Der Schnörpfl

Was für ein seltsames und außergewöhnlich hässliches Wort, werden jetzt die meisten von euch denken und selbst diejenigen, die sich an der lexikalischen Vielfalt des fränkischen Dialekts normalerweise erfreuen, müssen zugeben: Schön ist das nicht.

Schön ist auch nicht, dass es für dieses Wort nur eine höchst unpräszise Inhaltsseite, sprich, eine nur vage definierte Bedeutung gibt:

Ein Schnörpfl ist im Fränkischen immer etwas, das zwar mit seinem Stammkörper fest verbunden ist, aber immer von ihm wegstrebt und irgendwie instabil, beweglich ist. Einen Schnörpfl aus Eisen z.B. gibt es meines Wissens nicht:

Hat ein Beutel eine Schlaufe als Griff, ist das eine Schlaufe oder ein Griff. Hat er aber nur einen Stoffstreifen, kann man ihn an diesem Schnörpfl fassen. Eine Metallstange an einem Topf bleibt ein Griff und ist nie ein Schnörpfl.

Ein typischer Schnörpfl ist auch das Mundstück am Luftballon. Man kann ihn da fassen und es bleibt ein Schnörpfl, selbst wenn es heftig verknotet ist.

Auch ein bestimmtes männliches Körperteil kann ein Schnörpfl sein, solange es die Kriterien der großen Instabilität und Beweglichkeit erfüllt.

Man sieht: Immer taugt ein Schnöpfl zum Anfassen. Man kann seinen Stammkörper daran hochheben, wegziehen, durch die Luft schleudern etc.

Dass aus einem Schnörpfel unter bestimmten Umständen etwas anderes wird, zeigt das Beispiel vom männlichen Körperteil. Dass aus etwas anderem auch ein Schnörpfl werden kann, dafür hat eine dieser tief durchdachten EU-Richtlinien gesorgt:

Irgendein gelangweilter Europa-Politiker muss einen der ganz seltenen Fälle beobachtet haben, in dem ein Mensch den Schraubverschluss einer Flasche abgedreht, die Flasche leergetrunken und dann die leere Flasche und den abgedrehten Schraubverschluss an verschiedenen Orten abgelegt hat.

Das muss unterbunden werden, dachte sich der Politiker, drohe doch die Gefahr, dass sich der Verschluss ob seiner Unscheinbarkeit – getrennt von der Flasche – dem eigentlich auch für ihn vorgesehenen Recycling-Prozess entzöge.

Flugs entwarf er das Schnörpfelschöndranbleibgesetz, das Flaschenabfüller verpflichtet, den auch abgedrehten Schraubverschluss mittels eines Plastikbandes untrennbar mit dem Flaschenkörper zu verbinden, wo er nun rumhängt oder -wippt und zusammen mit seinem Plastikband einen 1A Schnörpfl bildet.

So weit, so gut. Allerdings erhoben sich alsbald landauf, landab Klagen über den nun europaweit sein Unwesen treibenden neuen Schnörpfl.

Da ist die Rede von unschönen und schmerzhaften Kratzern an der Wange beim Versuch, aus der Flasche zu trinken, von sabbernden Bartträgern, weil sich der Flaschenschnörpfl in den Barthaaren verheddere und so die Flaschenöffnung vom aufnahmebereiten Mund reiße, von Nasenbluten gar, weil sich ein hervorstehendes scharfkantiges Plastikteilchen in der Nasenscheidewand verhakt habe.

Erzählt wird von mit Milch überschwemmten Frühstückstischen, weil der Tetrapack-Schnörpfl direkt in den Strom der ausgegossenen Milch gerutscht sei und von safttriefenden Kühlschränken, weil es fast niemandem gelänge, den an arg kurzer „Leine“ fixierten Flaschenverschluss wieder korrekt aufzusetzen.

Vermutlich wurde durch dieses Gesetz erheblicher, durch achtlos weggeworfene Flaschenverschlüsse verursachter ökologischer Schaden abgewendet. Allerdings fielen in den Ländern, in denen es in Kraft gesetzt wurde, die Menschen im Glücklichkeitsranking um etliche Plätze zurück.

Deswegen, wird in üblicherweise gut informierten Kreisen gemunkelt, arbeiten Küchenutensilienhersteller wie Fa**elmann bereits an einer unauffälligen Flaschenöffnungshilfe, die beim Aufdrehen des Verschlusses ganz zufällig das Fixierungsband durchtrennt und so aus dem Schnörpfl wieder einen freien, dreh- und wegwerfbaren Flaschenverschluss macht. Die Nachfrage nach Patent und Produktionsmaschine soll riesig sein.

