Corona vom Feinsten

Corona macht Fakten offen- und aktenkundig, die Polplot-Leser zwar nicht mehr überraschen können, deren Veröffentlichung aber erstaunlich wenige Reaktionen in der Öffentlichkeit hervorruft. Hier eine kleine Hitliste:

Kaum haben sich die Lockerungsweltmeister unter den Ministerpräsidenten durchgesetzt, zeigt sich, wie sehr man auf das verantwortungsbewusste Verhalten der Menschen setzen kann: Bei und direkt nach einem Gottesdienst einer Baptistengemeinde, bei dem man offensichtlich viel zu viele Menschen in einen engen Gebetsraum gestopft hat, infizieren sich deutlich über 100 Menschen. „Es wäre vielleicht klüger gewesen, Mundschutz zu tragen und auf das gemeinsame Singen zu verzichten“, gibt sich ein Gemeindeverantwortlicher „bestürzt“, als wäre genau das nicht Vorschrift. Aber toll muss es schon gewesen sein, das völlig FREIE Anpusten seiner Mitgläubigen mit dem Virus.

Auch ein Gastwirt in Ostfriesland war so FREI und veranstaltete in seinem Lokal als „Probelauf“ für die Wiedereröffnung ein Betriebsfest mit offensichtlich null körperlicher Distanz, mit Umarmungen und danach mit mindestens 40 Infizierten. Die Probe ist gelungen.

Der Titel des Chefumarmers gebührt allerdings dem Stoppellindner. Der umarmt gleich (ohne Mundschutz) in aller Öffentlichkeit, lässt sich dabei (man darf vermuten, nicht ganz unfreiwillig) auch noch fotografieren und zeigt, dass er gewillt ist, seine Forderungen nach mehr FREIHEIT persönlich in die Tat umzusetzen. Das sei halt so passiert unter Freunden, „entschuldigte“ er sich anschließend. Dass der Freund in Person eines Immobilienunternehmers und Honorarkonsuls von Weißrussland jemand ist, um den andere Menschen selbst in gesunden Zeiten einen großen Bogen machen würden, ist sein Problem. Aber kann man jemandem wirklich ein politisches Amt anvertrauen, der aus „Unkonzentriertheit“ einen Vertreter der (bislang) letzten europäischen Diktatur herzt? Da würde er ja noch ganz andere Gruselobjekte zum Umarmen finden.

Dass diese Leute ebenso wie die Alu-Köpfe auf den „Hygienedemonstrationen“ vielleicht mal daran denken, dass ihre Art, FREIHEIT auszuleben, für andere den Platz auf der Intensivstation bedeuten kann, ist nicht zu erwarten. Dort hat man dann mit Sicherheit die wenigsten Freiheiten der Welt.

Eine Hauptfunktion dieses Staates ist, die Reichen weiterhin reicher zu machen. Das kann man dank Corona an zwei von vielen Beispielen sehen:

BMW bezieht für 20 000 Beschäftigte Kurzarbeitergeld vom Staat. Gleichzeitig verkündet der Vorstand, den Aktionären 1,5 Milliarden Euro an Dividenden auszuzahlen. Da fließt das Geld der Steuerzahler direkt in die Taschen der Anteilseigner. Den Geschwistern Stefan Quandt und Susanne Klatten gehören rund 50 Prozent der Aktien. Da „verdienen“ die beiden bei diversen weiteren Vergütungen schon mal mindestens 750 Millionen in diesem Jahr. Das „Handelsblatt“, das sich in solchen Kreisen ein bisschen besser auskennt, kommt sogar auf 1,2 Milliarden für die beiden.

Gut, dass der Steuerzahler denen bei ihrer unternehmerischen Verantwortung kräftig unter die Arme greifen darf. Hoffentlich übernimmt er sich nicht – bei den einmaligen 500 Euro „Leistungsprämie“ für die Pflegerinnen und Pfleger, die immer noch nicht umfassend getestet werden, weil man sich streitet, wer die Kosten dafür übernehmen soll.

