rüpelt sich Alexander Dobrindt durch das politische Leben. Dieser Mann merkt in seiner eitlen Selbstgefälligkeit gar nicht, was er außerhalb der bayerischen Bierzelte für eine peinliche Figur abgibt. Dabei ist seine bisherige politische Tätigkeit nichts als eine Ansammlung von Dümmlichkeiten, Pleiten und Pannen. Aber dreist wie sonst keiner. Das gehört zusammen: So viel Dreistigkeit erlaubt sich nur einer, der zu dumm ist, zu merken, wie lächerlich er ist. Dobrindt ist die menschgewordene Dummdreistigkeit. Das ist offensichtlich für die CSU eine hinreichende Qualifikation zum Landesgruppenchef im Bundestag.

Kleiner Auszug seines politischen „Schaffens“ gefällig?
Die Grünen sind seiner Meinung nach, so zitiert ihn die Süddeutsche Zeitung, „der politische Arm von Krawallmachern, Steinwerfern und Brandstiftern“. Als Kretschmann Ministerpräsident von Baden Württemberg wurde, bot er den Industrieunternehmen des Nachbarlandes wirtschaftliches Asyl in Bayern an – wegen der zu erwartenden „rot-grünen Planwirtschaft“.

Griechenland wollte er aus der Eurozone werfen, aber da hatte u.a. „Falschmünzer“ Mario Draghi was dagegen.

Und dann seine größte Lachnummer: Die sog. Ausländermaut. Niemand außer ihm glaubt noch daran, dass die mit europäischem Recht vereinbar wäre. Niemand außer ihm erwartet, dass die im unwahrscheinlichen Falle des Inkrafttretens finanziell irgendetwas bringen würde. Er glaubt daran. Denn er hat es doch so beschlossen. Und ein Dobrindt macht nichts falsch. Punkt. Das ganze Theater zieht sich jetzt seit über sechs Jahren hin. So geht erfolgreiche Politik, auf die man höchst stolz sein kann.

In der Abgasaffäre unterschlug er Untersuchungsergebnisse und verhinderte persönlich die Möglichkeit einer Sammelklage in Deutschland gegen VW. Drum bekommen alle VW-geschädigten Amis ihre Verluste voll ersetzt, die deutschen zahlen sie selbst. So geht erfolgreiche Politik, auf die man höchst stolz sein kann.

Aber halt! Wir wollen fair sein. Natürlich hat Dobrindt etwas erfolgreich durchgesetzt und damit einem großen Problem abgeholfen: Die PUNKTEAMPEL. Die neuen Punkte sind farbig! Grün, gelb, rot! Das heißt, man braucht die Punkte gar nicht mehr zu lesen oder zu zählen, man guckt einfach auf seine Farbe. Das braucht die Welt. Oder CSU-Politiker, die nach Bierzeltbesuchen so betrunken sind, dass sie Rentner totfahren. In diesem Zustand können sie nämlich nicht mehr lesen.

Und jetzt verhandelt er (angeblich) über eine neue Große Koalition. Die SPD-Steuerpläne seien ein „Griff in die Mottenkiste des Sozialismus“, tönt er. Wo er das nur herhat, der alte Wiedergänger? Es müsse jetzt eine „bürgerlich-konservative Wende“ kommen in Deutschland, nicht nur die „geistig-moralische“ von Kohl – zu eigenständigen Formulierungen ist Dobrindt offensichtlich nicht imstande.

Irgendwann wird er mit selbstgefälligem Grinsen in die Koalitionsverhandlungen hineinrumpeln mit der genialen Parole „Freiheit oder Sozialismus!“ Und den SPD-Vertretern zurufen: „Raus, ihr roten Socken!“

Originell, wie er ist.

Bayern first!

Jetzt sind sie tatsächlich mal erster, die Bayern. Die ersten, die angesichts der doch ein bisschen verhauten Situation allüberall den neuesten Trend entdeckt haben: Eindeutig RETRO!

