Die schönsten Staus entstehen durch die Ankündigung ihrer selbst.
Urlaub ist als strukturelle Umweltsauerei ziemlich verpönt neuerdings. Ganz schlimm: Flugzeug. Fast genauso schlimm: Kreuzfahrt. Am schlimmsten, weil am meisten aber immer noch: Auto. Was viele nicht wissen:
Seit Jahren arbeitet unsere bekannt automobilkritische Bundes- und natürlich auch die bayerische Staatsregierung an einer Reduzierung des Urlaubsverkehrs.
Die bayerische Staatsregierung versucht, mit Hilfe des parteieigenen Fernsehsenders die Menschen zum Zuhausebleiben zu bewegen. „Dahoam is dahoam“ heißt das unsäglich dümmliche Machwerk. Dass sie damit tausende von Deutschen in die Flucht treibt und damit ähnlich erfolgreich ist wie bei der Bekämpfung der AfD, ist Fakenews.
Wesentlich cleverer stellen sich da die deutschen Autobahnbehörden (Chef: Verkehrsminister Scheuer) an:
Beliebt sind zum Beispiel ständig wechselnde Höchstgeschwindigkeiten durch die „elektronische digitale Verkehrsführung“. Das Prinzip geht so: Je mehr Autos, desto geringer die erlaubte Geschwindigkeit, desto mehr Stau. Vor allem, weil beim Runtersetzen des Tempolimits so mancher Autofahrer erschrocken auf die Bremse tritt. Was das im dichten Kolonnenverkehr bedeutet, weiß jeder.
Manchmal gibt es Autofahrer, die es für klüger halten, einfach zügig weiterzufahren, aller Anzeige zum Trotz. Das geht recht flüssig. Bis hinter der Kurve der Polizei-BMW auf dem Standstreifen auftaucht. Da nehmen die meisten lieber 60 auffahrende Autos nebst menschlicher Kollateralschäden in Kauf als „dobrindtorange“ in Flensburg.
Sehr wirkungsvoll ist auch die Anzeige „Staugefahr“. Man fährt entspannt, fröhlich und luftverpestend dahin und plötzlich: STAUGEFAHR! Dann aber schnell runter vom Gas oder besser gleich auf die Bremse. Man möchte ja nicht der Depp sein, der trotz Warnung auf den möglichen Stau draufknallt. Und kaum ist man so unter der Anzeige durchgefahren, hat sie auch schon ihre Berechtigung: Der Stau ist da.
Wesentlich diffiziler, ja geradezu feinsinnig fallen die steuerlichen und semantischen Mittel zur Verkehrsreduzierung aus: Steuerlich begünstigt werden sogenannte Oldtimer, weil sie als sowas wie Kulturdenkmäler gelten. Besonders beliebt sind dabei Uralt-Cabrios. Die schaffen nicht mehr als 90 Stundenkilometer – und das ist auch gut so. Ab Tempo hundert hilft nämlich auch der beste Tacker nichts: Da weht’s dem junggebliebenen Mittsiebziger das Toupet vom Schädel und das bleibt dann bestenfalls an der Radioantenne des Hintermanns hängen wie weiland der Fuchsschwanz am Opel Manta. Und so beruhigt der Cabriofahrer steuerbegünstigt die Autobahn. Mit Wohlwollen sieht’s der diensthabende Verkehrspolizist in seinem BMW am Straßenrand.
Manchmal gibt es aber Situationen, da ist alles gut: Der leicht schief hängende Truck aus Bulgarien überholt auf den nächsten 16 Kilometern die endlose Kette niederländischer Wohnwagengespanne (der Cabrio-Fahrer hängt irgendwo zwischen denen und kommt nicht raus), ganz links versuchen BMW- und Audifahrer, den Tod zu überholen.
Ich versuche zu überleben.
Bis vor mir ein auf einem Brückengeländer aufgespanntes Textband erscheint:
Stau = Rettungsgasse
Hä??
Stau ist gleich Rettungsgasse?
Wie war das mit der Logik? Wenn A A ist, kann A nicht zugleich nicht A sein oder so? Wenn also Stau ist, kann Stau nicht gleich nicht Stau sein – und schon gar nicht Rettungsgasse. Sonst wäre ja Rettungsgasse Stau – und nicht im besten Fall irgendwas zwischen dem oder sogar zwei Staus.
Das Muster begann mich zu interessieren: Herzinfarkt = Krankenhaus. Durst = Biergarten. Seehofer = Klapsmühle.
Das hat Spaß gemacht. Viel Spaß. So viel Spaß, dass ich ganz vergessen habe, weiterzufahren.
Ihr glaubt ja nicht, was hinter mir los war.
So. Das war die Ehrung des Sommerlochs. Ab sofort kann wieder über politische Themen geschrieben werden. Über Hundekrawatten zum Beispiel.
Danke an dieser Stelle, dass dieser interessante Blog von euch betrieben wird. Weiter so.