Gelesen: Lea-Lina Oppermann: Was wir dachten, was wir taten

Natürlich darf man die Erwartungen an eine so junge Autorin, wie es Lea-Lina Oppermann ist, nicht allzu hoch schrauben. Dass sich dennoch eine gewisse Enttäuschung einstellt, liegt an den Superlativen, mit denen das Buch von Verlag und (teilweise) Rezensenten überschüttet wurde. Diesen kann der Text (natürlich) nicht gerecht werden.

Sicher, die großspurig als „Roman“ betitelte Erzählung ist sauber konstruiert und in einer erfreulich ansprechenden Sprache geschrieben (was heutzutage ja tatsächlich rühmende Heraushebung verlangt). Dass Oppermann ihre Motive aus der Lebenswelt der Jugendlichen wählt und auch in erster Linie damit auf Jugendliche abzielt – im Gegensatz zu kaum älteren Autorinnen, die meinen, die ganz großen Weltprobleme abschließend aufarbeiten zu können – sei auch gelobt.

Allerdings versucht auch sie sich an einem (zu) großen Thema:

Eine maskierte Person (wenig einfallsreich immer nur als „Unbekannter“ bezeichnet) dringt mit einer Pistole bewaffnet in ein Klassenzimmer ein und zwingt die Jugendlichen zu demütigenden Handlungen, die sie in zehn (ein paar weniger hätte ermüdende Längen vermieden) niedergeschriebenen Aufgaben festgelegt hat. Es stellt sich heraus, dass der „Unbekannte“ eine Sie ist, und zwar eine ehemalige, von der Klasse gemobbte Mitschülerin. Als einzige hat sie die charakterlichen und moralischen Schwächen aller ihrer Mitschüler durchschaut und stellt diese jetzt bloß.

So weit, so unglaubwürdig.

Die in der Klasse beliebten und von den Mädchen angehimmelten Mitschüler erweisen sich als feige und unmoralisch, die unbeliebten als wahre Helden.

So weit, so unglaubwürdig.

Die zurechtgeschminkten coolen Mädchen sind natürlich alles doofe Oberzicken, die schüchternen „Mauerblümchen“ echte Charaktere.

So weit, so unglaubwürdig.

Der Lehrer, der eigentlich seinen Beruf und seine Schüler hasst, aber den „Was-bin-ich-für-ein-cooler-Typ“ spielt, erweist sich als Angsthase und Versager.

So weit, so unglaubwürdig.

Das Ganze wird in einem seitenlangen Anklagebrief, den die inzwischen Bekannte hinterlässt, bevor sie sich erschießt, noch einmal wiederholt. Und natürlich wird darin deutlich, dass auch ihre Eltern ganz ganz arg versagt haben, diese Versager.

So weit, so überflüssig.

Bayern first!

Jetzt sind sie tatsächlich mal erster, die Bayern. Die ersten, die angesichts der doch ein bisschen verhauten Situation allüberall den neuesten Trend entdeckt haben: Eindeutig RETRO!

Die Fußballer, die, wie man weiß, ja ein sehr enges Verhältnis zu den Machthabern in der Staatskanzlei pflegen, haben’s vorgemacht. Zurück zu Früherem, zurück zu den Alten.

Der 72-jährige Jupp soll die Mannschaft wieder auf die Beine bringen. Gut so. Und ausbaufähig: Als Assistenztrainer empfehlen wir Uwe Seeler. Der lebt noch und ist auch sowas von deutsch! Jetzt, wo wir Deutschen alle zusammenhalten müssen, kann man auch mal drüber hinwegsehen, dass der sowas von Hamburger Saupreiß ist. Aber als Deutschland noch in Ordnung war und noch einen Kaiser hatte, war der ja schließlich auch ein Saupreiß.

Und natürlich muss dieser Versager Seehofer auch durch einen frischen, alten Mann ersetzt werden. Einen erfolgreichen, äußerst redegewandten und erfahrenen Reformer: Murks-G8ler Edmund Stoiber. Der hat die G8-Kritiker immer als „RETRO-Typen“ beschimpft. Aber da hat er ja noch nicht gewusst, wie modern RETRO wird. Also: Zurück vom neuen G9 zum alten G8. Der Doppel-RETRO.

Und die Ewig-Merkel? Sollte die nicht auch endlich mal abtreten und einem RETRO Platz machen? Aber wem? Hat sie nicht alle überlebt? Nein! Der Gazprom-Gerd lebt ja noch und wäre der richtige, diese verheerenden sozialdemokratischen Tendenzen in der CDU zu korrigieren. Mindestlohn abschaffen, Steuerfreiheit für Energiekonzerne, Fresspakete für Asylbewerber und Hartz IV-ler. Dann wird die deutsche Wirtschaft wieder konkurrenzfähig in der Welt und auch der Stoppel-Lindner von der FDP wäre überflüssig. FDP RETRO an Hermann Otto Solms!

Die GRÜNEN müssen nichts ändern. Fast unbemerkt haben sie sich ganz knapp hinter den Bayern auf Platz zwei vorgeschoben: Die „Ich liebe meine Heimat“ – Katrin und der „Diesel-Autos sind ok“- Winfried sind voll im Trend.

Und irgendwann wird alles wirklich gut: Wenn die CSU Flüchtlinge in libyschen Lagern konzentriert, die SPD dafür sorgt, dass die deutsche Industrie wieder ordentlich Rüstungsaufträge kriegt und die faulen Abiturienten endlich zum Arbeitsdienst eingezogen werden.