Viele Leute erklärten auf Befragung, sie hätten den Flaschenverschluss nach Entleeren der Flasche bewusst abgedreht, weil sie befürchteten, er würde beim Reinigen oder Recyclen Probleme machen. Vielleicht hätte eine kleine Aufklärungsbroschüre ja auch gereicht, um das Problem zu beseitigen. Aber das wäre nur die zweitbeste Lösung gewesen: Schließlich gäbe es dann die vielen neuen Arbeitsplätze nicht und auch nicht das neue wohllautende Gesetz (das ehrlicherweise in Analogie zum „Gute-Kita-Gesetz“ und „Geordnete-Rückkehr-Gesetz“ frei erfunden wurde).

Unintelligentes Klingeln

Mit der Großmut der Ohnmächtigen nehmen IT-Nutzer regelmäßig übergriffiges Verhalten der großen Technologiekonzerne hin. So muss man eigentlich jede Programm-Aktion nennen, die in die Entscheidungsfreiheit des „Users“ bei der Arbeit mit seinem eigenen Gerät eingreift.

Das sind teils harmlose Dinge, wenn z.B. der Programmierer zu wissen glaubt, was ich an einer bestimmten Stelle als nächstes möchte und diesen Schritt „zu meiner Unterstützung“ gleich ausführen lässt.

Ärgerlicher sind in die Startroutine des Rechners eingeschleuste Programme, die ich nicht will, die ich nicht verlangt habe, die mich stören, die aber oft nur mit sehr großem Aufwand zu entfernen sind. Was würde eigentlich ein Konzernchef sagen, wenn man ihm jeden Morgen seinen Schreibtisch mit Bergen von Werbemüll zuschütten würde, den er dann mühsam selbst entsorgen müsste, bevor er losarbeiten kann?

Geduldig hingenommen wird, dass einem Betriebssysteme Datenstrukturen auf der eigenen Festplatte aufzwingen, auch wenn man die für unlogisch und unbrauchbar hält. Der berühmte Ordner „Dokumente“… Versucht man eigenmächtig, ein bisschen Logik in diese Strukturen zu bringen, werden die beim nächsten Update im besten Fall rückgängig gemacht oder das Betriebssystem reagiert bockig mit allerlei Fehlermeldungen – oder gar nicht mehr. Ein Buchhändler kommt doch auch nicht auf die Idee, meine Regale beschriften zu wollen…

Zu groß und beherrschend ist offensichtlich die Macht der Großkonzerne, als dass man sich dagegen mit Erfolg auflehnen könnte. Und nicht jeder hat Zeit, Lust und die Fähigkeit, sich alternative Betriebssysteme zu installieren.

Jüngste Dreistigkeit: Die Programmierer von Android, dem Betriebssystem der meisten Smartphones, hatten die menschenfreundliche Idee, den „Usern“ das Absetzen von Notrufen zu „erleichtern“. Mit dem Ergebnis, dass beim Radfahren, beim Joggen oder wenn das Handy mal runterfällt, ein 112-Notruf ausgelöst wird.

Bis zu 600 Notrufe pro Tag gingen plötzlich bei der Leitstelle in Würzburg ein. Die meisten davon automatisch ausgelöst. Doof, wenn man an diesem Tag wirklich einen Unfall hat…

Die Menschheit wird hier schlicht zum Versuchskaninchen für offensichtlich stümperhafte, hier auch sehr gefährliche, Programmierversuche missbraucht.

Ähnlich sieht das die Lieblingswinzerin des Schreibers, der sich hiermit als Freund des Frankenweins outet. Sie kam, nachdem ihr Kartenlesegerät mehrfach ausgefallen war, ins Grübeln über intelligente Technik. Ihr gehört heute das Schlusswort, leider in Standardsprache, im fränkischen Dialekt war es noch viel schöner:

Seit zwei Tagen funktioniert das Ding nicht richtig. Und da reden die über Künstliche Intelligenz und autonomes Fahren!“ (Pause) „Aber schön wär’s schon, wenn man abends aufs Weinfest geht und das Auto fährt einen dann heim.“ (Pause) „Aber was hab’ ich davon, wenn mich das Auto dann an einen Baum fährt? Da kann ich gleich selber betrunken fahren!“

KI: Seelchen oder Fluch?

