Barschel lässt grüßen!

Die Tagesschau betreibt ein Liveblog zu den Ereignissen in Thüringen und das ist gut so. Sonst würde man es gar nicht schaffen, so schnell nachzulesen, wie man belogen wird.

Kemmerich, FDP-Ministerpräsident von Höckes Gnaden, der bis heute Mittag Neuwahlen noch strikt ablehnte und für sinnlos hielt, weil Umfragen „bewiesen“, dass sich eh nichts ändern würde, ist heute Abend angeblich ein großer Fan von Neuwahlen. Zum „angeblich“ später mehr. Seine geradezu aberwitzige Begründung: Die AfD habe mit einem „perfiden Trick versucht, die Demokratie zu schädigen“. Der perfide Trick war seine Wahl zum Ministerpräsidenten. Perfiderweise hatte die AfD dies Kemmerich schon im November angeboten, wie aus einem heute veröffentlichten Brief von Höcke deutlich wird. Und ihn dann gestern so perfide übertölpelt, dass er vor Schreck gleich die Wahl angenommen hat.

Gestern hat er noch erklärt, das Vorgehen bei der Wahl sei mit FDP-Chef Lindner abgesprochen gewesen, wovon heute keiner der beiden mehr was wissen will.

Lindner, der gestern noch erklärt hatte, Neuwahlen seien nur nötig wenn CDU und SPD „Totalverweigerung“ betrieben, sieht das heute auch ganz anders. Inzwischen hat er nämlich gelernt, dass er auch auf das perfide Spiel der AfD hereingefallen ist. Stellen die doch im dritten Wahlgang einen Kandidaten auf, den keine Sau kannte, einen Dorfbürgermeister, der bei der Wahl angeblich nicht einmal im Landtag war. Und da haben Lindner und Freunde natürlich fest dran geglaubt, dass die den wählen. Einfach perfide. Und jetzt stellt Lindner sich als Demokratieretter hin und wirft der CDU vor, dass diese sich noch nicht für Neuwahlen ausgesprochen hat.

Mit großem Gehabe schmiert er dann eine Show in die Nachrichten: Er werde sich der Vertrauensfrage stellen – im FDP-Vorstand, der dafür eigens einberufen wird. Das ist – mangels Gegenkandidaten – ungefähr so riskant, wie wenn Queen Elizabeth im Kreise ihrer Familie nachfragt, ob die Monarchie in England abgeschafft werden solle.

Als frisch gekürte Retter der Demokratie wollen die fünf FDP-Hanseln im Landtag jetzt einen Antrag auf Landtagsauflösung stellen. Zu fünft! Es bräuchte allein für den Antrag 30 Stimmen, für die tatsächliche Landtagsauflösung 60. Das wird nicht zu erreichen sein – oder zumindest nicht in den nächsten Monaten. In der Zwischenzeit (wetten?) wird die FDP den Fraktionen, die bei ihrem 5-Mann-Antrag nicht mitmachen, wieder Verweigerung und Demokratiefeindlichkeit vorwerfen. Als wäre nicht die Annahme der AfD-Wahl durch ihren Kandidaten die eigentliche Sauerei.

Wäre der FDP wirklich an einer echten und schnellen Lösung gelegen, müsste Kemmerich schlicht die Vertrauensfrage stellen. Scheitert diese, muss der Landtag innerhalb von drei Wochen einen neuen Ministerpräsidenten wählen oder innerhalb von 70 Tagen Neuwahlen ansetzen.

Das will er aber erst tun, wenn die Landtagsauflösung auf Antrag nicht funktioniert, also am Sankt Nimmerleinstag. Den Zeitpunkt, wann das Scheitern festgestellt wird, kann er nämlich ziemlich alleine bestimmen. Und so lange ist er weiterhin (selbst nach einem Rücktritt) geschäftsführender Ministerpräsident.

Spielt da jemand einfach auf Zeit in der Hoffnung, die Wähler würden irgendwann die Schurkerei schon wieder vergessen? Oder gar in der, die thüringische CDU entdeckt wieder ihre „staatspolitische Verantwortung“ und unterstützt ihn weiter – schließlich haben sie ihn auch gewählt?

Die Vertrauensfrage würde er auf alle Fälle verlieren, weil er zur Bestätigung des Vertrauens die absolute Mehrheit bräuchte. Vielleicht hat er auch nur Angst, dass ihm nur noch seine FDP und die AfD das Vertrauen aussprechen? Dass die CDU kein Problem damit hat, einem Regierungschef, den sie soeben gewählt hat, gleich darauf das Vertrauen zu entziehen, hat sie schon an höherer Stelle, bei der so erzwungenen Bundestagsneuwahl 1983, bewiesen.

Bei Kemmerich, aber noch mehr bei Lindner hat man das Gefühl, dass sie sich immer heftiger in ihren immer neuen Lügen verstricken. Man lügt sich halt durch, so lange es geht. Für Demokratieretter kein besonders überzeugender Ansatz.

Für die nicht ganz so alten Leser unter uns:

Uwe Barschel (CDU) war von 1982 bis 1987 Ministerpräsident in Schleswig-Holstein. Im Wahlkampf 1987 ließ er seinen Gegenkandidaten bespitzeln und verbreitete falsche Dossiers über ihn, was er im Fernsehen mit großem Gehabe – und unter Bemühung seines „Ehrenwortes“ (ein interessanter Begriff in diesem Zusammenhang) – abstritt. Welchen Dreck er sonst noch am Stecken hatte, wurde nie aufgeklärt. Am 11. Oktober 1987 beschloss er, seinem Leben ein Ende zu setzen.

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