An diesem Buch ist alles spröde:
die Hauptfigur, der jüdische Jurist Richard Kornitzer, seine „arische“ Frau Claire, deren beide Kinder, selbst die kubanische Geliebte, mit der Kornitzer während seiner Exilzeit dort ein Kind zeugt. Die paar wenigen Zeilen, die diesem Kind ziemlich unmotiviert am Ende des Romans zugestanden werden, erlauben eine solche Einschätzung nicht.
Besonders spröde ist die Sprache des Romans: Mehr Berichterstattung als Erzählung, völlig schmucklos, aber auch ohne jede Spur von sprachlicher Eleganz.
Und noch ein Buch über die Geschichte einer Familie vor, während und nach der deutschen Nazi-Zeit. Warum soll man sich das antun?
Weil es sich lohnt.
Weil man tatsächlich neue Einblicke bekommt, wie diese Zeit alles von jedem entfremdet:
Die ohnehin sehr emotionslose Ehe zwischen Kornitzer und seiner Frau wird schließlich zu einer reinen Solidargemeinschaft im Kampf um die Wiedergutmachung des erlittenen Unrechts durch die Nazis.
Die vor Kriegsbeginn nach England gebrachten und dort aufwachsenden Kinder hassen Deutschland naturgemäß und stehen ihren leiblichen Eltern eher abweisend gegenüber.
In den Juristenkreisen, in denen sich Kornitzer nach seiner erkämpften Wiedereinstellung als Richter bewegt, beäugt man sich gegenseitig misstrauisch bis ablehnend, treffen hier doch ehemalige Emigranten und ehemalige Nazi-Juristen im selben Gerichtssaal wieder aufeinander.
Auch im Kampf um vollständige Wiedergutmachung durch Gestapo-Plünderungen des Eigentums, staatliche Zwangsabgaben und zerstörte Karrierechancen trifft der Rückkehrer auf ehemalige Nazis in den Behörden, unter anderem auf einen ehemaligen engen Mitarbeiter des Rüstungsministers Speer, der jetzt als Staatssekretär der jungen Bundesrepublik ausgerechnet für Wiedergutmachungsfragen zuständig ist und den Staatshaushalt vor überzogenen Ansprüchen der Nazi-Verfolgten schützen zu müssen glaubt.
Wie hartherzig und bürokratisch die bundesdeutschen Behörden fast alle Ansprüche ablehnen mit Verweis auf fehlende (und natürlich nicht zu erbringende) schriftliche Belege, empört Kornitzer immer mehr, er beginnt, um Kleinigkeiten zu kämpfen, eine Schreibmaschine etwa oder abhandengekommene Teetassen. Alles natürlich nicht aus materieller Not, sondern im Sinne der Gerechtigkeit.
Dies macht ihn krank, seine Frau, die als Gattin eines Juden nach dessen Auswanderung ebenfalls üblen Nazi-Attacken ausgesetzt war, ist es längst.
Da der Sohn sich weigert, der Redaktion eines biografischen Handbuches der deutschsprachigen Emigration Lebensdaten seines Vaters zu bestätigen (weshalb dieser im Handbuch dann auch nicht auftaucht), stattdessen von der Redaktion (arg plump: in seiner Selbstgerechtigkeit ganz der Alte) fordert, sie solle ihn bei der Durchsetzung seiner Erbansprüche unterstützen, stirbt das Ehepaar Kronitzer relativ früh einen wirklich trostlosen Tod.
Vermutlich muss in diesem Buch alles spröde sein.