Die Fußballer, die, wie man weiß, ja ein sehr enges Verhältnis zu den Machthabern in der Staatskanzlei pflegen, haben’s vorgemacht. Zurück zu Früherem, zurück zu den Alten.

Der 72-jährige Jupp soll die Mannschaft wieder auf die Beine bringen. Gut so. Und ausbaufähig: Als Assistenztrainer empfehlen wir Uwe Seeler. Der lebt noch und ist auch sowas von deutsch! Jetzt, wo wir Deutschen alle zusammenhalten müssen, kann man auch mal drüber hinwegsehen, dass der sowas von Hamburger Saupreiß ist. Aber als Deutschland noch in Ordnung war und noch einen Kaiser hatte, war der ja schließlich auch ein Saupreiß.

Und natürlich muss dieser Versager Seehofer auch durch einen frischen, alten Mann ersetzt werden. Einen erfolgreichen, äußerst redegewandten und erfahrenen Reformer: Murks-G8ler Edmund Stoiber. Der hat die G8-Kritiker immer als „RETRO-Typen“ beschimpft. Aber da hat er ja noch nicht gewusst, wie modern RETRO wird. Also: Zurück vom neuen G9 zum alten G8. Der Doppel-RETRO.

Und die Ewig-Merkel? Sollte die nicht auch endlich mal abtreten und einem RETRO Platz machen? Aber wem? Hat sie nicht alle überlebt? Nein! Der Gazprom-Gerd lebt ja noch und wäre der richtige, diese verheerenden sozialdemokratischen Tendenzen in der CDU zu korrigieren. Mindestlohn abschaffen, Steuerfreiheit für Energiekonzerne, Fresspakete für Asylbewerber und Hartz IV-ler. Dann wird die deutsche Wirtschaft wieder konkurrenzfähig in der Welt und auch der Stoppel-Lindner von der FDP wäre überflüssig. FDP RETRO an Hermann Otto Solms!

Die GRÜNEN müssen nichts ändern. Fast unbemerkt haben sie sich ganz knapp hinter den Bayern auf Platz zwei vorgeschoben: Die „Ich liebe meine Heimat“ – Katrin und der „Diesel-Autos sind ok“- Winfried sind voll im Trend.

Und irgendwann wird alles wirklich gut: Wenn die CSU Flüchtlinge in libyschen Lagern konzentriert, die SPD dafür sorgt, dass die deutsche Industrie wieder ordentlich Rüstungsaufträge kriegt und die faulen Abiturienten endlich zum Arbeitsdienst eingezogen werden.

Obergrenze gesät – AfD geerntet

Der bayerische Ministerpräsident fordert gerne – und unbelehrbar – eine „Obergrenze“ für Flüchtlinge. Verstandesmäßig hat er seine Obergrenze ganz offensichtlich längst erreicht.

„Obergrenze“ und Deutsche Leitkultur sind Kernpunkte seiner Flüchtlingspolitik, und weil er mit diesen Forderungen an der „An-mir-prallt-alles-ab-Kanzlerin“ ja, halt abgeprallt ist, hat er’s seine CSU in einen sog. „Bayernplan“ schreiben lassen, einem Papier, in dem steht, was die CSU gerne als Bundespolitik haben möchte, aber nicht durchsetzen kann.

Laut deutschlandweiten ARD-Umfragen haben über 70% der AfD-Wähler erklärt, sie würden es bedauern, dass die CSU nicht bundesweit wählbar sei. Die kennen nämlich den Bayernplan oder zumindest die Forderungen der CSU. Und da die CSU außerhalb Bayerns nicht kandidiert, wählen sie halt die AfD. Und zwar fett. Die will schließlich dasselbe.

