Jetzt haben wir dem neuen Jahr eineinhalb Monate Bewährungszeit gegeben, und schon hat’s das Jahr so gut wie vermasselt. Dabei hat doch alles so gut angefangen. Die letzte gute Nachricht des Jahres 2022 dominierte den Beginn des neuen:
Freundlich, wie sie nun mal ist, hat die taz ihm noch einen netten Wunsch nachgeschickt:
(Beide Fotos sind hier auch ausdrücklich zum Zwecke der Bewerbung der spendierenden Zeitschriften „titanic“ (oben) und „taz“ (unten) eingefügt).
Durchaus zu den guten Nachrichten darf auch das köstliche Gezänk im Vatikan nach der Himmelfahrt des Ex-Papstes gezählt werden: Während dessen ehemaliger Privatsekretär kräftig gegen Franziskus keilt, erklärt dieser scheinheilig, dass er im Gegensatz zu Gänswein für Friedfertigkeit stehe. Zum Beweis keilt er zurück: „Das Geschwätz ist eine tödliche Waffe: Es tötet, es tötet die Liebe, es tötet die Gesellschaft, es tötet die Geschwisterlichkeit“, lässt er Gänswein via Predigt wissen.
Hübsch auch der ganz und gar unchristliche Streit um eine Wohnung im Vatikan, die Gänswein seiner Meinung nach zustehe, die ihm aber der (noch lebende) Papst vorenthalten habe: „Das missfiel mir“, schreibt der Ex-Privatsekretär in seinem „Enthüllungsbuch“, „weil ich spürte, dass jemand dahintersteckte, der die Wohnung übernehmen wollte“.
Da fliegt viel heiliger Dreck hin und her.
Den Übergang von den guten zu den schlechten Nachrichten lieferte die bayerische Dreckschleuder Holetschek, der RKI-Chef Wieler als „das Gesicht der Pandemie“ bezeichnete. Das Gesicht ist inzwischen zurückgetreten.
Daraufhin demonstrierte das neue Jahr eindrucksvoll, dass es sich von Rücksichten, Heucheleien, Menschlichkeit oder gar Vernunft in seinem weiteren Werdegang nicht mehr beeindrucken lassen wird:
Ein Ölboss aus den Vereinigten Arabischen Emiraten, Sultan Sultan Ahmed al-Dschaber, wird Chef der UN-Klimakonferenz 2023, die in Dubai, dem weltbekannten Zentrum für nachhaltige und ressourcenschonende Wirtschaftspolitik, ihren passenden Rahmen finden wird.
Einen weiteren Erfolg kann der Umweltschutz in Lützerath verbuchen: Lützerath darf abgebaggert werden, obwohl jeder weiß, dass es die darunterliegende Braunkohle (hust!) nicht braucht. Argument: RWE und der Rechtsstaat wollen das so. RWE will das, weil es die Kontrolle über diese lästigen erneuerbaren Energien noch nicht hat und man doch schon mühsam so viel Wald gerodet hat, und der Rechtsstaat will nun mal, dass einer der reichsten deutschen Konzerne das auch bleibt.
Auch hier wird nicht mehr rumgelogen. Wirtschaftsminister Habeck ist einer der letzten, der noch versucht, die Brutalitäten des Kapitalismus schönzureden: die staatliche Unterpflüg-Genehmigung sei gut, schließlich würden fünf andere Dörfer stehenbleiben. Wie schön! Ob das einen Richter beeindrucken würde, wenn der Mörder sagt, er habe nur einen umgebracht, es hätten ja auch sechs sein können?
Noch ehrlicher wird der Anwalt von RWE. Nachdem man die Bewohner von Lützerath durch immerwährendes Baumsägen-Massaker rund ums Dorf, durch ständige Bodenerschütterungen wegen der direkt angrenzenden Kohlegrube und durch wiederholtes Abschalten der Versorgungsleitungen aus „technischen Gründen“ aus dem Dorf vertrieben hat, erklärt der einfühlsam, dass er „den Wirbel um ein paar verlassene Häuser“ eh nicht verstehe. Außerdem GEHÖRE das Dorf RWE.
So ist das. Grundherrschaft war früher ein Privileg des Adels, jetzt ist es eines der Konzerne. Während die Adeligen nur ihre Untertanen ausbeuten konnten, schaffen die Konzerne das viel flächendeckender: Neben der üblichen Ausbeutung der Arbeiter ist bei ihnen die ganze Gesellschaft dabei: Bei der sogenannten Strompreisgrenze zahlen Privatpersonen bis zu 40 Cent pro Kilowattstunde. Damit wird die Bevölkerung gezwungen, den bei 13 Cent gedeckelten Strompreis für die Industrie zu subventionieren. Weil der Rechtsstaat will (siehe oben…)
Das alles passt gar nicht so zu der „Zeitenwende“, die uns der Bundeskanzler immer einreden will. Die funktioniert ja noch nicht mal beim Militär.
