Bei uns passiert nichts!

Es gab sie schon immer, die Menschen, die den Begriff „pluralistische Gesellschaft“ so interpretiert haben, dass jeder ausschließlich für seine Interessen zu kämpfen habe, für die Gesellschaft werde so auch schon was Gutes herausspringen. Inzwischen scheint diese Interpretation Gemeingut geworden zu sein, verschärft durch den Zusatz „mit allen Mitteln“. Und da wird dann gelogen, dass sich die Balken biegen.

Im Fußball gebe es keine Corona-Ansteckungen, das habe das Robert-Koch-Institut bestätigt, behauptet da ein Verbandsfunktionär. Infizierte Fußballer hätten sich also alle „außerhalb des Sports“ angesteckt. Dabei hatte das RKI nur – wie auch bei Theatern oder sonstigen kulturellen Einrichtungen – erklärt, es könnten in diesen Bereichen keine Ansteckungen „nachgewiesen“ werden. Ja wie auch? Bei einem infizierten Fußballer werden dessen Mannschaftskollegen getestet, nicht die Gegenspieler, mit denen er vermutlich auf dem Feld schmerzhaften Körperkontakt hatte. Falls er (wie übrigens auch die Zuschauer oder die Theaterbesucher) nach der Veranstaltung mit öffentlichen Verkehrsmittel abgereist ist, lassen sich Kontaktpersonen natürlich sowieso nicht ermitteln. Theater- und Konzertveranstalter erklären, bei ihnen sei man wegen der ausgeklügelten Hygienepläne doch am sichersten. Mag ja sein. Das Problem ist doch, dass die vielen Leute zu solchen Veranstaltungen hin- und anschließend auch wieder weggehen. Und da gibt es – außer den bekannten Regeln, die ohnehin nicht eingehalten werden, wie jeder jeden Tag auf der Straße sehen kann – eben keine Hygienepläne. Die Nichteinhaltung von Abstandsregeln dürfte auch an der wohl korrekten, aber wegen mangelnder Deutlichkeit auch gerne fehlinterpretierten Verlautbarung liegen, dass das Ansteckungsrisiko im Freien geringer sei als in geschlossenen Räumen. Daraus wurde schnell ein Null-Risiko, weswegen bei einem Fußballspiel ja auch nichts passieren könne. Wie soll man da nachweisen, wer sich wo angesteckt hat? Deswegen ist ja das Ziel all dieser Maßnahmen, den öffentlichen Verkehr zu reduzieren – generell.

Gerne geht man nämlich nach solchen Veranstaltungen auch noch (erlaubterweise) mit Familie, Freunden, Kumpeln (bislang auch noch erlaubterweise) einen trinken. Dass man sich da, face to face einander stundenlang ohne Maske gegenübersitzend, nicht anstecken könne, ist ja eines der wildesten Märchen, das von den Wirten natürlich gerne aufgegriffen wird, die sich, selbst wenn sich in ihrem Lokal 30 Leute an einem Abend infiziert haben, gerne behaupten, sie hätten „nichts falsch gemacht, sich an alle Regeln gehalten“. Selbst wenn das so war: Dann reichen halt die Regeln nicht aus oder es gibt, was sehr viel wahrscheinlicher ist, einfach keine Möglichkeit, solche Ansteckungen zu verhindern – außer die Lokale zu schließen.

Und es mag auch sein, dass viele Wirte aufwändige und teuere Hygienemaßnahmen ergriffen haben. Die werden sie im Dezember (wenn alles gut geht) weiterverwenden können. Außerdem: Bei dem von der Politik zugesagten Zuschuss von 75% des Umsatzes (!) des Vorjahres-Novembers bzw. eines monatlichen Durchschnittsumsatzes des Vorjahres werden die allermeisten Wirte in diesem November mehr verdienen als in dem des letzten Jahres – und alle auf alle Fälle mehr als sie im Pandemie-Monat November 2020 ohne Lockdown eingenommen hätten. Das sollten sie mal nachrechnen, bevor sie reihenweise die Fernsehstudios vollheulen.

Es ist unbestritten, dass die Corona-Krise viele Berufsgruppen und Menschen hart trifft. Aber man sollte doch auch zur Kenntnis nehmen, dass der Staat ja wirklich extrem viel unternimmt, um diese Folgen abzufedern. Das kann er. Trotz FDP.

Die älteren unter unseren Lesern können sich vielleicht noch erinnern, wie diese Partei in der 70er Jahren mit dem Slogan „Steuern sind Diebstahl“ für sich warb und der seitdem außer der Forderung nach Steuersenkungen („Halbierung der Steuer auf Jagdhunde“) kaum mehr etwas einfällt. Der DEHOGA (Hotel-und Gaststättenverband), ein Lieblingsklient der FDP, hat es 2010 mit deren tatkräftiger Unterstützung geschafft, den Mehrwertsteuersatz für Hotelübernachtungen auf den eigentlich für Lebensnotwendiges gedachten Niedrigsatz von 7% zu senken. Da war die Finanzkrise längst vorbei und die Betriebe liefen gut. In Krisenzeiten aber ist es plötzlich vorbei mit der freien Marktwirtschaft und mit am lautesten ruft der DEHOGA jetzt nach Staatshilfen – nach Steuergeldern also, die man dem Staat in guten Zeiten am liebsten vorenthalten möchte.

FDP-Chef Lindner erklärte, er halte die jetzigen Eindämmungsmaßnahmen für „unnötig und deshalb verfassungswidrig“. Polplot hält Herrn Lindner für unnötig. Verfassungswidrig ist er leider nicht.

 

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