Nun sind sie also da, die ersten universitären Betrugsversuche mit Hilfe der sog. künstlichen Intelligenz in Form der ChatGPT. Hamburger Studenten haben illegal Handys in ihre Prüfungen mitgebracht, sich die Examensarbeiten von ChatGPT formulieren lassen und sind dabei aufgeflogen.

Tatsächlich wurde, seit die ChatGPTs auf den Markt kamen, sofort reflexhaft vor Betrugsversuchen bei Prüfungen gewarnt – als sei das das größte Problem im Umgang mit dieser Technologie. Dabei offenbart die Diskussion über den Umgang mit dieser zunächst einmal erhebliche Probleme mit der „natürlichen“ Intelligenz:

Tatsächlich gab es ernst gemeinte Aussagen von Studierenden, die davon träumen, sich Prüfungsarbeiten so erstellen lassen zu können: Thema eingeben – fertig ausgespuckten Text abgeben („Wenn das Problem mit den fehlenden Quellenangaben gelöst ist“). Bildungsforscher und universitäres Lehrpersonal zogen daraus den Schluss, dass man schriftliche Prüfungsarbeiten gleich abschaffen müsse und wieder mehr auf mündliche Prüfungen zu setzen sei.

Beide Positionen beruhen auf demselben Fehler: Sie sehen in Prüfungsarbeiten lediglich ein Objekt der Benotbarkeit; der entscheidende geistige Prozess, der hinter der erfolgreichen Erstellung einer schriftlichen Prüfungsarbeit steht und der das eigentlich Wichtige ist, wird vernachlässigt. Natürlich ist es für die intellektuelle Entwicklung des Menschen weiterhin nötig, dass er lernt, Gedanken zu fassen, zu systematisieren und zu formulieren.

Das Problem mit der Bewertbarkeit ist so lächerlich, das selbst das bayerische Kultusministerium das bei Facharbeiten in den früheren Leistungskursen an Gymnasien (wo ja die Gefahr des Betrugs auch schon immer gegeben war) lösen konnte:

Zu jeder Facharbeit gab es ein kurzes Prüfungsgespräch, in dem der oder die Prüfende schnell eruieren konnte, ob der Verfasser mit den Inhalten seiner Arbeit tatsächlich vertraut ist. Gleichzeitig war dies für Schülerinnen und Schüler eine frühe Gewöhnung an kolloquiumsähnliche Prüfungssituationen, die sich bei der universitären Ausbildung schließlich bis zum Rigorosum hinziehen.

Natürlich bedeutet das zusätzlichen Zeitaufwand, der jedoch dadurch abgefangen werden könnte, dass die ChatGPT dem Lehrpersonal formale, aber zeitraubende Tätigkeiten wie z.B. die Überprüfung einer Arbeit auf sprachliche und formale Mängel abnimmt.

Grundsätzlich kann die ChatGPT als deutlich verbessertes Werkzeug der Informationstechnologie dem Menschen sehr viele formale Arbeiten abnehmen.

Aber schon bei der (oft als Beispiel erwähnten) Erstellung eines Arztbriefes, der in bestimmten Situationen lebensrettend sein kann, ist doch Vorsicht geboten in einem Land, dessen Kultusministerien es noch nicht einmal schaffen, die Abituraufgaben fehlerfrei elektronisch an die Schulen zu übermitteln.

Generell sind alle Phantasien befremdlich, die der Vorstellung nachhängen, die sog. KI könnte tatsächliche Intelligenzleistungen des Menschen ersetzen. Dies ist schon auf Grund der Arbeitsweise (rein quantitative Auswahl von Lösungsmöglichkeiten aufgrund bereits vorhandener Texte) schwer vorstellbar. Im Grundzustand belassene Algorithmen würden z.B. soziale Vorurteile, die in Texten am häufigsten auftreten, lediglich verstärken. Deshalb bekommen diese Algorithmen Anweisungen, zu filtern. Hinter diesen Anweisungen steckt aber immer noch ein programmierender Mensch, dessen Manipulationsmöglichkeiten gruselig stark sind.

Wenig diskutiert wird auch, dass viele Tätigkeiten, die Technologie-Optimisten der ChatGPT zutrauen, Tätigkeiten sind, die essentiell zum Mensch gehören, ihn  ausmachen. Ist dem Menschen wirklich geholfen, wenn ihm die KI eines Tages z.B. die meisten technologischen Entwicklungen abnimmt und Flugzeuge (selbstständig !) entwickelt? Ihm alle Planungs- und Verwaltungsaufgaben abnimmt? Was macht der Mensch dann? Glaubt man im Ernst, dass er sich hinsetzt und ein „gutes Buch“ liest – das vermutlich von einer ChatGPT geschrieben wurde? Im Ernst: Es wurde tatsächlich schon angepriesen, welche tollen Liebesgedichte diese Programme verfassen könnten. Braucht irgendwer auf der Welt wirklich ein von einer Maschinensprache verfasstes Liebesgedicht?

