Das Märchen von der gespaltenen Gesellschaft

Die unsinnige und auch gefährliche These von der durch Corona „gespaltenen Gesellschaft“ breitet sich in den Medien schneller aus, äh, als ein Virus: Der Bayerische Rundfunk moderierte heute seinen „Report“ an mit Bildern von in der Schlange stehenden Impfwilligen und Interviews mit Impfgegnern und suggeriert so, es gäbe da zwei relativ gleichstarke Gruppen, die sich gegenüberständen. Derselbe Unsinn wurde auch schon zu Beginn der Pandemie praktiziert, als man die Äußerungen von zwei, drei durchgeknallten Ärzten, Covid sei nichts anderes als eine harmlose Grippe, als „die andere wissenschaftliche Meinung“ hofierte.

Wir haben über 71% Erstgeimpfte, also Impfwillige. Von den knapp 30 Prozent nicht Geimpfter sind ein Drittel Kinder von 0-11 Jahren, die noch keine Impfung bekommen können oder Jugendliche von 12-17 Jahren, die erst seit kurzem geimpft werden und mit 46% noch Aufholbedarf haben. Die nicht Geimpften in diesen beiden Gruppen machen fast 15% der Gesamtbevölkerung aus. Von den verbleibenden 15% dürfte die Hälfte in bislang von allen Kampagnen noch nicht erreichten Milieus / gesellschaftlichen Gruppen leben, die auch nicht unbedingt Impfgegner sind. Das linksgrün versiffte Bremen macht vor, wie man diese erfolgreich ansprechen kann.

Bleibt also eine ABSPALTUNG von ca. 7% bewusster Impfverweigerer bzw. -gegner, die aber lauter schreien als die riesengroße Mehrheit der Gesellschaft, die sich einig ist.

Dieser kleinen Minderheit wird in den Medien sensationsgeile Aufmerksamkeit geschenkt, wodurch sich die Politik hat erschrecken lassen und der sie unverantwortliche Zugeständnisse gemacht hat.

Wenn man sich anhört, wie diese Impfgegner argumentieren („die Biontech-Gründer sind keine Deutschen, denen traue ich nicht“ / „Ärzte ermorden für 35 Euro Millionen Menschen“ – zwei Zitate aus den letzten Tagen), darf man sich wirklich fragen, warum auf die so viel Rücksicht genommen wird.

Für die latent 10% Alkoholiker in unserer Gesellschaft macht man doch auch keine Sonderregelungen und lässt sie besoffen Auto fahren, um eine Spaltung der Gesellschaft in Besoffene und Nichtbesoffene zu verhindern.

Ehrlich gesagt möchte ich mit Menschen, die so argumentieren wie oben zitiert, gar nicht in einer Gesellschaft zusammenleben. Für eine Abspaltung, in welcher Form auch immer, wäre ich eher dankbar.

 

 

Macht uns nicht an, Politiker!

Das Outing ist leider hier unumgänglich: Ich bin natürlich doppelt geimpft, Zweitimpfung Anfang Juli. Mein gesamter Bekanntenkreis auch. Nachdem sogar die stets sehr zögerliche Stiko inzwischen die sog. Booster-Impfung für alle fünf Monate nach der Zweitimpfung empfiehlt, hielt ich es, abgeschreckt von den endlosen Schlangen vor den wenigen noch verbliebenen Impfstellen, für richtig, mich um einen Termin für die Auffrischungsimpfung zu bemühen.

