Kaum ist man den größten Lügenbold des Westens los, scheint ein anderer auszutesten, wieviele Fake-News man der Öffentlichkeit auftischen kann, ohne für verrückt erklärt zu werden.
Der selbsternannte Putin-Vernichter Nawalny hat wieder mal zugeschlagen, mit einer wiederum höchst abenteuerlichen und vor Widersprüchen nur so strotzenden Geschichte: „Ein Palast für Putin“ nennt er sein „Enthüllungsvideo“, das er und „sein Team“ nach eigenen Worten „beschlossen“ hatten, als er noch auf der Intensivstation in Deutschland lag. (Per Zoom-Konferenz von einer deutschen Intensivstation aus?) In dem Video wird ein riesiger Palast gezeigt, den sich Putin angeblich aus Schmiergeldern finanziert habe.
Eines vorweg: Dass es in Russland breitflächig Korruption gibt, ist kaum anzuzweifeln, wenn man sich ansieht, wie viele Multimillionäre nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion in kürzester Zeit aus dem System, das angeblich Eigentum an Produktionsmitteln verboten hat, entstanden sind. Ein Herr Chodorkowsky z.B., der unter Staatschef Jelzin noch Minister für Energie war, war ein paar Jahre später Besitzer eines Energiekonzerns und eines zweistelligen Milliardenbetrags (in Euro gerechnet, versteht sich). Solche sog. Oligarchen aus den früheren Reihen der KPdSU (auch Chodorkowsky war dort Funktionär) entstanden im Rahmen der Privatisierung der Wirtschaft unter Jelzin und auch noch Gorbatschow reihenweise. Dass die sich Paläste bauen und überall auf der Welt mit unglaublichem Protz auftreten, ist ja kaum zu übersehen.
Der ehemalige Kommunist und spätere Multimilliardär Chodorkowsky war später der wohl heftigste Gegner Putins. In diesem Zusammenhang könnte man ja auch mal die Frage aufwerfen, wer eigentlich das „Team Nawalny“, das doch über beträchtliche Mittel zu verfügen scheint, finanziert.
In dem Film (der teilweise von der ARD-Sendung „Weltspiegel“ ausgestrahlt wurde), wird gezeigt, wie eine knallrote Drohne über den besagten Palast fliegt, angeblich um die gezeigten Aufnahmen zu machen. Während später einer der „Zeugen“ aussagt, es herrsche dort Überflug- und strengstes Fotografierverbot, Drohnen würden sofort abgeschossen, ist es dem Team von Nawalny nicht nur gelungen, eine auffällig rote Drohne unbehelligt über das Gelände fliegen zu lassen, sondern diese dabei auch noch zu filmen. Superman Nawalny foppt Putins Sicherheitskräfte halt zu gerne…
Derselbe Zeuge, der sich als Naturschützer ausgibt, erklärt später, der Palast sei mit Haupteingang und Park vom Meer weg in Richtung Land errichtet worden. Auf der Meerseite sei ein dichter Wald, um ihn „zu verstecken“. Ein paar Sätze weiter zeigt er sich „erschüttert“, dass vor dem Gelände, wo früher unberührte Natur gewesen sei, jetzt ein künstlicher Strand und ein Yachthafen angelegt wurden. So blöd können auch nur Putins Helferhelfer sein: Erst einen Wald zum Verstecken anpflanzen und dann davor einen Yachthafen bauen. Laut desselben „Zeugen“ habe „man schon immer gewusst, wer in den Palast einziehen würde“ (er meint Putin). Die Verifizierung dieser Behauptung lässt allerdings noch auf sich warten.
Dann werden jede Menge Prunkzimmer gezeigt, aber auch ein „Spielzimmer“ mit einer Modelleisenbahn sowie ein kompletter Grundriss der Anlage. Nawalny lässt erklären, dass ein Bauunternehmer ihm die Pläne gegeben hätte und Bauarbeiter und Möbelpacker Fotos von den Räumlichkeiten. Ganz schön mutig für Beschäftigte in einer so geheimen Baustelle, dass sogar der Geheimdienst ein Betretungsverbot durchsetzt… Überprüfen lässt sich die Aussage natürlich nicht. Die vielen gezeigten Zimmer hat das „Team Nawalny“ aus diesen Angaben als „virtuelles Modell“ nachgebaut (!). Erinnert sehr an die Strategie des CIA, mit der man Saddam Hussein den Besitz von ABC-Waffen nachweisen wollte mit angeblichen Fotos von fahrenden Fabriken, die in Wahrheit angemalte Modellautos waren. Wer weiß, wer noch alles zum „Team Nawalny“ gehört…
Um die Verruchtheit des angeblichen Bauherren Putin zu unterstreichen, ist die Rede von einer „als Hügel getarnten unterirdischen Eishockeyhalle“. Da hat das „Team Nawalny“ aber die eigenen Bilder nicht gut angeguckt: Zu sehen ist eine Betonhalle mit begrüntem Dach, eingerahmt von mächtigen, ganz und gar nicht getarnten, ja nicht einmal grün angestrichenen Betonwülsten. Vermutlich die übliche Putin-Schlamperei. Schade trotzdem, dass dem Umweltschützer-Zeugen nicht aufgefallen ist, dass Dachbegrünung eigentlich eine ganz gute Idee ist…
In den unendlich vielen Badezimmern gebe es, so Nawalny, Designer-Klobürsten aus Italien, Stückpreis 700 Euro, weswegen jetzt Tausende von Russen mit Klobürsten in der Hand gegen Putin protestieren, statt sich zu fragen, wo Nawalny diese entscheidende politische Information wieder her hat.
Äußerst bewundernswert ist übrigens die Geduld der russischen Sicherheitsbediensteten: In einer Szene ist zu sehen, wie Nawalny, vermeintlich in einem Ämtergebäude stehend, irgendjemandem in die Videokamera spricht, dass „sie“ (gemeint sind die Polizisten) ihn jetzt vermutlich in die Untersuchungshaft brächten. Anschließend darf er seine Anhänger noch auffordern, weiterzukämpfen und keine Angst zu haben. Ein angeblicher Polizist steht solange daneben und blickt betreten auf den Boden.
Das möchte ich mal in Deutschland erleben: Dass ich in einer deutschen Polizeistation per Video zum Umsturz aufrufen darf und die Polizei steht daneben und wartet geduldig, bis ich fertig bin.
Hierzulande wird gerade heftig vor Verschwörungstheoretikern gewarnt und mit leicht gruseligem Schauer auf Trumps Volksaufhetzung verwiesen. Klobürsten-Populist Nawalny wird dagegen als „Held“ gefeiert und bekommt mit seinen Machwerken, in denen nicht eine einzige Aussage einigermaßen glaubwürdig belegt wird, breiten Raum in erschreckend kritiklosen Medien eingeräumt.
Auf die Frage, wie er diesen Umgang mit Nawalny in Deutschland einschätze, antwortet der kluge Friedrich Küppersbusch in „taz“ vom 25.1.:
„Derzeit genügt es, dass er (Nawalny) gegen Putin und der sehr gegen ihn ist (…). Klar, Putins Regime unterstützt vieles, was den Westen destabilisiert. Und wir so?“
Trotz aller aktuellen Verärgerung über die eigentlich geschätzte und bei anderen Themen eher objektive Sendung „Weltspiegel“ hier der Link zum Nachsehen und -lesen:
https://www.daserste.de/information/politik-weltgeschehen/weltspiegel/sendung/weltspiegel-4254.html