Jetzt ist Schluss…

…mit diesem quälenden Verzicht auf Namenswitze. Was haben wir uns hier alles verkniffen bei dem tobenden Rind, bei dem Bescheuerten, bei der Ram(pen)sau. Nichts über Gauleiter, Merkelsätze, den heiligen Hubertus und die Klöcknerin von Notre-Dame.

Gut, bei der Krampbauer ist uns zum ersten Mal der Karren durchgegangen.

Aber bei Merz brechen alle Dämme, bei dem blöden August.

Kurze Irritationen

Es war ja nicht nur die AfD, die die Migration nach Deutschland als das größte Problem ansah. So lange ist es noch nicht her, dass Politiker, die heute Bäume und Bienen herzen, das genau so sahen und der AfD einen Wettbewerb widerlicher Begriffe lieferten. Und wenn man – natürlich völlig zu Recht – der AfD vorwirft, dass ihre geisteskranken Formulierungen von der „Umvolkung“, ihre Sprüche, dass man sich von „bestimmten Teilen des Volkes trennen“ müsse, von ähnlich Geisteskranken als Handlungsaufforderung interpretiert werden, sollten diese Politiker jetzt nicht allzu heuchlerische Krokodilstränen weinen. Wenn CDU-Politiker wenige Stunden nach den Anschlägen von Hanau wieder von einer deutschen Leitkultur faseln, kann sich der Attentäter ja posthum noch bestätigt fühlen: Leute, die in Sisha-Bars rumsitzen, halten offensichtlich nichts von deutscher Leitkultur.

Und wenn man dem jetzt als Motiv (??) eine Geisteskrankheit unterschiebt: Auch einen Geisteskranken muss man erst mit bestimmten Ideen füttern, Geisteskrankheit allein motiviert nicht zu politischen Morden. Die Nähe von den verbalen Verursachern zu den aktiven Tätern ist unübersehbar.

Noch irritierender sind allerdings die Reaktionen von Politikern wie dem hessischen Ministerpräsidenten Bouffier, Augenzeugen, Talksshowlern:

Die Ermordeten seien alle in Deutschland geboren, hätten schon immer hier gelebt – zusammen mit den anderen Hanauern.

Was ist in diese Hirne eigentlich schon eingeflossen: Wäre es weniger schlimm, wenn es lauter „echte Ausländer“ gewesen wären?

Der Lindner des Tages

Nun ist er also doch zurückgetreten, der Höckerich. Nach offensichtlich massivem Druck aus Berlin, vor allem, weil die CDU Thüringen in Umfragen auf 12% abgeschmiert ist. Offensichtlich hat sich die Bundes-CDU doch mit ihrer Forderung durchgesetzt, dass die Landtagsfraktion den Höckerich nicht weiter stützen dürfe.

Somit wäre auch ein Misstrauensvotum, initiiert von Linken, SPD und Grünen denkbar gewesen. Hätte die CDU, und sei es auch nur durch Stimmenthaltung, dabei dem Höckerich geholfen, im Amt zu bleiben, wäre das glatter politischer Selbstmord gewesen. Und die FDP hätte sich bei ähnlichem Verhalten vermutlich atomisiert. Dann doch besser ein Rücktritt.

Der Irrsinn des Tages kam dazu von Lindner, der folgendes erklärte: „Der Rücktritt von Thomas Kemmerich war politisch längst fixiert. Er wurde heute nur formal vollzogen, um jeden Zweifel zu beseitigen.“

Was eigentlich will er uns damit sagen? „Politisch fixiert“?? Und warum wusste der Höckerich davon offensichtlich nichts? Hat der doch gestern Abend noch erklärt, er könne definitiv nicht zurücktreten, weil mindestens ein Regierungsmitglied gebraucht werde. Man muss jetzt nicht annehmen, dass er an den Unsinn selbst geglaubt hat. Aber dass sein Rücktritt da längst, ja, wie, „politisch fixiert“ war, das hat er offensichtlich erst heute erfahren.