Der omnipräsente olivgrüne Selensky versucht nach wie vor mit aller Macht und List, die NATO und besonders Deutschland in den Ukrainekrieg hineinzuziehen (sofort nach der Zusage von Kampfpanzern kam die Forderung nach Kampfjets, nach ein paar Monaten wird wohl wegen der bis dahin eingetretenen Verluste die Bitte um westliche Soldaten folgen).
Allzu bereitwillig, ja geradezu begeistert lassen sich viele auf alle bisher gestellten Forderungen ein. Das journalistische Sturmgeschütz des Krieges, der SPIEGEL, versteigt sich in einem nationalen Rausch zu der Aussage, der deutsche Kanzler dürfe sich nicht mehr „hinter Biden (…) verstecken“, die Bundeswehr müsse sich den „Osteuropäern als Ankerstreitkraft anbieten“, dann könnten „die kleineren osteuropäischen Länder mit ihren Streitkräften in die Bundeswehr aufgenommen werden“ (ernsthaft so formuliert: SPIEGEL 7/2023, S. 6).
Slowenien in die Bundeswehr! Denn dann, da ist sich dieser unsägliche Konstantin von Hammerstein einfach sicher, brauche Deutschland auch keine Atomwaffen, denn dann „reichen schlagkräftige konventionelle Streitkräfte völlig aus, (…) um Russland glaubwürdig abzuschrecken“.
Sorry, der Mann dreht doch völlig am Rad! Wenn die USA mal keine Lust mehr haben, Europa zu verteidigen, übernimmt Deutschland die osteuropäischen Staaten „in die Bundeswehr“ und „schreckt Russland ab“. Weder Atomwaffen, noch die NATO noch die westeuropäischen Länder spielen bei dieser Strategie eine Rolle. Ob der die Zeitenwende als eine Wende rückwärts interpretiert?
Wie es um die militärische Führungsrolle Deutschlands (die der Bundeskanzler NICHT „rhetorisch (…) beansprucht“, hier lügt Hammerstein) aussieht, kann man jeden Tag aus der Presse erfahren. Erst verspricht man großspurig Kampfpanzer, um dann festzustellen, dass man eigentlich gar keine hat und erst uraltes Gerümpel „ertüchtigen“ muss. Die als Ersatz für die gelieferten Gepard-Schützenpanzer vorgesehenen Hightech-Marder blieben bei einer Übung zu 100% (18 von 18) liegen.
Gar nicht so schlimm, befand der Hersteller Rheinmetall, der seinen Sitz zufällig im Wahlkreis der FDP-Haubitze Strack-Zimmermann hat. Bei 17 Fällen seien es ja nur leichtere Mängel gewesen.
Das dürfte den Soldaten der „Ankerstreitmacht“ im Kampfeinsatz ziemlich egal sein, ob ihr Gefährt wegen schwerer oder leichterer Mängeln stehenbleibt.
Auch bei der Digitalisierung ist die „Zeitenwende“ schon eindrucksvoll gescheitert: Zur Festsetzung eines aktualisierten Grundsteuersatzes werden sämtliche Immobilienbesitzer aufgefordert, entsprechende Daten per Formular beim Finanzamt einzureichen. Gemarkung, Flurstück, Grundstücksgröße usw. Daten, die alle entweder das Grundbuchamt oder gar das Finanzamt selbst bereits hat. Wie sonst könnte es mir quadratmetergenau meine „Kanaleinleitungsgebühr“ berechnen? Die Daten, die man nicht wisse, könnten die Bürger doch einfach beim Grundbuchamt erfragen, bescheidet der bayerische Finanzminister. Und dann ans Finanzamt schicken. Oder vielleicht die Grundstücksgröße beim Finanzamt erfragen, den Wert ins Formular eintragen und ans Finanzamt zurückschicken?
Offensichtlich ist es der Bürokratie nicht zuzumuten, vorhandene Daten auszutauschen.
Ein taz-Karikaturist hat das wunderschön auf den Punkt gebracht: Ein Mann steht im Zimmer, in der linken Hand einen Briefumschlag, in der rechten das Schreiben, und erklärt seiner Frau: „Ein Schreiben vom Amt. Die möchten wissen, wie wir heißen und wo wir wohnen.“