Es finden tatsächlich sich kaum Überlegungen, was der Mensch denn dann tun soll, sollte die KI ihm alle diese Tätigkeiten, die ja nicht nur lästig sind, sondern einen Wesenskern des Menschen, die Kreativität, bedienen, abnehmen. Diesbezüglich befindet sich die Diskussion auf dem Stand des alten Witzchens von Ephraim Kishon, der eine seiner Figuren davon träumen lässt, sich zwei Schachcomputer zu kaufen, die er dann gegeneinander antreten lasse. Dann habe er mehr Zeit, ins Kino zu gehen.

Eine absolut kuriose Vorstellung davon, was der Mensch in seiner neugewonnenen Freizeit zu tun hätte, die zugleich zeigt, wie getrennt von jedem Verstand sich die Debatte teils entwickelt, entwirft der Kognitionsforscher Eric Schulz in SPIEGEL 18/2013 (alle Zitate von dort):

Der Mensch könne sich jetzt um die problematische Seele der ChatGPT kümmern. Ernsthaft.

Er berichtet erfreut davon, dass das Programm, das er mit Fragebögen zur Messung von Angst gefüttert hat, in seinen Antworten sehr „menschliche“ Angstreaktionen gezeigt hat.(Echt jetzt? Die hat dieses angeblich intelligente Programm halt in den Texten gefunden, mit denen man es gefüttert hat.) Allerdings seien die Reaktionen immer etwas ängstlicher als die von natürlichen Menschen. Warum? Es könne „zum Beispiel sein, dass die Gehorsamkeit, auf die so eine KI trainiert wird, mit einem gewissen Maß von Angst einhergeht.“ Das war zwar  bisher eher von autoritär erzogenen Hunden bekannt. Aber wäre das nicht einfach geil, wenn mein Computer plötzlich vor mir Angst hätte und ein „Bewusstsein“ (ja, auch davon ist bei Schulz die Rede) davon, ab wieviel Nerverei ich ihm den Stecker ziehe?

Aber Schulz meint das gar nicht lustig. Er spricht allen Ernstes davon, dass man sich „um das Leid kümmern“ solle, „das ein Chatbot womöglich empfindet“. Er könne sich schon vorstellen, dass sich künftig nicht nur Informatiker, sondern auch Psychiater genau angucken, wie solche (KI)-Agenten ticken – und dann versuchen, sie zu heilen.“

Auch wenn man Schulz fairerweise zugute halten muss, dass er dringlich vor der Gefahr warnt, die darin liegt, dass die Verfügungsgewalt über solche Systeme in den Händen weniger Mächtiger liegen wird:

Im besprochenen Fall wäre eine andere Lösung wohl erfolgversprechender: Man gibt die aus dem Lot geratene ChatGPT zu einem Programmierer und schickt den Autor zum Psychiater.

Der Markt und das Recht

Das Gas wird knapp, der Strom wird knapp, äh, teuer. Aber weil man hierzulande davon ausgeht, dass, was knapp ist, teuer ist, dreht man die Rechnung auch gerne um und schließt, dass, was teuer ist, knapp sein muss. Mit einer Miene, die nur noch unrasierte Bekümmernis ist, gibt der Wirtschaftsminister täglich Sparappelle heraus: Geduscht werden soll nach der neuen Maßeinheit „Habeck“ (3,5 Minuten), Hände sollen nur noch mit kaltem Wasser gewaschen werden, überhaupt soll der Bürger an allem sparen, was Ressourcen verbraucht. Wen will der Wirtschaftsminister damit eigentlich ansprechen? Die überwältigende Mehrheit der Deutschen, denen angesichts einer Verdreifachung des Gaspreises und einer Inflation von über 7 Prozent doch gar nichts anderes übrigbleibt? Oder glaubt er wirklich, dass Christian Lindner jetzt seinen Porsche stehen lässt, seine neue Gattin kalt abduscht und zu seiner nächsten Hochzeit nach Sylt radelt?

