Gelesen: Lucky Luke, Fackeln im Baumwollfeld

Echt jetzt? Ein Western-Comic? Aber mit dem größten Vergnügen!

Der legendäre Westernheld, der schneller schießt als sein Schatten, ist in die Jahre gekommen (eigentlich ist er schon 74, man sieht und merkt es ihm aber nicht an – nur das Rauchen hat er zwischenzeitlich aufgegeben und klemmt sich seitdem einen Grashalm zwischen die Lippen).

Im vorliegenden 99. Band erbt Lucky eine Baumwollplantage in den Südstaaten, Texter Jul macht daraus ein vehementes Plädoyer gegen Rassismus, Nationalismus, Trumpismus und sonst so alle Blödheiten, mit denen das derzeitige Amerika aufwarten kann.

Lucky erfährt vom Erbe während seines Urlaubs in einem ruhigen, verschlafenen Städtchen, dessen Cherokee-Name übersetzt „Siebenschläfer dösen ermattet im Abendrot“ bedeutet. Er hat null Interesse an der Farm und macht sich auf in den Süden, um sie an die schwarzen Farmarbeiter zu verschenken. Was zunächst bei diesen auf großes Unverständnis und dauerhaft bei den weißen Farmern auf heftigsten Widerstand stößt. Allein die köstliche Darstellung dieses arroganten Südstaaten-Farmergesocks ist die Lektüre des Bandes wert. Und die vielen netten Anspielungen: Eines der schwarzen Farmarbeiterkinder heißt z.B. Barack und wird von allen belächelt, weil er die „blühende Fantasie hat“, amerikanischer Präsident werden zu wollen…

Ein sehr politischer Western-Comic. Dass Zeichner Achdé ein Schüler des Asterix-Genies Uderzo ist, ist nicht zu übersehen und rundet das Vergnügen aufs Erfreulichste ab.

Echt jetzt.

Bleibt an Bord, Ratten!

Schiffsratten lassen es sich meistens gut gehen: Sie finden immer und fast überall zu fressen, schmarotzen sich so durch. Und sie haben angeblich ein untrügliches Gespür dafür, wenn es mit dem Schiff zu Ende, wenn es untergeht. Dann verlassen sie laut Sprichwort das sinkende Schiff, gehen ins Wasser, bevor es zu spät ist und suchen sich ein neues Schiff.

Eigentlich nachvollziehbar und vernünftig – wenn man eine Ratte ist.

Was aber, wenn man als Ratte nicht nur vom Schiff und seinem Kapitän schmarotzt hat, sondern ihn auch noch jahrelang gepriesen hat als den größten Schiffsführer und Rattenernährer aller Zeiten und ihm versprochen hat, man werde das Schiff bis zum letzten Nagezahn verteidigen, jedes Leck unverzüglich stopfen?

Dann zeigt man eben, dass man eine Ratte der allerübelsten Art ist, verlässt das sinkende Schiff natürlich trotzdem, nicht ohne vorher noch einmal in die Kapitänskajüte geschissen zu haben.

Etliche prominente Republikaner sind sich offensichtlich noch nicht so recht sicher, ob Trumps Niederlage tatsächlich unabwendbar ist und verstecken sich einstweilen in den hintersten Schiffswinkeln: Undenkbar, wenn der Alte das Boot doch noch einmal flott kriegen sollte und sie ihm aber schon in die Kabine geschissen hätten. Verfolgung, Erniedrigung, Rausschmiss! Man wird schon rechtzeitig mitkriegen, wann man tatsächlich ins Wasser springen muss.

Andere, deren Informationen offensichtlich den Schluss zulassen, dass das Schiff tatsächlich nicht mehr zu retten ist, gehen den oben beschriebenen Weg:

Vier lange Jahre lang haben sie dem Präsidenten die Stiefel geleckt, haben sie sich von ihm beleidigen, beschimpfen, feuern lassen und standen doch in Treue fest. Seit klar ist, dass der Alte ihnen nicht mehr viel antun kann, erwächst ihnen großer Heldenmut: Sie weisen Trumps wirre Äußerungen als Lügen zurück (jetzt!), sie erklären, er schade der Sache der Republikaner (jetzt!), sie fordern ihn zu einem würdevollen Abgang auf (jetzt!).

Fernsehsender, die Trump stundenlang Sendezeit eingeräumt haben, um seine aberwitzigen Lügen zu verbreiten, spielen (jetzt!) die tapferen Demokratieretter und drehen ihm den Saft ab. Und hinterlassen (darin Trump erschreckend ähnlich) noch einen Haufen Dreck: Sie sähen ihn „wie eine fette Schildkröte, die in der heißen Sonne auf dem Rücken liegt und um sich schlägt, weil er realisiert, dass seine Zeit vorbei ist“, wird ein Journalist zitiert.

Nein, nein, liebe Republikaner und Speichellecker: Das kommt jetzt wirklich zu spät. Wenn ihr wenigstens einen Hauch von Rattenehre im Leib habt: Bleibt an Bord und geht mit unter!

Die Schulen als letztes…

Eine kurze Pandemiezeitlang konnte man sich als Pädagoge verwundert die Augen reiben: Was genoss Schule plötzlich für eine Wertschätzung in der Gesellschaft! Selbst SPIEGEL-Redakteure, deren Blick auf die Schule bislang stets durch Verachtung oder nachhaltig verletzte Schülerseelchen geprägt war, ergingen sich in Lobeshymnen.

So auch jetzt: Bars und Gaststätten sind zu, sogar Theater dürfen nicht mehr arbeiten, aber Kitas und Schulen „sollen als letztes geschlossen werden“, sagt die Familienministerin und macht dabei ihr frommes Gesicht. Wirtschaftsminister Altmaier schiebt nach: „Kitas und Schulen müssen geöffnet bleiben, solange es geht!“.