„Wenn es der Wirtschaft gut geht, nutzt das allen“ ist so eine Lehrsatzlüge des Kapitalismus. Da man 1,2 Milliarden im Jahr einfach nicht verfuttern kann, sollte tatsächlich, könnte man glauben, wenigstens ein bisschen was für Investitionen oder sonstwas, was „allen“ nutzt, übrig bleiben.

Andererseits fragt man sich natürlich, warum diese, ja, inzwischen Billionen, die die europäische Zentralbank und der deutsche Staat in die Wirtschaft pumpen, so gar nichts bewirken, noch nicht mal eine ordentliche Inflation oder wenigstens die von 2%, die sich die EZB so wünscht.

An dieser Stelle wurde das schon mehrfach beantwortet. Schön, dass es jetzt auch eine quasi regierungsamtliche Bestätigung gibt:

Für die Staatsbeteiligung bei der Lufthansa wurden laut dpa „harte“ Bedingungen gestellt, wie z.B. die Forderung nach umweltfreundlicheren Flugzeugen. Die härteste Forderung – und die beantwortet, ohne sie weiter kommentieren zu müssen, die oben gestellte Frage – lautet (wörtliches Zitat von der Website des Bayerischen Rundfunks):

„Eine weitere Vorgabe ist das Verbot, Staatsgeld in Steueroasen abfließen zu lassen.“

Neuerdings.

Nachtrag: Dazu passt gut eine Meldung, die die dpa am Dienstagmorgen verbreitete:

„Wegen der Corona-Krise fordern Wirtschaftspolitiker der Union im Bundestag, den Mindestlohn in Deutschland abzusenken …“

A Hunderl isser scho

A Hund isser scho, sagt man in Bayern über Menschen, die es schaffen, ihre Interessen durchzusetzen mit Methoden, die irgendwo zwischen komisch schräg und schwer kriminell liegen. Wobei die Bewunderung über das Durchsetzungsvermögen die offensichtlich nicht besonders ausgeprägte Abscheu über das Kriminelle deutlich übersteigt.

Das Vorbild aller bayerischen Hünd ist Franz Josef Strauß, der es im Laufe seines Lebens zum wohl reichsten Metzgerssohn der Welt gebracht hat.

Als beim vorletzten Fränkischen Fasching ein Fürther Komikerduo allen anwesenden Polit-Promis ein Wiener Würstchen überreichte, bekam nur Hubert Aiwanger keines. Seines bekam sein „Herrchen“ Söder, zur Verwendung als Belobigungs-Leckerli.

Das muss den Hubert Aiwanger tief getroffen haben. Seither versucht er mit noch bizarreren Äußerungen als üblich – was gar nicht so einfach ist – seinen Hundestatus zu verbessern.

Hätte er gewusst, was er sagte, hätte er es in vollem Bewusstsein aller Konsequenzen gesagt, wäre er mit seinem jüngsten Spruch wohl tatsächlich der Hundereife deutlich näher gekommen.

Aiwanger sprach: „Wenn man wieder in den Biergarten darf, dann kauft man auch wieder ein neues Auto“.

Der Würzburger Mainpost-Redakteur Benjamin Stahl hat darauf hingewiesen, dass sich hinter dieser Aussage ein ganzes Konjunkturprogramm verbirgt. Insofern gebührt ihm die Ehre der Ersterkennung der ganzen Wucht des Aiwanger-Satzes. Dessen umfassender Wirkung wird Stahl aber in seinen Ausführungen bei weitem nicht gerecht.

Dass die Öffnung von Biergärten vor allem für das gebeutelte Brau- und Gastgewerbe ein Segen ist, liegt auf der Hand. In Biergärten füllt man sich ja nicht nur ab bis Oberkante Speiseröhre. Ist dieser Zustand erreicht, wird das Bier mit dem Ziel einer Zweitfüllung häufig in fest montierte Kotzbecken abgelassen. Das ist allemal wirtschaftlicher, als es nach dem Brauen direkt in den Gulli zu schütten. Der bayerische Innenminister wies bereits darauf hin, dass zurzeit nur jedes zweite Kotzbecken benutzt werden darf und Verstöße gegen die Nasen-Mund-Bedeckungspflicht, die für den Gast eintritt, sobald er sich von seinem Stuhl erhebt, für den Zeitraum der oralen Entleerung toleriert werden.