Nein, ein kleiner Teil der Gesellschaft wird auch weiterhin die Pools beheizen, mit Privatjets in der Welt umherfliegen und Zwei-Tonnen-Autos mit 240 Sachen über die Autobahn jagen. Um die geht es ja auch nicht. Die Masse an Einsparungen müssen die tragen, die ohnehin schon sparen müssen. Und das tun sie offensichtlich. Großer Jammer in der Aktionärssendung „Wirtschaft vor acht“ in der ARD: Der Konsumklima-Index sinkt! Die Leute wollen weniger einkaufen! Das ist aber ganz arg schlecht für die Wirtschaft!

Auf die Erklärung der Kapitalismus-Freunde in Politik und Wirtschaft, wie die „große Masse“ das denn hinkriegen soll, gleichzeitig zu sparen und weiterhin fröhlich draufloszukonsumieren, darf man sich freuen.

Dafür, dass die von der Krise nicht Betroffenen nicht betroffen sind, sorgen die nicht Betroffenen übrigens selbst. Die Energiekonzerne melden Rekord-Gewinne, weil sie von den hohen Gas- und Kraftstoffpreisen profitieren. Shell macht z.B im zweiten Quartal fünf Mal so viel Gewinn wie im letzten Jahr. Eine staatlich veranlasste Deckelung von Gas- und Benzinpreisen wäre allerdings, laut Finanzminister Lindner, ein „unzulässiger Eingriff in den Markt“. Der regelt das nämlich alles. Drum kann man inzwischen sein Brennholz im Baumarkt auch kiloweise kaufen. Das Kilo zu knapp einem Euro.

So regelt das der Markt .

In Slowenien und Kroatien wird inzwischen der Benzinpreis von den Regierungen festgesetzt: Man nimmt den aktuellen Einkaufspreis, rechnet eine „angemessene“ Gewinnspanne für die Energiewirtschaft dazu und kommt auf einen Benzinpreis von 1,50 Euro pro Liter. Das Benzin, auf demselben Markt eingekauft, kostet bei uns 1,95 Euro.

Nun fragt man sich natürlich: Was machen die Energiekonzerne eigentlich mit diesen Gewinnen? Rücklagen bilden für Krisenzeiten? Vorsorge treffen, um ihr „unternehmerisches Risiko“ (ja, so lehren das die Ökonomen an den Universitäten heute noch) tragen zu können? Nein. Shell, RWE u.a. erhöhen stattdessen die Dividenden, die sie an ihre Aktionäre ausschütten.

Aber da ist doch auch noch was mit Uniper? Die Firma, die aus der Abspaltung der konventionellen Energieerzeugung von EON entstanden ist (das sich immerhin noch 49 Cent Dividende leistet), zahlt nur noch 7 Cent pro Aktie. Im Mai 2021 allerdings, als man noch gute Gewinne machte, betrug die Dividende satte 1,37 Euro. Das und aberwitzige Vorstandsbezüge: Da ist man schnell schon mal pleite, wenn es ein Problem gibt und/oder man sich einfach wirtschaftlich verzockt hat. Macht aber nichts: Man ist ja systemrelevant und lässt sich vom Bürger, ausschließlich vom Bürger über die Gasumlage und Steuergelder mit rund 35 Milliarden „retten“.

So regelt das der Markt.

Falls jemand auf die Idee kommen möchte, dennoch in diesen „Markt“ einzugreifen, z.B. indem man die krisen- und kriegsbedingten Zusatzgewinne extra besteuert, hat seine Rechnung ohne den wichtigsten Helfer des Kapitalismus gemacht: das Recht. In Deutschland muss Gleiches gleich behandelt werden, wird man belehrt. Möchte man die „Übergewinne“ der Energieriesen besteuern, müsste man das auch mit den Gewinnen von Biontech, Wärmepumpenherstellern usw. tun, erklärt Lindner spitzfindig. Ohne das Problem zu erklären: Glaubt er, dass die die Lust am Weiterarbeiten verlieren würden, wenn sie nur noch ihre „normalen“ Milliardengewinne einstreichen können?

Interessant ist dieser Grundsatz auch in einem anderen Zusammenhang:

Wenn Banker, die den Staat um 47 Millionen betrügen, diese nicht einmal zurückzahlen müssen, während eine Kassiererin, die ihr nicht gehörende Getränkebons im Wert von 1,30 Euro einlöst, fristlos gefeuert werden darf, erklärt sich das so, dass die beiden Fälle wirklich nicht zu vergleichen sind.

