Putin, schon wieder

Natürlich kann es sich die Presse (einschließlich der taz) angesichts des erneuten Auftauchens eines Nowitschok-Falls nicht verkneifen, sich an den „Anschlag“ „auf die Skripals“ erinnert zu fühlen. Als ob es außer ständigen Wiederholungen inzwischen irgendeinen weiteren Beleg dafür gäbe, dass es diesen Anschlag tatsächlich gegeben hat.

Ganz im Gegenteil: Reichlich verhärmt beklagt der SPIEGEL (Ausgabe 25 vom 16.6.), dass der Westen immer noch keine „harten Belege“, geschweige denn Beweise vorgelegt habe. Stattdessen habe sich herausgestellt,

  • dass Schweden schon 1997 Nowitschok aus Russland in seinem Chemiewaffenzentrum hatte, das dann angeblich vernichtet wurde
  • dass sowohl die USA, Großbritannien, die Niederlande und Tschechien Nowitschok besaßen und im Falle von Tschechien laut Aussage des tschechischen Präsidenten noch im letzten Jahr Experimente damit angestellt wurden
  • dass Nowitschok auch im Westen hergestellt wurde
  • dass entgegen der damals verbreiteten Behauptungen Putin nie die Ermordung von Überläufern angedroht hat
  • dass Skripal durchaus nicht im Rentnerstand war, als er mit dem Gift in Berührung kam, sondern fröhlich weiterspionierte – man weiß nur nicht so recht, für wen
  • dass die Behauptung des britischen Ex-Außenministers, er wisse vom Chef des britischen Chemiewaffenlabors, dass das Skripal-Nowitschok aus Russland stamme, von diesem sofort dementiert wurde.

Harte Belege oder Beweise sehen tatsächlich anders aus, noch dazu, wo dieses Zeug in der Umgebung von Porton Down, dem Chemiewaffenlabor Englands in unmittelbarer Nachbarschaft zu Salisbury, offensichtlich recht verbreitet herumliegt.

Natürlich muss man den SPIEGEL loben, dass er all diese Lügen veröffentlicht. Regelrecht tolldreist gerät dann allerdings die Volte, warum trotzdem alles für eine Täterschaft Putins spreche: Die Ukraine natürlich, die Krim und er habe „die Weltöffentlichkeit belogen.“ Ja dann.

In Skripals Wohnung sei übrigens neben zwei toten Meerschweinchen auch eine Katze gefunden worden, und zwar in „verstörtem Zustand“, wie die WELT berichtete.

Vermutlich kann die lesen.

 

Rechte Machtgier

Kaum lässt man die Politik (in der Abgeschiedenheit der finnischen Wälder) mal für drei Wochen allein, geschehen Dinge, die man am liebsten nicht kommentieren möchte:

Die europäische Union beschließt ein Vorgehen in der Asylpolitik, das als gemeinsames Programm aller rechtspopulistischen Parteien in Europa durchgehen könnte. Und in guter AfD-Manier stimmen die Rechtsausleger wie der ungarische Ministerpräsident zu, um hinterher zu sagen, dass man doch gar nicht zugestimmt habe, jedenfalls nicht so richtig.

Haben die Rechten und die Nationalpopulisten nicht längst gewonnen? Um ihnen den Wind aus den Segeln zu nehmen, fasst die EU Beschlüsse, von denen doch jeder weiß, dass sie gar nicht umsetzbar sind: Was ist ein Beschluss wert, der auf freiwillige Aufnahme von Geflüchteten durch die europäischen Länder setzt, angesichts der doch bekannten Verweigerungshaltung von z.B. Ungarn, Tschechien und der Slowakei? Und ganz im europäischen Kolonialherrenstil beschließt man die Einrichtung von „Anlandezentren“ (der Seehofersche Anker plätschert noch durch) in Nordafrika oder auf dem Balkan, ohne die davon betroffenen Länder überhaupt zu fragen. Vermutlich geht man davon aus, dass diese Länder alle käuflich sind. Und was, wenn nicht? Entzug von Hilfe, damit noch mehr Menschen hungern und Grund zur Flucht haben? Oder die Gaddafi – Lösung, europäische Bomben?

Wenn Seehofer und die CSU nach diesem Europagipfel allen Ernstes in den Nachrichten verbreiten, die CSU hätte „Europa gerockt“ und gleichzeitig erklären, dass sie das Ergebnis dennoch ablehnten, weil es nicht „wirkungsgleich“ sei mit Seehofers geplanten Zurückweisungen an drei (!) bayerischen Grenzübergängen zu Österreich, die selbst jemand mit unterdurchschnittlichem Orientierungssinn wie der Verfasser dieses Textes ohne Straßenkarten und Ortskenntnisse mühelos umfahren kann (Selbsttest!), dann heißt das nur, dass man alles, aber auch alles zu tun bereit ist, um bei der Landtagswahl im Herbst die absolute Mehrheit gegen die AfD zu verteidigen.

Wovor muss man eigentlich mehr Angst haben: Vor einer braunen Partei am rechten Rand, die man so benennen und kritisieren darf, oder einer CSU, die mit deren braunen Ideen die Wahl gewinnt und diese dann als Regierungspolitik umsetzt?

Wovor muss man eigentlich mehr Angst haben: Vor einer braunen Partei am rechten Rand, die man so benennen und kritisieren darf, oder einer CSU, die aus reiner Machtgier bereit ist, die Bundesrepublik und ganz Europa in eine Krise zu stürzen, von der wiederum nur die Rechtsextremen profitieren würden?

Man kann nur hoffen, dass die christlichen und sozialkonservativen Stammwähler der CSU eine ordentliche Abfuhr erteilen. Sonst haben die Rechten und die Nationalpopulisten wirklich gewonnen, egal ob sie sich AfD oder CSU nennen.