Sollte es jetzt tatsächlich dazu kommen, dass in diesem Landtag ein neuer Ministerpräsident gewählt wird, kann der eigentlich nur Bodo Ramelow heißen. Bei den deshalb von SPD und CDU geforderten Neuwahlen hofft wohl vor allem die CDU, durch den erzwungenen Rücktritt beim Wähler Boden gut zu machen.

Allerdings sollte man trotzdem hoffen dürfen, dass die Thüringer dann nicht Parteien wählen, von deren Repräsentanten sie innerhalb von drei Tagen mehrfach angelogen wurden und die, wenn auch nur für ein paar Tage, die AfD zum Regierungsmacher befördert haben.

Der Höckerich tritt nicht zurück

Man kann sich im wahrsten Sinne des Wortes um Kopf und Kragen reden, auch handeln.

Thüringen hat nun einen Ministerpräsidenten von Höckes Gnaden, der zwar behauptet, Opfer einer AfD-Intrige zu sein, es aber tunlichst vermeidet zu behaupten, er habe von seiner bevorstehenden Wahl durch die AfD nichts gewusst. Eine Lüge bleibt es trotzdem.

Thüringen hat einen Ministerpräsidenten, der sich, nachdem er die Wahl in aller Ruhe und sehr entschlossen angenommen und sich gegen Neuwahlen ausgesprochen hatte, von FDP-Chef Lindner zum Rücktritt drängen ließ. Dieser ließ verlauten, er habe mit seinem Rücktritt als FDP-Vorsitzender gedroht, falls Kemmerich nicht zurücktrete.

Thüringen hat einen Ministerpräsidenten, der, kaum dass Lindner wieder in Berlin war, vom Rücktritt zurücktritt. Mit der irrwitzigen Begründung, er sei sich mit den Juristen der Staatkanzlei und der Landtagsverwaltung einig, dass es mindestens ein Regierungsmitglied geben müsse, um die notwendigen Aufgaben in Thüringen zu erledigen. Was müssen das für Juristen sein, die nicht einmal wissen, dass Höckerich nach einem Rücktritt geschäftsführend im Amt bleibt und alles tun darf, was er auch als amtierender MP tun muss!

Die FDP hat einen Vorsitzenden, der nach eigener Aussage mit seinem Rücktritt gedroht hat, falls Kemmerich nicht zurücktrete. Nachdem dieser seine Bereitschaft zur Rücktritt behauptet hatte, sah sich Lindner „in der Lage“, weiter FDP-Chef zu bleiben und ließ sich das vom Parteipräsidium erwartungsgemäß bestätigen.

Was bleibt ihm jetzt eigentlich, nach dem Rücktritt vom Rücktritt, der doch seinen Rücktritt verhindert hat?

Man muss es ja nicht gleich so dramatisch machen wie Uwe Barschel. Aber etliche Herren sollten von Rücktritt nicht immer nur reden, sondern ihn schnellstens tatsächlich antreten. Und zwar ganz weit zurück.

Man weiß doch, dass diese Herren ihr Auskommen in der Wirtschaft finden werden. Es gibt etliche Konzerne, die demnächst neue Lügenpräsidenten brauchen.

Nachschlag: Aus der Verfassung des Freistaats Thüringen:

(1) Der Ministerpräsident bestimmt die Richtlinien der Regierungspolitik und trägt dafür gegenüber dem Landtag die Verantwortung. Innerhalb dieser Richtlinien leiten und verantworten die Minister ihren Geschäftsbereich selbständig.

(2) Die Landesregierung beschließt insbesondere über die Abgrenzung der Geschäftsbereiche, die Einbringung von Gesetzentwürfen, den Abschluss von Staatsverträgen und die Stimmabgabe im Bundesrat.

Barschel lässt grüßen!

Die Tagesschau betreibt ein Liveblog zu den Ereignissen in Thüringen und das ist gut so. Sonst würde man es gar nicht schaffen, so schnell nachzulesen, wie man belogen wird.