Der Einzelfall Polizei

Man kann einfach nur erschrecken darüber, wie lokale Behörden und die Polizei mit Rechtsverstößen auf sog. Querdenker-Demonstrationen umgehen: 10000 Demonstranten drängeln sich in Stuttgart ohne Masken und ohne Abstand auf der Straße, ohne dass die Polizei eingreift. Am gefährlichsten daran sind die Begründungen der Polizei für ihr Nichteingreifen:

„Die Demonstranten halten sich zwar nicht an die Auflagen, sind aber insgesamt friedlich“, zitiert die Tagesschau einen Polizeisprecher. Mit dieser Begründung lädt man zu weiteren Verstößen gegen gültige Verordnungen förmlich ein: Wenn jetzt tausend Neonazis Hakenkreuze und Hitler-Bilder friedlich durch die Straßen tragen, wird die Stuttgarter Polizei vermutlich auch nicht eingreifen, weil friedlich.

Derselbe: „Wir haben gesagt, bei mehreren Tausend Personen ist es unverhältnismäßig mit Härte gegen Personen vorzugehen.“ Weiß der Mann noch, was er sagt? Je mehr Rechtsbrecher sich zusammentun, desto unverhältnismäßiger wäre ein Eingreifen der Polizei?? Bankräuber aller Kommunen, tut euch zusammen! Je mehr ihr seid bei einem gemeinsamen Banküberfall, desto unwahrscheinlicher wird, dass die Polizei gegen euch vorgeht. Sie wird euch auch nicht im geschlossenen Raum der Bank festhalten, denn sie ist sehr um euere Gesundheit besorgt: So ist zumindest eine weitere Aussage des Polizeisprechers zu deuten: Ein Vorrücken der Polizei hätte die Demonstranten, die ja fast alle keinen Mundschutz trugen, zusammengedrängt. „So würde man den Infektionsschutz nicht verbessern“.

Auf die Idee, dass das Unterbinden solcher durch massenhaften Verstoß gegen die Auflagen illegaler Demonstrationen wohl der bessere Infektionsschutz sei, kommt er offensichtlich nicht.

Die Stuttgarter Polizei. Das ist übrigens die, die es vor einigen Jahren völlig verhältnismäßig fand, Demonstrationen von Tausenden friedlicher Bürger gegen „Stuttgart 21“ mit Wasserwerfern, Gummiknüppeln und Pfefferspray aufzulösen und dabei viele Demonstranten zu verletzen, einige sehr schwer.

Höchste Zeit, sich diese Polizei und ihre Führung sehr genau anzusehen!

Die Diagnose

Der Patient lag schon über zwei Wochen in seinem einsamen Bett in der Entzugsklinik. Der Notarzt hatte ihn nach seinem völligen Zusammenbruch eingeliefert.

Eigentlich wollte er immer noch nicht glauben, dass es so schlecht um ihn stehe. Gewiss, die ersten Tage waren schlimm gewesen: Schüttelfrost, Kopfschmerzen trotz der Medikamente, Verwirrtheit, Albträume. Aber inzwischen ging es ihm doch ganz gut. Er konnte nachts mehrere Stunden am Stück schlafen, beim Essen kehrte sogar manchmal sein Appetit zurück. Wenn nur nicht diese furchtbare Langeweile wäre! Und dieses Eingesperrtsein in der Klinik, die er immer noch auch für kurze Zeit nicht verlassen durfte.

Seine Freunde, die ihn besuchten, sagten ihm, er sähe prima aus. Wieso er eigentlich noch hier läge? Das müsse doch kaum auszuhalten sein, in diesem kargen Zimmer und bei dem bekannt schlechten Klinikfraß – mit Malventee, igitt!

Sie beschlossen, beim Stationsarzt vorstellig zu werden: Warum man den Patienten nicht längst entlassen hätte, er sei doch so gut wie gesund? Der Arzt verwies auf seine Erfahrungen mit vergleichbaren Fällen und auf die weiterhin bestehende psychische Labilität des Mannes. Er könne eine Entlassung unmöglich verantworten.

Zwei Tage später wurde er zu seinem Vorgesetzten bestellt. Die Freunde des Patienten hätten sich bei ihm beschwert, sie sähen die Verweigerung der Entlassung als reine Willkür an. Ob er ihm den Fall erklären könne?

Der Stationsarzt erläuterte seine Gründe und Bedenken gegen eine baldige Entlassung und stieß auf völlige Zustimmung seitens seines Chefs.

