Osterferien

Ein bisschen skurril muten sie ja schon immer an, die Briten. Selbst die schwer beschönigende Darstellung der britischen Lebensart in Englisch-Schulbüchern entlockt bereits Siebtklässern ein staunendes, aber in der Regel doch wohlwollendes Lächeln.

Für viele ist Allzeitprinz Charles der Brite schlechthin.

Vermutlich wär’s schön, wenn’s so wäre.

Aber der Allzeitprinz hat ja politisch nichts zu sagen, das muss er so Figuren wie May und Johnson und wie sie alle heißen, überlassen.

Die haben jetzt gefühlt hundert Mal beschlossen, dass sie nicht in der Lage sind, irgendwas zum Brexit zu beschließen.

Dann sind sie in die verdienten Osterferien gegangen, um danach vermutlich weiter zu beschließen, dass sie nichts beschließen wollen.

Vielleicht nutzen sie die Zeit ja aber auch, um sich mal wieder klarzumachen, was da zwischen Britannien und der EU eigentlich gelaufen ist:

Seinen Beitritt zu Europa hat sich Großbritannien durch allerlei Sonderrabatte schon teuer bezahlen lassen und – wie alle großen europäischen Länder – von der EU natürlich enorm profitiert.

Die ganze Brexit-Idee entstand dann in den wirren Köpfen neu-nationalistischer (und das sind irgendwie auch immer rassistische) Spinner, die plötzlich davon faselten, sie wollten ihr Land zurück haben, sich nicht mehr Gesetze „aus Brüssel“ vorschreiben lassen und selbst entscheiden können, welche und wie viele Ausländer (!) sie in ihr Land lassen wollen.

Irgendwie hatten die, scheint es, auch Angst, das man ihnen ihren Plumpudding, ihre Richterperücken oder gar der Queen ihre Hütchen wegnehmen will.

Und dann hat man das Volk kübelweise mit Lügen überschüttet, wie toll es sei, wenn man „frei“ von der europäischen Union sein eigenes Leben bestimmen und unbeeinflusst seine gewohnten Rituale aus dem 19. Jahrhundert ausleben könne.

Eine ganz knappe Mehrheit hat schließlich daran geglaubt und entsprechend abgestimmt. Die Jugendlichen, die nicht daran geglaubt haben, sind dummerweise vermutlich deswegen nicht zur Abstimmung gegangen, weil sie nicht gedacht haben, dass die Alten wirklich so blöd sind, wie sie sind. Was auch nicht für die Jugendlichen spricht.

Und ausgerechnet jetzt, wo das ganze Lügengebäude offensichtlich wird, kommt Frau May auf die Idee zu erklären, dass die Politik „demokratische“ Beschlüsse des Volkes nun einmal umzusetzen habe.

Eine Abstimmung, die rein auf der Basis von Lügen erfolgt, hat ungefähr die demokratische Qualität wie Wahlen in nicht alphabetisierten Tälern des Hindukusch. Ist Demokratie wirklich, dass der, der am dreistesten lügt, gewinnt, weil die Menschen ihm glauben WOLLEN?

Übrigens gäbe es ja einen ganz vernünftigen Grund, aus der Europäischen Union auszutreten. Wenn man nämlich dem Kapitalismus den Rücken kehren und ein vernünftiges, soziales Wirtschaftssystem errichten wollte. Dass ausgerechnet Theresa May dies möchte, ist freilich nicht zu erwarten, zumal sie ja davon schwärmt, dass ein „freies“ Großbritannien mit allen wichtigen Staaten der Erde bilaterale Freihandelsabkommen abschließen würde.

Liebe Briten: Vergesst nicht, es ist schon eine Weile her, dass ihr die halbe Welt nötigen konntet, für sie unvorteilhafte Abkommen mit euch zu schließen. Nehmt die Chance wahr, jetzt eine neue, demokratische Entscheidung auf der Basis von Fakten zu treffen.

Wir lassen euch doch eueren Linksverkehr, euer widerliches Bier und der Queen ihre Hütchen…

Gelesen: Ein Scheiß-Buch

Eigentlich ist das ja eine ganz witzige Idee mit den öffentlichen Bücherschränken, aus denen man sich kostenlos bedienen und in die man nicht mehr benötigte Bücher einstellen kann.

Beides kann und darf jeder – deswegen ist der Griff in so einen Schrank schon mal auch, hm, ein Griff ins Klo.

Ich zog „Lebensborn e.V.“ von Will Berthold heraus, der Buchrücken täuscht ein Sachbuch vor, Verlag Lingen hätte mich allerdings, zugegeben, schon stutzig machen müssen.

Beim Aufschlagen stellt sich heraus, dass es sich um einen der berüchtigten „Tatsachenromane“ handelt, bei denen aus wenig Tatsache viel Roman gemacht wird. Das allein ist bei dem vorliegenden Buch schon übel: Die Faszination des Grauens, die die von der SS installierte Arier-Zuchtanstalt „Lebensborn“ bei vielen hervorruft, verspricht dem ohnehin sehr geschäftstüchtigen Autor hohe Auflagen. Dass das bereits 1975 erschienene Buch derzeit einen kleinen Boom hat, wie man auf den Webseiten des Internetbuchhandels deutlich erkennen kann, lässt befürchten, dass das heute nicht mehr nur die Faszination des Grauens ist.

