Gelesen: Katja Lange-Müller

Katja Lange-Müller hat 2007 einen Roman veröffentlicht, der ist eine Wucht: „Böse Schafe“ sollte man gelesen haben, es ist eindringlich, melancholisch, berührend und vor allem auch in der Anlage schlüssig.

Wie immer, wenn man einen Autor oder eine Autorin für sich entdeckt zu haben glaubt, stürzt man sich auf weitere Werke – und gelegentlich dabei auch ab.

Bei „Drehtür“, dem „Roman“ von 2016, wird wohl so mancher Leser immer dringlicher nach der Möglichkeit suchen, aus ebendieser herauszustürzen, wenn man drei, vier Durchgänge – hier: drei, vier eigentlich in sich abgeschlossene Prosa-Episoden – durchlaufen hat. Irgendwann will man nur noch raus und braucht frische Luft.

So ganz fremd ist einem Leser natürlich die Erfahrung nicht, dass nach einem ganz guten Roman ein weiterer Roman folgt, bloß dann halt kein ganz guter. Dafür mag es unterschiedliche Gründe geben: Druck des Verlages, Neues herausgeben zu wollen, vielleicht auch nachlassende Selbstkritik des Autors angesichts des Erfolges. Aber nach rund 10 Jahren sollte man schon mehr erwarten dürfen als eine mühsam zusammengeklebte Ansammlung von Texten mit, ja, mit dem Aufregungspotential einer Drehtür.

Ein lohnender Versuch ist oft, sich in den früheren Werken des Autors/der Autorin umzusehen. Bei Müller-Lange erkennt man immerhin sehr schnell, dass sie fast ausschließlich Kurzprosa schreibt. Findet sich da Lohnenderes?

Um es gleich vorwegzunehmen: Dieser Versuch, nämlich „Die Enten, die Frauen und die Wahrheit“ wird auf lange Zeit mein letzter zu dieser Autorin gewesen sein.

Vielleicht gibt es Menschen, die das Interesse der Erzählerin am Alltag eines Erdferkels teilen, vielleicht sogar deren Enttäuschung, dass der selbstgewählte „Kumpel und Freund“ Erdferkel diese Rolle nicht annehmen und würdigen mag. Aus Desinteresse, das mich mit diesem Erdferkel geradezu verbündet.

Vermutlich gibt es auch Menschen, die hinter diesen Geschichtchen jede Menge Tiersymbolik wähnen.

Schluss allerdings ist spätestens bei dieser Sequenz: „Das Erdferkel haust (…) im Nachttiertrakt des Zoologischen Gartens. (Ich möchte mal wissen, was an einem Zoo logisch sein soll und was Garten.)“

Wenn ich Pennälerwitzchen lesen will, kaufe ich mir eine Schülerzeitung.

Vorfreude: Arundhati Roy

Arundhati Roy hat ihren zweiten Roman geschrieben. Lange hat’s gedauert – ziemlich genau 20 Jahre nach „Der Gott der kleinen Dinge“. In der Zwischenzeit war sie aktiv als kompromisslose Menschenrechts- und Umweltaktivistin. Wenn sie gefragt wurde, wann denn endlich ihr zweiter Roman käme, hat sie geantwortet, sie tue immer das, was gerade wichtig wäre, und ein zweiter Roman gehöre im Augenblick nicht dazu.

Jetzt inzwischen doch. Auf Deutsch erscheinen wird „Das Ministerium des äußersten Glücks“ am 10. August. Man darf sich ganz ungemein darauf freuen.

Laura Höflinger vom SPIEGEL hat das Buch vorab gelesen. Sie findet es gut, aber – in einer verwunderlichen Gleichsetzung mit ihrer Kritik an Roys politischen Aktivitäten – arg einseitig und übertrieben. Das adelt Arundhati Roy: Hat doch schon Tucholsky vermutet, dass seine Tante den „Faust“ „übertrieben“ gefunden hätte, hätte sie ihn denn gelesen.

Meine Vermutung: Wenn man Roys neuen Roman gelesen hat, wird man klüger sein, erfahrener sein, nachdenklicher sein. Was ein richtig gutes Buch halt mit einem machen kann.

Das ist eine Vermutung, weil ich den Roman noch nicht gelesen habe.

Für alle diejenigen, die „Der Gott der kleinen Dinge“ jetzt lesen werden, ist es ein Versprechen.

Armer, armer Oligarch

Mitleidig, fast schon ein bisschen weinerlich bedauert Christian Neef im SPIEGEL 30/2017 einen Herrn namens Nitrat Achmetow, Wohnort: Ukraine, Beruf: Oligarch.

Die bösen Russenfreunde (oder gar echte Russen) in der Ost-Ukraine haben sich nämlich erlaubt, das „Eigentum“ sogenannter Oligarchen zu verstaatlichen. Und wie.

Herrn Achmetow kostete diese Maßnahme laut SPIEGEL zwei Stahlwerke, zwei Kokereien, ein Röhrenwerk, drei große Kohlebergwerke und ein Wärmekraftwerk nebst dem Stadion in Donezk.

„Seine Verluste gehen in die Milliarden“ (Neef).

Da können einem schon die Tränen kommen.

Vor allem, wenn man bedenkt: Bis 1991 war die Ukraine Teil der Sowjetunion. Privatbesitz an Produktionsmitteln gab es da nicht. Kaum war das (nach der Zerstörung der Sowjetunion durch Herrn Gorbatschow und der Unabhängigkeit der Ukraine) erlaubt, hat sich Herr Achmetow hingesetzt und im Schweiße seines Angesichts Milliönchen um Milliönchen, ach was! Milliarden mit harter Arbeit und in unzähligen Nachtschichten mühsam verdient und wie eine schwäbische Hausfrau aufs Sparkonto gelegt. Bis es (laut Forbes-Liste) mal rund 12 Milliarden Dollar waren. Das kann man dem doch nicht einfach wegnehmen!

Aber so ist es halt, wenn die Russen kommen.