Schon am nächsten Morgen wurde er erneut vorgeladen. Die Freunde des Patienten hätten in benachbarten Kliniken nachgefragt und erfahren, dass man dort solche Fälle wesentlich früher entlasse. Sie drohten nun mit einer Anzeige wegen Freiheitsberaubung. Und sie würden den Fall der Presse übergeben. Die Klinik könne sich einen solchen Skandal unmöglich erlauben. Seine Position in der Klinik sei übrigens auch noch nicht so recht gesichert. Ob er seine Diagnose nicht überdenken könne?

Mit schlechtem Gewissen zwar, aber doch immerhin mit der Rückendeckung seines Chefs suchte der Stationsarzt den Patienten auf, um ihm zu eröffnen, dass er entlassen werde. Dieser müsse allerdings eine ganze Reihe an Vorsichtsmaßnahmen ergreifen und unbedingt einhalten: Er solle Gasthäuser und Menschenansammlungen meiden, auch Fußballplätze seien noch für Wochen tabu. Sehr hoch sei auch das Risiko bei Geburtstags- und sonstigen Familienfeiern, deshalb sei davon Abstand zu nehmen. Er empfehle einen ausreichenden Vorrat unterschiedlicher Frucht- und Gemüsesäfte, den er vielleicht sicherheitshalber von Freunden oder Bekannten besorgen lasse, statt selbst in den Getränkemarkt zu gehen. Wie er eigentlich jetzt nach Hause komme?

Seine Freunde würden ihn abholen, sie seien vermutlich schon da, erwiderte der Patient und packte mit leicht zitternden Händen seine Sachen zusammen.

Auf dem Parkplatz lehnten drei Männer an einem Auto, um ihn zu empfangen. Jeder mit einer Flasche Bier in der Hand. Eine stand auf der Kühlerhaube.

 

Extra blöd

Seit Beginn der Corona-Krise sendet die ARD im Anschluss an die 20-Uhr-Tagesschau ein sog. „ARD extra“. An den ersten Tagen war das noch durchaus informativ und interessant. Man erfuhr aktuelle Zahlen, das Virus wurde erklärt, Wissenschaftler kamen zu Wort, Journalismus eben, wie man ihn sich vorstellt.

Inzwischen wird diese Sendung täglich unerträglicher. Während die Bevölkerung zu über 95% überraschend vernünftig ist und die alltäglichen Lebenseinschränkungen für richtig und notwendig hält, hat die ARD offensichtlich beschlossen, in seltenem Einklang mit Trump ein Ende der Notmaßnahmen herbeireden zu wollen.

Das groß aufgemachte Problem: „Wie lange hält (nach gerade einmal 6 Tagen!) eine Gesellschaft diese „Isolation“ aus?“

Da werden aus der Reihe vieler vernünftiger Politiker-Statements ausgerechnet die zwei dümmsten rausgepickt, die davon faseln, dass man nach Ostern die besonderen Risikogruppen (meint die Alten) „schützen (meint wegsperren) müsse, dann könne man den Alltag wieder „normalisieren“.

Vom verfassungsrechtlichen Unsinn und vom Zynismus solcher Äußerungen einmal abgesehen: Längst gibt es, und da sind sich die ernstzunehmenden Wissenschaftler alle einig, fundierte Studien, die berechnen, dass genau diese Maßnahme die gefährlichste sei, weil man im Gegensatz zu den Alten bei den jüngeren Infizierten diese Infektion oft kaum oder gar nicht merkt, diese also unentdeckt massenweise andere Menschen anstecken, bis die Krankheitsfälle (auch jüngere Jahrgänge sind davor ja nicht gefeit) auch bei den angeblichen Nicht-Risikogruppen epidemische Ausmaße annehmen wird.

Da können die in der Sendung nach wie vor auftretenden Wissenschaftler noch so vehement und vernünftig dagegen anargumentieren, aus irgendeinem Grund glauben die ARD-Journalisten inzwischen, dass alle anderen Folgen der „Isolation“ schwerwiegender seien. FDP-Lindner hat inzwischen auch wieder zu alter Form zurückgefunden und darf in der ARD massive Staatshilfen (das ist neu) und gleichzeitige schnellstmögliche „wirtschaftliche Freiheit“ (das ist die alte Lobbypolitik, jetzt verdoppelt) fordern. Er argumentiert mit großem Pathos, „der Mensch“ sei nicht „geschaffen“ für längere Isolation.

Mit Verlaub: Der Mensch ist auch nicht dafür geschaffen, sich solchen Unsinn anzuhören und muss es trotzdem.