Kemmerich, FDP-Ministerpräsident von Höckes Gnaden, der bis heute Mittag Neuwahlen noch strikt ablehnte und für sinnlos hielt, weil Umfragen „bewiesen“, dass sich eh nichts ändern würde, ist heute Abend angeblich ein großer Fan von Neuwahlen. Zum „angeblich“ später mehr. Seine geradezu aberwitzige Begründung: Die AfD habe mit einem „perfiden Trick versucht, die Demokratie zu schädigen“. Der perfide Trick war seine Wahl zum Ministerpräsidenten. Perfiderweise hatte die AfD dies Kemmerich schon im November angeboten, wie aus einem heute veröffentlichten Brief von Höcke deutlich wird. Und ihn dann gestern so perfide übertölpelt, dass er vor Schreck gleich die Wahl angenommen hat.

Gestern hat er noch erklärt, das Vorgehen bei der Wahl sei mit FDP-Chef Lindner abgesprochen gewesen, wovon heute keiner der beiden mehr was wissen will.

Lindner, der gestern noch erklärt hatte, Neuwahlen seien nur nötig wenn CDU und SPD „Totalverweigerung“ betrieben, sieht das heute auch ganz anders. Inzwischen hat er nämlich gelernt, dass er auch auf das perfide Spiel der AfD hereingefallen ist. Stellen die doch im dritten Wahlgang einen Kandidaten auf, den keine Sau kannte, einen Dorfbürgermeister, der bei der Wahl angeblich nicht einmal im Landtag war. Und da haben Lindner und Freunde natürlich fest dran geglaubt, dass die den wählen. Einfach perfide. Und jetzt stellt Lindner sich als Demokratieretter hin und wirft der CDU vor, dass diese sich noch nicht für Neuwahlen ausgesprochen hat.

Mit großem Gehabe schmiert er dann eine Show in die Nachrichten: Er werde sich der Vertrauensfrage stellen – im FDP-Vorstand, der dafür eigens einberufen wird. Das ist – mangels Gegenkandidaten – ungefähr so riskant, wie wenn Queen Elizabeth im Kreise ihrer Familie nachfragt, ob die Monarchie in England abgeschafft werden solle.

Als frisch gekürte Retter der Demokratie wollen die fünf FDP-Hanseln im Landtag jetzt einen Antrag auf Landtagsauflösung stellen. Zu fünft! Es bräuchte allein für den Antrag 30 Stimmen, für die tatsächliche Landtagsauflösung 60. Das wird nicht zu erreichen sein – oder zumindest nicht in den nächsten Monaten. In der Zwischenzeit (wetten?) wird die FDP den Fraktionen, die bei ihrem 5-Mann-Antrag nicht mitmachen, wieder Verweigerung und Demokratiefeindlichkeit vorwerfen. Als wäre nicht die Annahme der AfD-Wahl durch ihren Kandidaten die eigentliche Sauerei.

Wäre der FDP wirklich an einer echten und schnellen Lösung gelegen, müsste Kemmerich schlicht die Vertrauensfrage stellen. Scheitert diese, muss der Landtag innerhalb von drei Wochen einen neuen Ministerpräsidenten wählen oder innerhalb von 70 Tagen Neuwahlen ansetzen.

Das will er aber erst tun, wenn die Landtagsauflösung auf Antrag nicht funktioniert, also am Sankt Nimmerleinstag. Den Zeitpunkt, wann das Scheitern festgestellt wird, kann er nämlich ziemlich alleine bestimmen. Und so lange ist er weiterhin (selbst nach einem Rücktritt) geschäftsführender Ministerpräsident.

Spielt da jemand einfach auf Zeit in der Hoffnung, die Wähler würden irgendwann die Schurkerei schon wieder vergessen? Oder gar in der, die thüringische CDU entdeckt wieder ihre „staatspolitische Verantwortung“ und unterstützt ihn weiter – schließlich haben sie ihn auch gewählt?

Die Vertrauensfrage würde er auf alle Fälle verlieren, weil er zur Bestätigung des Vertrauens die absolute Mehrheit bräuchte. Vielleicht hat er auch nur Angst, dass ihm nur noch seine FDP und die AfD das Vertrauen aussprechen? Dass die CDU kein Problem damit hat, einem Regierungschef, den sie soeben gewählt hat, gleich darauf das Vertrauen zu entziehen, hat sie schon an höherer Stelle, bei der so erzwungenen Bundestagsneuwahl 1983, bewiesen.