Die Zahl der Besucher in Biergärten darf auf absehbare Zeit höchstens 90% der Zahl der vorhandenen Stühle betragen. Jeder neunte Platz muss also frei bleiben. Der bayerische Brauerei- und Gaststättenverband versucht, diese Regelung einzuhalten, indem nur Menschen mit Lederhose bzw. Dirndl zugelassen werden. Ein wahrer Auftragsboom für Abdecker, Kürschner und Schneider wird die Folge sein. In den sieben Wochen des Freiheitsentzugs ist die immer ein bisschen feuchte Lederhose nämlich ordentlich eingeschimmelt. An die frische Luft durfte man ja nur, um Sport zu machen. Lederhosen betreiben keinen Sport. Und die Dirndl passen nach sieben Wochen Wohnungshaft wegen der von Dutzenden von Hilfsinitiativen herbeigeschleppten Nutellagläser längst nicht mehr.

Doch nicht nur vor und während des Biergartenbesuchs wirkt Aiwangers Konjunkturprogramm. Die deutlich wichtigeren Folgen ergeben sich danach:

Zwar konnten sich die meisten Apotheker mit selbstgebrautem Desinfektionsmittel gerade noch vor dem Verhungern retten, aber die finanziellen Einbußen durch den Verkaufsrückgang von Haarwuchsmitteln trafen die Branche schon hart. Hinfort werden vor allem Kopfschmerztabletten aller Art die Umsätze in die Höhe schnellen lassen. Staatliche Hilfe fordern die Pharmazeuten jetzt nur noch für die psychologische Betreuung der überwiegend zutiefst depressiven Apotheker, die sieben Wochen lang ihrer Kundschaft statt schützender Atemmasken nur ihre Apothekenzeitung mitgeben konnten, wohl wissend, dass diese dem Virus genauso wenig entgegenzusetzen hat wie allen anderen Krankheiten.

Wirtschaftlich erhebliche Erfolge sind zu erwarten durch Aiwangers Idee, den Biergartenbesuch mit einem Automobilkauf zu kombinieren. Wer geht schon zu Fuß in den Biergarten, wenn er ein neues Auto vor der Türe stehen hat? Dadurch kann die Verweigerung einer Abwrackprämie durch die Regierungskoalition mehr als kompensiert werden. Jetzt werden nämlich nicht nur alte, ohnehin bald fällige Fahrzeuge verschrottet, denn, ähnlich wie beim Bierkonsum im Garten, folgt nach der Heimfahrt auf die Vernichtung des Neuwagens sofort ein Zweitkauf.

Der entscheidende Vorteil gegenüber der traditionellen Abwrackprämie ist, dass von dieser Methode nicht nur die Automobilindustrie und die Schrottpresseneigner profitieren, sondern auch zahlreiche andere Branchen:

Eines der Argumente, mit denen die Abschleppfirmen staatliche Hilfe forderten, war die Behauptung, ihre Gewerbe könne nicht mit Kompensationsgeschäften nach der Pandemie rechnen. Die Leute würden nach der Krise nicht mehr Autos zu Schrott fahren als vorher. Dieses Argument ist nun obsolet. Denn dank Aiwangers Vorstoß werden die Kompensationsgeschäfte bereits in die Pandemie vorgezogen.

Vom dabei steigenden Bedarf an Krücken, Bruchschienen und Verbandsmaterial profitieren Sanitätshäuser und Apotheken gleichermaßen.

