A Hunderl isser scho

A Hund isser scho, sagt man in Bayern über Menschen, die es schaffen, ihre Interessen durchzusetzen mit Methoden, die irgendwo zwischen komisch schräg und schwer kriminell liegen. Wobei die Bewunderung über das Durchsetzungsvermögen die offensichtlich nicht besonders ausgeprägte Abscheu über das Kriminelle deutlich übersteigt.

Das Vorbild aller bayerischen Hünd ist Franz Josef Strauß, der es im Laufe seines Lebens zum wohl reichsten Metzgerssohn der Welt gebracht hat.

Als beim vorletzten Fränkischen Fasching ein Fürther Komikerduo allen anwesenden Polit-Promis ein Wiener Würstchen überreichte, bekam nur Hubert Aiwanger keines. Seines bekam sein „Herrchen“ Söder, zur Verwendung als Belobigungs-Leckerli.

Das muss den Hubert Aiwanger tief getroffen haben. Seither versucht er mit noch bizarreren Äußerungen als üblich – was gar nicht so einfach ist – seinen Hundestatus zu verbessern.

Hätte er gewusst, was er sagte, hätte er es in vollem Bewusstsein aller Konsequenzen gesagt, wäre er mit seinem jüngsten Spruch wohl tatsächlich der Hundereife deutlich näher gekommen.

Aiwanger sprach: „Wenn man wieder in den Biergarten darf, dann kauft man auch wieder ein neues Auto“.

Der Würzburger Mainpost-Redakteur Benjamin Stahl hat darauf hingewiesen, dass sich hinter dieser Aussage ein ganzes Konjunkturprogramm verbirgt. Insofern gebührt ihm die Ehre der Ersterkennung der ganzen Wucht des Aiwanger-Satzes. Dessen umfassender Wirkung wird Stahl aber in seinen Ausführungen bei weitem nicht gerecht.

Dass die Öffnung von Biergärten vor allem für das gebeutelte Brau- und Gastgewerbe ein Segen ist, liegt auf der Hand. In Biergärten füllt man sich ja nicht nur ab bis Oberkante Speiseröhre. Ist dieser Zustand erreicht, wird das Bier mit dem Ziel einer Zweitfüllung häufig in fest montierte Kotzbecken abgelassen. Das ist allemal wirtschaftlicher, als es nach dem Brauen direkt in den Gulli zu schütten. Der bayerische Innenminister wies bereits darauf hin, dass zurzeit nur jedes zweite Kotzbecken benutzt werden darf und Verstöße gegen die Nasen-Mund-Bedeckungspflicht, die für den Gast eintritt, sobald er sich von seinem Stuhl erhebt, für den Zeitraum der oralen Entleerung toleriert werden.

Die Zahl der Besucher in Biergärten darf auf absehbare Zeit höchstens 90% der Zahl der vorhandenen Stühle betragen. Jeder neunte Platz muss also frei bleiben. Der bayerische Brauerei- und Gaststättenverband versucht, diese Regelung einzuhalten, indem nur Menschen mit Lederhose bzw. Dirndl zugelassen werden. Ein wahrer Auftragsboom für Abdecker, Kürschner und Schneider wird die Folge sein. In den sieben Wochen des Freiheitsentzugs ist die immer ein bisschen feuchte Lederhose nämlich ordentlich eingeschimmelt. An die frische Luft durfte man ja nur, um Sport zu machen. Lederhosen betreiben keinen Sport. Und die Dirndl passen nach sieben Wochen Wohnungshaft wegen der von Dutzenden von Hilfsinitiativen herbeigeschleppten Nutellagläser längst nicht mehr.

Doch nicht nur vor und während des Biergartenbesuchs wirkt Aiwangers Konjunkturprogramm. Die deutlich wichtigeren Folgen ergeben sich danach:

Zwar konnten sich die meisten Apotheker mit selbstgebrautem Desinfektionsmittel gerade noch vor dem Verhungern retten, aber die finanziellen Einbußen durch den Verkaufsrückgang von Haarwuchsmitteln trafen die Branche schon hart. Hinfort werden vor allem Kopfschmerztabletten aller Art die Umsätze in die Höhe schnellen lassen. Staatliche Hilfe fordern die Pharmazeuten jetzt nur noch für die psychologische Betreuung der überwiegend zutiefst depressiven Apotheker, die sieben Wochen lang ihrer Kundschaft statt schützender Atemmasken nur ihre Apothekenzeitung mitgeben konnten, wohl wissend, dass diese dem Virus genauso wenig entgegenzusetzen hat wie allen anderen Krankheiten.