Bei Kemmerich, aber noch mehr bei Lindner hat man das Gefühl, dass sie sich immer heftiger in ihren immer neuen Lügen verstricken. Man lügt sich halt durch, so lange es geht. Für Demokratieretter kein besonders überzeugender Ansatz.

Für die nicht ganz so alten Leser unter uns:

Uwe Barschel (CDU) war von 1982 bis 1987 Ministerpräsident in Schleswig-Holstein. Im Wahlkampf 1987 ließ er seinen Gegenkandidaten bespitzeln und verbreitete falsche Dossiers über ihn, was er im Fernsehen mit großem Gehabe – und unter Bemühung seines „Ehrenwortes“ (ein interessanter Begriff in diesem Zusammenhang) – abstritt. Welchen Dreck er sonst noch am Stecken hatte, wurde nie aufgeklärt. Am 11. Oktober 1987 beschloss er, seinem Leben ein Ende zu setzen.

Goebbels lässt grüßen!

AfD, FDP und CDU haben in Thüringen gemeinsam einen Ministerpräsidenten gewählt und damit Bodo Ramelow, den Sozialdemokraten von den Linken, dessen Partei bei den Landtagswahlen mit Abstand die stärkste war und den laut allen Umfragen eine Mehrheit der Thüringer gerne behalten hätte, abgewählt.

Nachdem in den beiden ersten Wahlgängen, wie zu erwarten war, weder Ramelow noch der Kandidat der AfD eine absolute Mehrheit zusammenbrachten, tauchte im dritten Wahlgang, in dem die einfache Mehrheit der Stimmen reicht, plötzlich ein neuer Kandidat auf, Kemmerich von der FDP – und wurde gewählt.

In übelster Goebbels-Manier erklärte anschließend hämisch grinsend ein AfD-Abgeordneter, man habe Kemmerich „zur Kandidatur gelockt und ihn dann planmäßig gewählt“. Die offene Verhöhnung der Wähler und Parlamente durch ihre eigenen Abgeordneten war eine der Lieblingsbeschäftigungen der Nazis…

Wie gut FDP-Mann Kemmerich, der offensichtlich in Absprache mit der AfD gewählt wurde, zu diesen Machenschaften passt, zeigten seine Absonderungen in der ARD: Das „Thüringer Volk“ habe „seine Wahlentscheidung“ getroffen, und die „Demokraten“ im Parlament – wobei der die AfD natürlich explizit NICHT ausschloss – müssten jetzt „staatspolitische Verantwortung“ zeigen. Sagt der Mann, dessen Partei haarscharf mit 5% ins Parlament gerutscht ist, mit 5 (!) Abgeordneten.

Aufschlussreich auch die Auslassung des CDU-Chefs Mohring, warum man Kemmerich gewählt habe: Man sei schließlich im Wahlkampf mit dem Versprechen angetreten, Ramelow abzusetzen. Das habe man jetzt gemacht. Heißt: Wenn die Thüringer CDU ihre Ziele nur mit Hilfe der AfD erreichen kann, macht sie das eben mit Hilfe der AfD.

Der widerwärtigste Dreh kam wieder mal von FDP-Chef Lindner: Nur wenn SPD und CDU im Thüringer Landtag „Totalverweigerung“ gegenüber der Regierung (welcher Regierung eigentlich?) betrieben, müsste es Neuwahlen geben. Der Mann versucht, ähnlich wie bei seiner „Totalverweigerung“ von Regierungsverantwortung auf Bundesebene, wieder, seine dreckigen Schuhe anderen anzuziehen.

Durch die Vorgänge in Thüringen drohe der FDP die Spaltung, mutmaßte am Wahlabend ein ARD-Journalist. Was heißt hier Drohung? Das ist eine Hoffnung, ein Lichtblick, eine Verheißung! Ohne die FDP im Thüringer Landtag hätte es diesen ganzen widerlichen Dreck gar nicht gegeben!

Und: Welcher anständige Liberale möchte eigentlich noch mit solchen Typen in einer Partei sein?