Dass der Autor (Jahrgang 1924 und selbst Weltkriegsteilnehmer) mit dem Buch auch ein Anliegen hat, und zwar ein ganz übles, wird schnell klar:

Die Protagonisten des Romans, ein junges Liebespaar, beide stramme, aber, wie schnell sehr deutlich wird, hochanständige Nationalsozialisten, geraten aus Führertreue in ein Lebensbornheim und finden das, da sie ja anständig sind, sehr unmoralisch. Offensichtlich waren die meisten Nazis so anständig, denn viele zeigen sich vom „Lebensborn“ abgestoßen. Schuld an den „Auswüchsen“ im beschriebenen Heim ist ein rabiater, dem ungezügelten Alkoholkonsum verfallener SS-Offizier, was zumindest nahelegt, dass bei einem weniger besoffenen Heimleiter alles gar nicht so schlimm wäre.

Wehrmachtssoldaten sind ohnehin ein Ausbund von Tugend und Tapferkeit, die treu „ihrem Vaterland“ dienen. Erst als sie von den Lebensborn-Heimen hören, befällt einige der Zweifel, ob das noch das Vaterland ist, das mit Haut und Haar in der Sowjetunion zu „verteidigen“ sie so gerne bereit waren. Vor den Lebensbornenthüllungen hatten sie offensichtlich mit den Nazis keine Probleme.

Besonders edel sind die Kampfflieger wie der männliche Teil des Protagonistenpaars. Wird er in einen Luftkampf verwickelt, klingt das so: „Klaus schlägt Haken auf Haken, er wehrt sich gegen drei tollwütige Hunde…“. Sein Chef, ebenfalls durch die Lebensborn-Geschichten von den Nazis enttäuscht, wählt gar den Freitod. Aber nicht, ohne dabei in einer Art Kamikaze-Flug einen „Tommy“, wie die Engländer im Buch stilsicher genannt werden, „vom Himmel zu holen“. Dazu liebt er seinen Beruf doch zu sehr.

Zurück ins Heim: Der alkoholisierte Chef lässt dem weiblichen Teil des inzwischen verlobten Paares, Doris, ihr im Lebensborn entstandenes Kind heimlich wegnehmen und schiebt ihr stattdessen ein Polenkind unter, das Doris liebe- und verantwortungsvoll aufzieht. Eine deutsche Mutter ist eben eine deutsche Mutter, egal, gegen wen.

Gleich nach dem Krieg, als alles wieder gut war, geschieht nun Folgendes: Das echte Kind wird gefunden und fühlt sich beim Anblick der Mutter und auch des Vaters, den es nie gesehen hat, geradezu magisch angezogen von seinen Eltern. Die Kraft des deutschen Vater- und Mutterblutes. Das polnische Kind hat, als seine wirkliche Mutter auftaucht, solch edle Regungen nicht. Die Polenmutter muss ihr Kind am Arm packen und gewaltsam wegziehen von seinen deutschen Pflegeeltern.

Ich weiß, Bücherverbrennungen haben einen schlechten Ruf, aber was soll man machen?

Schlecht fürs Wetter

Natürlich war es notwendig, dass die Schüler von friday for future während der Schulzeit streikten, sonst hätte man sie gar nicht zur Kenntnis genommen. Die Kanzlerin vermutete zu Beginn sogar eine russische Cyber-Verschwörung zur Destabilisierung des politischen Systems, weil sie es für unwahrscheinlich hielt, dass so viele Schüler gleichzeitig von selbst (!) das Thema Klimaschutz plötzlich (!) für wichtig hielten. Eigentlich ist es ja viel unwahrscheinlicher, dass so viele Menschen gleichzeitig (!) von selbst (!) auf die Idee kommen, CDU oder CSU wählen zu wollen…

Inzwischen hat sie eingesehen, dass die Idee, hinter jeder Kritik am eigenen Regierungshandeln eine russische Verschwörung zu vermuten, doch arg trumpelhaft ist. Seitdem versucht sie, wie fast alle anderen politischen und wirtschaftlichen Institutionen der Republik, die Protestierenden durch druckvolles Kopfstreicheln flachzudrücken. Sie hätten ja sooo recht, ABER

(unsystematisch querbeet):

Kanzlerin: Man täte doch schon so viel, und bis 2038 würde…

Söder: Das ist ja alles schön und gut, aber man müsse doch auch die wirtschaftlichen Abläufe im Sinn haben, die weiter funktionieren müssten…

Scheuer: Ich komme nicht von der Verbotsseite, ich setze Anreize. Er meint: für besseren Absatz deutscher Autos.

Haseloff (CDU-Ministerpräsident in Sachsen Anhalt) lobt sich (am letzten Sonntag bei „Anne Will“) tatsächlich selbst, dass die, er sagt tatsächlich „mitteldeutschen“, Bundesländer am meisten Schadstoffausstoß verringert hätten; wenn das die westlichen auch täten, wären so ungefähr alle Probleme gelöst. Ist ja irgendwie richtig: Wirtschaftsabbau und Massenarbeitslosigkeit verringern nun mal den Schadstoffausstoß. Und:
Wo im Osten man mit Klimaschutzmaßnahmen drohe (!), würde nur die AfD stärker…

FDP-Lindner: Klimaschutz sei für kindliche Laienhirne doch wohl etwas komplex, das solle man doch Profis (!) überlassen.

Annegret Krampfkarrenbauer: Ich als Mutter würde meinen Kindern für so eine Demonstration keine Entschuldigung schreiben. Und auch keinen Nachhilfelehrer bezahlen, damit sie den Stoff nachholen können (als ob die demonstrierenden Schüler jetzt zu hunderttausenden zum Nachhilfelehrer rennen würden…).

Die Liste ließe sich endlos fortsetzen.

Dass die deutsche Politik nichts, aber auch gar nichts verstehen will, konnte man letzte Woche bei der Eröffnung der Hannover-Messe beobachten. Die Kanzlerin besichtigte ein Modell „der Fabrik der Zukunft“.

Und was produzierte diese „Fabrik der Zukunft“?

Autos natürlich.