Und natürlich wird eine Berufsgruppe zu neuem Leben erweckt, deren trauriger Lebensinhalt wegen der Angst ihrer Kunden vor Ansteckung es während der letzten Wochen war, die leeren Stühle in ihren Wartezimmern zu zählen: die Ärzte und Zahnärzte, besonders letztere. Wem die Schneidezähne in der Zunge stecken, der scheut auch das Ansteckungsrisiko nicht. Während hier also wieder mächtig gerissen, geklammert und implantiert wird, können sich Teile der Nahrungsmittelindustrie die Hände reiben: Nudelhersteller zum Beispiel. 40 Minuten lang gekocht, sind diese auch für Aiwangeristen schaffbar. Und Metzger. Hackfleisch vom Jungkalb, mit eingeweichten Semmeln schlüpfrig gemacht, ist jetzt nicht nur bei Senioren der Renner.

So nimmt die Wirtschaft quer durch alle Branchen wieder Fahrt und selbst die Rechtsanwälte ihre Tätigkeiten wieder auf. Zumindest der Teil, der auf Wirtschaftskriminalität spezialisiert ist, saß doch wochenlang däumchendrehend in der Kanzlei. Wo im Lockdown keine Wirtschaft, auch keine Wirtschaftskriminalität, zumindest keine, die man verfolgt, wie Ladendiebstahl oder widerrechtliche Flaschenpfandaneignung. Jetzt kehrt auch hier ein Stück der so heiß ersehnten deutschen Normalität zurück.

Schade, dass der Hubert Aiwanger selber gar nicht gemerkt hat, was für ein geniales Programm er mit seiner Aussage angestoßen hat. Vielleicht hat er sich aber auch nur nicht getraut, das laut zu sagen, aus Angst vor dem Corona-Stalin Söder, dem so viel Freiheit einfach zuwider ist.

Er ist halt doch nur ein Hunderl.

Aber dass er dafür sorgt, dass die Bayern bald in ihren Wohnungen oder auf ihren Balkonen sitzen und ihre gebrochenen Gliedmaßen, zerschredderten Zähne und eingedrückten Nasenbeine pflegen, also jetzt wirklich daheim bleiben, wenn auch viel freier als vorher, das wird selbst dem Söder gefallen.

Ein Stückerl vom Würsterl wird’s dafür schon geben.

Fürs Hunderl.

Bodenloser Unsinn

Derzeit seien „rund 25 000 Menschen mit dem Corona-Virus infiziert“, lässt der Herr Gesundheitsminister am Sonntagabend verlauten und korrigiert damit eine Zahl, nämlich 31 000, die er in einem früheren Interview gegeben hat. Er habe da „von der Zahl aller Infizierten“ die der Genesenen abgezogen, aber vergessen, auch die der Verstorbenen abzuziehen.

Das Virus scheint über geheimnisvolle Fernübertragungsmechanismen so manches Hirn zu unterminieren. Spahn hat nämlich auch vergessen, dass es keine „Zahl aller Infizierten“ gibt, sondern nur eine Zahl der nach erfolgtem Test gemeldeten Infizierten.

Laut der in der Regel recht vertrauenswürdigen Seite „statista“ wurden in Deutschland bis zum 30. April ca. 2,5 Millionen Tests durchgeführt. Das Robert-Koch-Institut meldete an diesem Tag insgesamt knapp 160 000 Infizierte und 123500 Genesene sowie 6300 Verstorbene. Bleiben nach Spahn-Rechnung 30200 Infizierte. Grob gesagt: Nach 2,5 Millionen Tests bleiben netto 30 000 Kranke übrig.

2,5 Millionen Tests entsprechen knapp 3,3% der Bevölkerung. Würde man alle testen und das Ergebnis bliebe im Verhältnis gleich, käme man so auf eine Krankenzahl von 900 000. Da man aber nach wie vor nur Menschen mit schweren Symptomen und nachweisbaren Kontakten zu Infizierten testet, muss man davon ausgehen, dass die Zahl der Infizierten sogar deutlich höher liegt, allerdings auch die Zahl der unerkannt Gesundeten.

Das alles bewegt sich im Bereich der Spekulation. Aber angesichts von 3,3% Getesteten mit absoluten Zahlen bis auf den Tausender genau um sich zu werfen, bewegt sich im Bereich des Irrsinns. Man darf gespannt sein, wann Lindner und Laschet diese Zahlen aufgreifen und die Beendigung aller Maßnahmen fordern.