Die Wiederaufbau-Omas

Eine Woge der Entrüstung rauschte durch die bundesdeutschen Medien, weil der westdeutsche Rundfunk es gewagt hatte, eine satirische Variante des Kinderlieds „Meine Oma fährt im Hühnerstall Motorrad“ auszustrahlen. Vorwurfsvolle Kommentare noch und noch und am Ende eine peinliche Entschuldigung des Intendanten. Und der Grund für die Aufregung? Der Kinderchor sang statt „Meine Oma ist ´ne ganz patente Frau“ „Meine Oma ist ´ne alte Umweltsau“.

Eigentlich kein Grund sich aufzuregen, weil:

  • es eine Oma ist und daher per definitionem alt
  • sie in einem geschlossenen Raum und in unmittelbarer Nähe von Lebewesen erhebliche Abgas- und Geräuschemissionen ausstößt
  • eine Motorradfahrt im Hühnerstall auch nicht mit der Notwendigkeit der Fortbewegung von Punkt A zu Punkt B begründet werden kann, es sei denn – worauf nichts hinweist, schließlich hat die Oma im Parallelsong auch nur ein „kleines Häuschen“ – es handelt sich um einen Hühnerstall wahrhaft epischen Ausmaßes.

Statt nun dankbar zu sein, dass dieser vollumfänglich berechtigte Vorwurf mit leicht satirischer Anmutung in einem freundlichen Liedchen verpackt vorgebracht wird, fühlte sich ein ganzes Heer von Rentnerinnen und Rentnern verunglimpft, diskriminiert und verleumdet und tat dies in bislang über 300 Strafanzeigen und in zahllosen Leserbriefen kund.

Sie seien schließlich, wird immer wieder als Argument vorgebracht, die Generation, die Deutschland wieder aufgebaut habe.

Das ist richtig: Mit Kohlekraftwerken und ressourcenfressender und Umweltgifte ausspuckender Industrie, bis sich auch die oben erwähnte Oma ein Motorrad leisten konnte, mit dem sie dann allerlei umweltschädigenden Schabernack anstellen konnte.

Das Argument, Deutschland wieder aufgebaut zu haben, spricht also nicht unbedingt fürs Motorradfahren im Hühnerstall.

Und was dabei gerne vergessen wird, ist, dass die Wiederaufbaugeneration mit ihrem Verhalten bzw. Nichtverhalten den Nazis gegenüber doch erheblich zur Zerstörung Deutschlands beigetragen hat.

 

Wer nichts zu verbergen hat…(Teil II)

Von der Naivität beim Umgang mit Daten (Teil II)

  1. Alles nur für Werbung und Bequemlichkeit?

 Dass Werbung wichtig und unerlässlich ist für die Unternehmen, die ihre kapitalistische Überproduktion ja auch verkaufen müssen, bleibt natürlich unbestreitbar. Allerdings muss man sich, gerade wenn man einen etwas arglosen Blick auf die Werbung hat, darüber klar sein, dass es NICHT darum geht, welches Produkt im Konkurrenzkampf um den Kunden gewinnt, sondern darum, die Leute zu andauerndem, nach dem kapitalistischen Credo auch immer anwachsenden Konsum zu erziehen. Da hat man auch keine Skrupel, mitten in die Diskussion um die Umweltverträglichkeit des Wegwerfkonsums Aktionen wie den sog. Black Friday zu starten, bei denen man den Kunden die Lagerinhalte praktisch vor die Füße wirft (pikanterweise am selben Tag, an dem auch weltweit Klimaschutzdemos stattfanden). Bei vielen Menschen ist die Erziehung zum Konsumdeppen schon so weit fortgeschritten, dass die Suche nach neuen Produkten bzw. „Schnäppchen“ im Internet zur täglichen Routine geworden ist.