Schließlich hat man ja auf Anordnung des Grögmaz (Größter Gesundheitsminister aller Zeiten) Ende September, just vor Beginn der vierten Welle und der herbstlichen Hochsaison in den Arztpraxen weitgehende 2G-Regelungen beschlossen und gleichzeitig unfassbarerweise die sehr gut funktionierenden Impfzentren geschlossen. Das Impfen könnten jetzt die Hausärzte übernehmen, so der Grögmaz übereinstimmend mit oder auf Druck des Chefs der Kassenärztlichen Vereinigung. Blöd nur, dass die Hausärzte im Herbst wirklich genug zu tun haben und ihre Praxen unter dem Ansturm der Impfwilligen regelrecht zusammengebrochen sind, weshalb ein Großteil der Praxen aus der Corona-Impfung ausgestiegen ist. (Eigene Erfahrung eins: vier Tage Dauerwählen, um bei meiner Hausarztpraxis überhaupt durchzukommen – wegen einer akuten anderen Sache. Eigene Erfahrung zwei: Schon Anfang Oktober war es für die, die als erste geimpft worden waren, die ganz Alten, so gut wie unmöglich einen Booster-Termin zu bekommen. Zwei abgebrochene stundenlange Ansteh-Versuche bei miesem Wetter und eine Suchfahrt durch den Landkreis in den frühen Morgenstunden benötigte eine gute Bekannte, um die dritte Impfung zu ergattern.)

Aber doch ein Lichtblick: In meiner Stadt, Würzburg, hat man offenbar auf die Endlos-Schlangen regiert und eine (zwar deutlich kleineres) neues Impfzentrum eröffnet. Mit Terminvergabe. Über das bayerische Impfportal. Dort sind aber angeblich überhaupt „keine Termine mehr frei“, sagt die Software. Könnte auch daran liegen, dass man das neue Impfzentrum schon vor der Eröffnung wieder geschlossen hat (das muss man erst einmal hinkriegen!), weil die dafür in Anspruch genommene Turnhalle für den Schulsport benötigt wird, wie irgendjemand von der Stadtverwaltung herausgefunden hat. Also alles wieder einpacken und Umzug in ein leerstehendes Gewerbegelände. Das dauert.

Dass auch an allen anderen Impfstellen in Stadt- und Landkreis Würzburg keine Termine zu kriegen sind, könnte allerdings auch daran liegen, dass der Grögmaz plötzlich die Biontech-Zuweisungen radikal gekürzt hat. Natürlich ist es blöd, dass die Deutschen nur Biontech wollen, aber das wiederum könnte ja auch daran liegen, dass man Moderna ähnlich wie Astra-Zeneca im Sommer gefährlichgeredet hat.

Wie stümperhaft bis zum Zynischen die Politik agiert, lässt sich an der Verlautbarung der Stadt Hamburg sehen, die Impfwilligen auf ihrer Website empfiehlt, sich auf „längere Wartezeiten“ einzustellen und an „warme Kleidung sowie gegebenenfalls an einen Regenschirm“ zu denken. Weiß man in Hamburg eigentlich nicht, dass gerade jetzt die ganz Alten, die zuerst geimpft wurden, zum Boostern dran sind? Offensichtlich hat man kein Problem damit, die stundenlang im Regen stehenzulassen.

Fast ein bisschen schadenfroh weist der Grögmaz darauf hin, dass sich ja alle im Sommer hätten impfen lassen können, dann gäbe es jetzt diese Schlangen nicht. Dass die Leute das nicht gemacht haben, könnte ja auch daran liegen, dass er und seine Gesinnungsgenossen im Sommer ständig vom „Ende der Pandemie“ geschwafelt und radikal praktisch alle Beschränkungen aufgehoben haben, was natürlich nicht gerade ein Motivationsschub zum Impfen war. Aber einer für das Virus.

Nachdem man eine gut funktionierende Impfstruktur mutwillig zerstört hat, verschreckt man jetzt Tausende von Impfwilligen (auch für eine Erstimpfung) durch stundenlange Wartzeiten buchstäblich bei Wind und Wetter.

Wer seinen Job – aus welchen Gründen auch immer, vielleicht gibt es ja schlimmere als blanke Unfähigkeit – so miserabel erledigt, sollte sich eigentlich in Grund und Boden schämen, statt die Leute anzumachen, dass sie sich nicht stundenlang in Regen oder Schnee stellen wollen.