Über 10 % der bayerischen CSU-Wähler haben übrigens diesmal auch AfD gewählt. Klar. Wenn die CSU bloß in ein Papier schreibt, was sie wollen, die AfD das aber laut – und wohl jetzt auch im Bundestag – rausbrüllt, dann wählen sie halt gleich die.

Seehofers designierter Delegierter für Berlin, der bayerische Innenminister Herrmann, verwendet das Wort „Obergrenze“ nicht. Vielleicht weiß er ja, dass  eine „Obergrenze“ für Menschenwürde schwer mit dem Grundgesetz vereinbar ist. Stattdessen hat der den semantischen GAU „Flüchtlingsbegrenzung“ erfunden. Wahrscheinlich lässt sich ein Flüchtling nur schwer begrenzen, ganz wie ein Politiker. Selbst bei der – was wohl gemeint ist – ZAHL der Flüchtlinge ist eine „Begrenzung“ im ursprünglichen Wortsinn schwierig.

Seinem Chef in München passieren solche Fehler nicht, weil er Klartext spricht. Auf die Frage nach den Gründen für die herben Verluste der CSU bei der Bundestagswahl erklärte Seehofer, die CSU habe die „rechte Flanke zu lange offen“ gehalten. Die müsse man jetzt schließen, „damit Deutschland Deutschland bleibt“. Wörtlich.

Noch Fragen?

Bairisch first!

Als die Bayern so ungefähr im 6. Jahrhundert das Licht der historischen Öffentlichkeit erblickten, wusste niemand so recht – und weiß eigentlich auch bis heute keiner – wo die eigentlich herkamen. Die aktuelle Forschung vermutet ein Gemisch von im Alpen- und im Alpenvorland Gestrandeten aus verschiedensten Stämmen mit übriggebliebenen Römern und Kelten.

Vielleicht ist gerade dieser Mangel an eigener Geschichte die Ursache für eine umso lautstarker vorgetragene ethnische Identität, die ihren bekanntesten Ausdruck im berüchtigten „Mia san mia“ findet, mit dem gleichzeitig die Obergrenze bayerischer Intellektualität markiert ist.

Trump könnte auch eine bayerische Erfindung sein.

Im Ausland verhalten sich Bayern und Amerikaner, jetzt gar nicht mehr so verwunderlich, ebenfalls sehr ähnlich: Amerikaner gehen grundsätzlich davon aus, dass der Rest der Welt ihr karamellisiertes Englisch zu verstehen habe. Der Bayer sieht das bei seiner „Sprache“ genauso.

Als Beleg eine Episode aus einem Speiselokal in einem südosteuropäischen Land:

Ein Herr gesetzteren Alters, vom Erscheinungsbild her fast eine Karikatur des typischen Bayern (Man stelle sich eine abgemilderte Ausgabe von Uli Hoeneß vor) war offensichtlich mit seinem Mahl zufrieden und schnipst, um es nach seiner Landessitte ordentlich abzurunden, energisch die Bedienung herbei.

„Einen Obstler!“

„Obst?“, fragt die bemühte Kellnerin nach und wartet offensichtlich auf Präzisierung.

„Kein Obst! Obst-ler!“, barscht der Bayer, vorwurfsvoll die zweite Silbe betonend.

Die Bedienung, die diese Obstsorte nicht kennt, sucht das Wort in der mehrsprachigen Speisekarte. „Schnaps!“, springt ihr der Bayer nach längerem angestrengtem Nachdenken bei.

„Schnaps!“, freut sich die Kellnerin und eilt davon, den Auftrag zu erledigen.

Wenn ich in Würzburg am Imbissstand „Eine Geknickte mit“ bestelle, funktioniert das.

Schon in Nürnberg würde ich von dieser Wortwahl Abstand nehmen, und erst recht in München.

Der Bayer in Südosteuropa hat übrigens, wie ich vom Nebentisch beobachten konnte, einen mindestens dreifachen Slivovic bekommen.

Geholfen, befürchte ich, hat das nicht.