Dass sich mit Hilfe von gesammelten Daten nicht nur das Konsumverhalten der Menschen beeinflussen lässt, sondern auch deren politische Haltung durch diverse Manipulationsmechanismen, ist inzwischen unbestreitbar. Genutzt werden diese Mechanismen von mehr oder weniger üblen Parteien (vielleicht auch von allen) und vor allem von den großen Plattformbetreibern. Wie wichtig denen das ungestörte Datensammeln ist, konnte man in den letzten Wochen beobachten, wo in ALLEN Medien aberwitzig teuere Good-will-Anzeigen geschaltet wurden, um den Leuten vorzugaukeln, ihre Daten seien bei den Plattformbetreibern gut aufgehoben.

Diese Werbeaktion hat übrigens vor Augen geführt, dass Geld bei diesen Konzernen offensichtlich in unbegrenzter Menge zur Verfügung steht.

Das Großkapital in den USA ist – noch deutlicher als sonstwo – der Auffassung, die Steuerung der Weltläufte selbst in die Hand nehmen zu sollen. Man vermeidet weitestgehend das Zahlen von Steuern und lenkt den Laden lieber selbst mit Hilfe von Stiftungen, Stipendien, Spenden und anderweitigen Geldzahlungen. Das war schon bei Bill Gates Methode. Und auch der hatte bereits Visionen einer netz- und damit kapitalgesteuerten „besseren“ Welt. Warum nimmt eigentlich niemand ernst, wenn Goggle oder der Zuckerberg ihre viel weiter gedachten Weltvisionen ausposaunen? Im Augenblick scheint es lediglich die gegenseitige Konkurrenz zu sein, die sie ausbremst, Kapitalmangel ist es sicher nicht.

Möchte man wirklich in einer Welt leben, die nach den Vorstellungen dieser Konzernherren eingerichtet ist? Philosophie, Ideale, Werte, Nachdenklichkeit usw. haben hier allenfalls eine von oben zugewiesene Rand- bzw. Alibi-Existenz. Der teils hoch gelobte Roman „Der Circle“ von Dave Eggers gibt davon übrigens nur einen reichlich schwachen und auch fehlerhaften Eindruck…).

  1. Den Stecker ziehen?

Es mag viele Leute geben, die die bisherigen Ausführungen für kulturpessimistisch, destruktiv, modernitätsfeindlich halten. Diese seien auf einen letzten Aspekt hingewiesen:

In der Dauerdiskussion um die sogenannte „Künstliche Intelligenz“ wird, meist beim „autonomen Fahren“, als Vorzug besonders bei letzterem genannt, dass damit die größte Fehlerquelle, nämlich der Mensch, ausgeschaltet sei. Dummerweise übersieht man dabei, dass sowohl die Algorithmen als auch die Daten, mit denen die KI arbeitet, von Menschen entworfen bzw. eingegeben werden und somit natürlich auch fehleranfällig sind. Entwickelt man die KI so weit, dass sie wirklich selbst Daten verknüpfen und daraus folgernde „Entscheidungen“ treffen kann, ist die Gefahr gar nicht so gering, dass diese auf Basis fehlerhafter, vom Menschen eingegebener Prämissen stattfinden. Man muss schon arg katholisch sein um zu glauben, dass im Fall so entstehender katastrophaler Fehlentscheidungen jemand in der Lage wäre, rechtzeitig den Fehler zu entdecken und einen resultierenden verhängnisvollen Prozess zu stoppen. Da hälfe wohl nur noch, den Stecker zu ziehen.

Wird aber nicht gehen. Je mehr Abläufe – von der Heizungssteuerung über die Versorgung mit Lebensmitteln, die Fahrpläne der Bahn bis hin zur Einsatzbereitschaft von Waffensystemen – vom Auswerten vernetzter gesammelter Daten abhängig sind, desto unmöglicher wird es werden, genau diesen Datenfluss zu unterbrechen. Der Kollaps aller Systeme, auf denen die technisierte Welt beruht, wäre die Folge.

Reichlich naiv haben wir zugesehen, wie uns dieser Stecker, den es eventuell zu ziehen gälte, längst genommen wurde.