Beide Formulierungen wie auch die Tatsache, dass sich ausgerechnet der Wirtschaftsminister für zuständig erklärt, sollten hellhörig machen: Wird hier doch eindeutig suggeriert, dass auch Schulen und Kitas früher oder später um eine Schließung nicht herumkommen werden. Nur halt als letzte oder wenn es gar nicht mehr geht? Nur, wann geht es eigentlich nicht mehr?

  • Wenn der letzte Kultusminister festgestellt hat, dass man nicht mal bei der Hälfte seiner Schulen die Fenster ordentlich aufmachen kann und er vergessen hat, im Sommer einen Schlosser zu bestellen?
  • Wenn man sich bundesweit darauf geeinigt hat, dass Luftreinigungssysteme für Klassenzimmer zu teuer sind?
  • Wenn sich in der Öffentlichkeit nicht mehr verheimlichen lässt, dass Klassen zum Unterricht kommen dürfen, obwohl Mitschüler positiv getestet wurden?
  • Wenn sich so viele Lehrer mangels zur Verfügung gestellter Schutzausrüstung angesteckt haben, dass der Schein eines regulären Unterrichtsbetriebs nach außen nicht mehr aufrechterhalten werden kann?
  • Wenn sich die Kultusministerkonferenz darauf einigt, dass man gemeinsam im Sommer verpasst hat, Konzepte zu entwickeln, wie man mit Hilfe der joblos gewordenen Lehramtsstudenten Kleingruppenunterricht unter Anleitung von Vollpädagogen organisieren könnte?

Oder „geht es“ einfach nicht mehr, wenn es wieder zu einem echten Lockdown kommt, bei dem auch die Eltern zu Hause bleiben müssen und ihre Kinder wieder selbst beaufsichtigen können? Die Tatsache, dass den ganzen Sommer über offensichtlich NICHTS konzipiert wurde, was einen „pandemie-gerechten“ Unterricht im Sinne von Schülern und Lehrern erlauben würde, lässt dies befürchten. Die Anschaffung von „Endgeräten“ ohne Anleitung, ordentliche Software und Kommunikationsplattformen (und damit ist nicht das berüchtigte bayerische Mebis gemeint, das schon in Vorcoronazeiten regelmäßig zusammengebrochen ist), bringt niemandem etwas – außer den Hardwareverkäufern. Dass man Lehrern, die das zweifelhafte Vergnügen haben, gehandicapt durch Maske in einem mit 30 Schülern, gehandicapt durch Masken, vollgepfropften Raum zu stehen und nach dem Schulgong zuzusehen, wie sich ihre Schützlinge mangels Maskenpflicht vor der Schultüre abknutschen, zumutet, neben ihrem Präsenzunterricht auch immer noch Material für einen plötzlichen Umstieg auf Online-Unterricht parat zu halten, dass man diese Lehrer nebenbei immer noch zusätzliche zeitraubende Hilfsarbeiten wie Schulaufgabensortieren und Geldeinsammeln erledigen lässt, spricht auch nicht für allzu große Wertschätzung und Interesse an erfolgreicher Bildungsvermittlung.

Pflegerinnen und Pfleger wurden beklatscht, wovon sie wenig hatten. Die viel gerühmten 10% Lohnerhöhung für die untersten Einkommensgruppen – gestreckt auf drei Jahre! – sind angesichts der vollmundigen Ehrfurchtsbekundungen eigentlich ein Hohn – kaum zu toppen.

Doch! Lehrer werden nicht beklatscht. Immerhin werden sie unter dem jetzigen bayerischen Kultusminister Piazolo nicht mehr beschimpft und schikaniert, wie das bei seinen CSU-Vorgängerinnen und Vorgängern durchaus die Regel war. Aber was Piazolo sich für die Lehrer als „Belohnung“ ausgedacht hat, macht einfach nur sprachlos:

4000 Direktoren und 14 000 Lehrer, die sich während der Pandemie besonders engagiert hätten, sollen 500 Euro „Leistungsprämie“ bekommen.

In Bayern gibt es ca. 6000 Schulen mit 120 000 Lehrern. Heißt: Zwei Drittel der Schulleiter haben sich nach Auffassung des Ministeriums „besonders engagiert“. Dabei sind zumindest in den höheren Schulen die Direktoren diejenigen, die selten bis nie in einem virengeschwängertem Klassenzimmer stehen, und die Hygienepläne lassen sie sich in der Regel von ihren Mitarbeitern ausarbeiten.

Dagegen scheinen gerade mal gut 10 Prozent der Lehrer prämienwürdig, dreieinhalb pro Schule/Direktor, die natürlich von den selbst prämierten Direktoren ausgesucht werden (denn dass sich in einer Schule ein Direktor nicht, seine Lehrer aber durchaus engagieren, ist in einem  Schulsystem wie in Bayern ja völlig ausgeschlossen!).

Diejenigen, die sich Tag für Tag darum bemühen, in und neben ihren Klassenzimmern ihren Schülern ein guter Lehrer zu sein, werden wie immer nicht dazugehören. So lobt das Ministerium Leistungsprämien für seine Funktionsträger aus. Diese Form von Wertschätzung brauchen die Kollegien im Augenblick ganz bestimmt nicht, wenn man ihnen durch vollständige administrative Untätigkeit gleichzeitig deutlich macht, dass sie zurzeit halt nur die letzten Kindergärtner sind, damit Arbeit und Wirtschaft möglichst unbehelligt weiterlaufen können.