Wirtschaftlich erhebliche Erfolge sind zu erwarten durch Aiwangers Idee, den Biergartenbesuch mit einem Automobilkauf zu kombinieren. Wer geht schon zu Fuß in den Biergarten, wenn er ein neues Auto vor der Türe stehen hat? Dadurch kann die Verweigerung einer Abwrackprämie durch die Regierungskoalition mehr als kompensiert werden. Jetzt werden nämlich nicht nur alte, ohnehin bald fällige Fahrzeuge verschrottet, denn, ähnlich wie beim Bierkonsum im Garten, folgt nach der Heimfahrt auf die Vernichtung des Neuwagens sofort ein Zweitkauf.

Der entscheidende Vorteil gegenüber der traditionellen Abwrackprämie ist, dass von dieser Methode nicht nur die Automobilindustrie und die Schrottpresseneigner profitieren, sondern auch zahlreiche andere Branchen:

Eines der Argumente, mit denen die Abschleppfirmen staatliche Hilfe forderten, war die Behauptung, ihre Gewerbe könne nicht mit Kompensationsgeschäften nach der Pandemie rechnen. Die Leute würden nach der Krise nicht mehr Autos zu Schrott fahren als vorher. Dieses Argument ist nun obsolet. Denn dank Aiwangers Vorstoß werden die Kompensationsgeschäfte bereits in die Pandemie vorgezogen.

Vom dabei steigenden Bedarf an Krücken, Bruchschienen und Verbandsmaterial profitieren Sanitätshäuser und Apotheken gleichermaßen.

Und natürlich wird eine Berufsgruppe zu neuem Leben erweckt, deren trauriger Lebensinhalt wegen der Angst ihrer Kunden vor Ansteckung es während der letzten Wochen war, die leeren Stühle in ihren Wartezimmern zu zählen: die Ärzte und Zahnärzte, besonders letztere. Wem die Schneidezähne in der Zunge stecken, der scheut auch das Ansteckungsrisiko nicht. Während hier also wieder mächtig gerissen, geklammert und implantiert wird, können sich Teile der Nahrungsmittelindustrie die Hände reiben: Nudelhersteller zum Beispiel. 40 Minuten lang gekocht, sind diese auch für Aiwangeristen schaffbar. Und Metzger. Hackfleisch vom Jungkalb, mit eingeweichten Semmeln schlüpfrig gemacht, ist jetzt nicht nur bei Senioren der Renner.

So nimmt die Wirtschaft quer durch alle Branchen wieder Fahrt und selbst die Rechtsanwälte ihre Tätigkeiten wieder auf. Zumindest der Teil, der auf Wirtschaftskriminalität spezialisiert ist, saß doch wochenlang däumchendrehend in der Kanzlei. Wo im Lockdown keine Wirtschaft, auch keine Wirtschaftskriminalität, zumindest keine, die man verfolgt, wie Ladendiebstahl oder widerrechtliche Flaschenpfandaneignung. Jetzt kehrt auch hier ein Stück der so heiß ersehnten deutschen Normalität zurück.

Schade, dass der Hubert Aiwanger selber gar nicht gemerkt hat, was für ein geniales Programm er mit seiner Aussage angestoßen hat. Vielleicht hat er sich aber auch nur nicht getraut, das laut zu sagen, aus Angst vor dem Corona-Stalin Söder, dem so viel Freiheit einfach zuwider ist.

Er ist halt doch nur ein Hunderl.

Aber dass er dafür sorgt, dass die Bayern bald in ihren Wohnungen oder auf ihren Balkonen sitzen und ihre gebrochenen Gliedmaßen, zerschredderten Zähne und eingedrückten Nasenbeine pflegen, also jetzt wirklich daheim bleiben, wenn auch viel freier als vorher, das wird selbst dem Söder gefallen.

Ein Stückerl vom Würsterl wird’s dafür schon geben.

Fürs Hunderl.

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