 

 

 

Wer nichts zu verbergen hat… (Teil I)

Von der Naivität beim Umgang mit Daten (Teil I)

Vorbemerkung: Beim folgenden Blogbeitrag handelt es sich eigentlich weniger um einen solchen, als vielmehr um eine kleine Abhandlung. Diese am Bildschirm zu lesen ist mühsam, und viele Menschen sind es ohnehin nicht mehr gewohnt, lange Texte am Stück zu lesen. Vor dem benutzten Medium kapitulierend wird der Text deshalb in zwei Beiträge aufgeteilt.

Zum Überblick hier eine Grobgliederung:

Teil I

  1. Wer nichts zu verbergen hat…
  2. Exponentielles Wachstum der gesammelten Daten

Teil II

  1. Alles nur für Werbung und Bequemlichkeit?
  2. Den Stecker ziehen?

 

  1. Wer nichts zu verbergen hat…

Um gleich mit der Tür ins Haus zu fallen: Die Vorstellung, wer nichts zu verbergen habe, habe auch nichts zu befürchten, wenn Informationen über ihn gesammelt würden, ist gleich die dümmste:

Niemand kann vorhersehen, für wen wann welche Daten interessant sein können. Selbst den kuriosen Fall unterstellt, das jemand noch nie gegen irgendein Gesetz verstoßen hat, ja, mit unseren Staatswesen dermaßen einverstanden ist, dass er kritische politische Äußerungen oder gar Demonstrationen für absolut unnötig hält:

Ist schon mal eine kritische Äußerung gegen Monsanto durchgerutscht? Man weiß inzwischen, dass dieser Konzern Listen anlegt mit all seinen Kritikern. Im besten Fall will er sie bestechen. Wahrscheinlicher ist, dass er sie zu gegebenem Zeitpunkt mit Repressionen überziehen wird, wenn sein politischer und gesellschaftlicher Einfluss das ermöglicht.

Schon mal näheren Kontakt oder gar ein Verhältnis mit äh, nicht ganz weißen Menschen gehabt? AfD-Politiker drohen heute schon damit, sie würden, wenn sie an der Macht sind, „abrechnen“ mit ihren Kritikern und mit Leuten, die „dem deutschen Volk schaden“, wozu nach Auffassung etlicher führender AfD-Leute auch Menschen gehören, die nichts von „Rassereinheit“ halten. Sollte die AfD tatsächlich an die Macht kommen (und wer kann das heute schon ausschließen?), stehen ihr dazu umfangreiche Datensammlungen (später dazu mehr) zur Verfügung.

Und wer weiß schon, ob er nicht mal zur falschen Zeit am falschen Ort gewesen ist – wen auch immer das interessieren könnte?

  1. Exponentielles Wachstum der gesammelten Daten

Daten über Menschen wurden schon immer gesammelt, auch in vordigitaler Zeit. Allerdings war es da für z.B. Polizei und Verfassungsschutz wesentlich mühsamer als heute: Demonstranten musste man mit einem Großaufgebot von Überwachungspersonal fotografieren, Unterschriftenlisten analog auswerten. Dass man die Mühe nicht gescheut hat, zeigen die vielen Fälle, bei denen Menschen, die (Anfang der 70er Jahre) nichts anderes gemacht hatten, als gegen den Vietnamkrieg zu demonstrieren und Protestlisten zu unterschreiben, plötzlich wegen des „Radikalenerlasses“ für den öffentlichen Dienst zu einer Befragung bezüglich ihrer Verfassungstreue gebeten wurden.

Eine (durchaus nicht vollständige) Auflistung soll verdeutlichen, in welchem Ausmaß seitdem die Datensammelei geradezu explodiert ist:

Natürlich werden die Daten, die man bei diesen nervigen Kundenkarten oder bei sog. Gewinnspielen preisgibt, gesammelt und (was niemand kontrollieren kann) oft auch weiterverkauft. Übrigens dürfen, wenn man nicht schriftlich Widerspruch einlegt, sogar die staatlichen Einwohnermeldeämter ihre Daten an alle möglichen „Interessenten“ verkaufen.

Darüber, dass man beim Bezahlen mit Kreditkarte nicht nur seine Konsumgewohnheiten offenlegt, sondern auch die Voraussetzung schafft für ziemlich präzise Bewegungsprofile (Wer hat wann wo eingekauft? Welche Reisen hat er unternommen? Wann war z.B. der Verdächtige zum letzten Mal in Kuba??), sollte man sich im Klaren sein.