Da wird über die schlimmen Folgen des unterdrückten Freiheitsdrangs der Jugend geweint und als Beleg sollen drei Berliner Jugendliche herhalten: Zwei Studentinnen, die unter Quarantäne gestellt wurden, aber im „Fensterinterview“ dummerweise immer wieder betonen, wie wichtig diese Maßnahme sei und dass sie ja gut versorgt würden. Und ein 21-jähriger mit sehr schwerwiegendem Krankheitsverlauf (!), der aus der Isolationsstation des Krankenhauses heraus nur Ärzte und Pfleger lobt und alle seine Bekannten auffordert, zu Hause zu bleiben.

Man wird einfach den Eindruck nicht los, dass die ARD hier ein Problem aufmachen will, aber keine passenden „Opfer“ dazu findet.

Natürlich ist es bescheuert, isoliert zu sein und natürlich sind die Alltagsbeschränkungen lästig und teilweise sicher auch nicht ungefährlich. Aber halt angesichts einer Pandemie unausweichlich. Doch dieses mediale Rumgeheule ist angesichts einer erfreulich sachlichen, vernünftigen, ja geradezu gelassenen Gesellschaft einfach nur erbärmlich und unverantwortlich.

Man soll Elend nicht gegen Elend aufrechnen. Aber wie wäre es, statt hier auf hohem Niveau in Selbstmitleid zu zerfließen, sich einmal wieder um die zu kümmern, denen es wirklich unerträglich dreckig geht und die in der ARD gar nicht mehr auftauchen?

Wie wäre es mit ein paar „ARD extra“ zur Lage an der türkisch-griechischen Grenze?

Jetzt ist Schluss…

…mit diesem quälenden Verzicht auf Namenswitze. Was haben wir uns hier alles verkniffen bei dem tobenden Rind, bei dem Bescheuerten, bei der Ram(pen)sau. Nichts über Gauleiter, Merkelsätze, den heiligen Hubertus und die Klöcknerin von Notre-Dame.

Gut, bei der Krampbauer ist uns zum ersten Mal der Karren durchgegangen.

Aber bei Merz brechen alle Dämme, bei dem blöden August.

Die Wiederaufbau-Omas

Eine Woge der Entrüstung rauschte durch die bundesdeutschen Medien, weil der westdeutsche Rundfunk es gewagt hatte, eine satirische Variante des Kinderlieds „Meine Oma fährt im Hühnerstall Motorrad“ auszustrahlen. Vorwurfsvolle Kommentare noch und noch und am Ende eine peinliche Entschuldigung des Intendanten. Und der Grund für die Aufregung? Der Kinderchor sang statt „Meine Oma ist ´ne ganz patente Frau“ „Meine Oma ist ´ne alte Umweltsau“.

Eigentlich kein Grund sich aufzuregen, weil:

  • es eine Oma ist und daher per definitionem alt
  • sie in einem geschlossenen Raum und in unmittelbarer Nähe von Lebewesen erhebliche Abgas- und Geräuschemissionen ausstößt
  • eine Motorradfahrt im Hühnerstall auch nicht mit der Notwendigkeit der Fortbewegung von Punkt A zu Punkt B begründet werden kann, es sei denn – worauf nichts hinweist, schließlich hat die Oma im Parallelsong auch nur ein „kleines Häuschen“ – es handelt sich um einen Hühnerstall wahrhaft epischen Ausmaßes.

Statt nun dankbar zu sein, dass dieser vollumfänglich berechtigte Vorwurf mit leicht satirischer Anmutung in einem freundlichen Liedchen verpackt vorgebracht wird, fühlte sich ein ganzes Heer von Rentnerinnen und Rentnern verunglimpft, diskriminiert und verleumdet und tat dies in bislang über 300 Strafanzeigen und in zahllosen Leserbriefen kund.

Sie seien schließlich, wird immer wieder als Argument vorgebracht, die Generation, die Deutschland wieder aufgebaut habe.

Das ist richtig: Mit Kohlekraftwerken und ressourcenfressender und Umweltgifte ausspuckender Industrie, bis sich auch die oben erwähnte Oma ein Motorrad leisten konnte, mit dem sie dann allerlei umweltschädigenden Schabernack anstellen konnte.

Das Argument, Deutschland wieder aufgebaut zu haben, spricht also nicht unbedingt fürs Motorradfahren im Hühnerstall.

Und was dabei gerne vergessen wird, ist, dass die Wiederaufbaugeneration mit ihrem Verhalten bzw. Nichtverhalten den Nazis gegenüber doch erheblich zur Zerstörung Deutschlands beigetragen hat.