Mit jeder besuchten Website, die einem eine Registrierung abverlangt, liefert man ein Bausteinchen für eine riesige Datensammlung. Weitaus ergiebiger sind natürlich die diversen „sozialen“ Plattformen, die ihren Nutzern privateste Informationen entlocken.

Ganz neue Dimensionen allerdings entstehen durch die jüngsten Entwicklungen und Tendenzen:

Zum Beispiel bei den Datenstaubsaugern, die einem, so hört man, das Leben bequemer machen sollen. Der angeblich intelligente Stromzähler informiert Wenauchimmer im Minutentakt, wann in welcher Wohnung auffällig viel Strom verbraucht wird. Werauchimmer wird genauestens informiert, ob man es in der Wohnung gerne kuschelig warm hat, ob man lieber duscht (eventuell sogar mehrmals täglich??) oder in die Badewanne steigt, wann man zu Bett gehen pflegt usw. Die untereinander kommunizierenden Küchengeräte funktionieren nur, wenn sie beständig Daten sammeln und weitergeben. Von hier aus bis zur Überwachung gewünschten Verhaltens ist nur ein kleiner Schritt. Man kann sich schon drauf freuen, dass man von den Stadtwerken (oder gleich von der Waschmaschine selbst) angemault wird, weil man sich zur falschen Zeit um seine Dreckwäsche gekümmert hat. Diesen Schritt sind einige Autoversicherer bereits gegangen. Mit Hilfe der sog. Telematik können Fahrer ihr Fahrverhalten überwachen lassen, um gegebenenfalls Rabatte eingeräumt zu bekommen. Natürlich könnte diese Überwachung auch ganz anderen Zwecken dienen.

Dass Amazon über Alexa genauestens über den Musikgeschmack Bescheid weiß, mag man für lässlich halten. Dass man damit auch Wohnzimmergespräche abhören kann und dies auch tatsächlich tut, war doch bisher eher Stasi oder Putin. Wie praktisch: Mühseliges Verwanzen von Wohnungen erübrigt sich. Was der von Amazon erstaunlich stolz gepriesene Ausschalter für das Alexa-Mikrofon wirklich macht bzw. wie leicht er manipulierbar ist, weiß man nicht.

Und welche Ausmaße Überwachungsmechanismen annehmen können beim sog. „autonomen Fahren“, mag man sich gar nicht ausmalen.

Wo immer Begrifflichkeiten im wahrsten Sinne des Wortes besonders wolkig werden, sollte man aufhorchen: Moderne Internetnutzer speichern ihre Daten (und zwar alle) in der „Cloud“. Diese ist allerdings nicht irgendwas in unerreichbaren Höhen Herumwaberndes, sondern besteht aus einer Anhäufung von höchst irdischen Datenspeichern in den Händen privater Unternehmen.

Es gibt aber doch, muss man hier natürlich einwenden, jede Menge Gesetze, die durch vorgeschriebenes Löschen von Daten deren Missbrauch verhindern sollen. So werden die sog. sozialen Plattformen immer wieder verpflichtet, einen Teil der gesammelten Daten auf ausdrücklichen Wunsch der Kunden hin zu löschen – sehr erfolglos, wie man regelmäßig erfahren kann. Denn eine Firma, deren Geschäftsmodell angeblich darain besteht, Daten zu sammeln und zu verkaufen, hat natürlich kein Interesse, irgendwas aus der Sammlung zu entfernen. So wurde bekannt, dass Facebook einen illegalen Datenbestand zur Tochter Instagram verschoben hat – bis das aufgeflogen ist. Wo die Daten jetzt sind, weiß keiner außer Zuckerberg– gesegnet sei die „cloud“. Illegale Datenbestände werden übrigens immer nur durch Aktivitäten betroffener Menschen öffentlich. Der Staat selbst zeigt wenig bis kein Interesse, dieser Form von Kriminalität nachzuspüren – gehört er doch selbst zu den eifrigsten Datensammlern.

(Teil II folgt)